Arztbesuche – Medikamente und Hilfsmittel
Nach einigen eher unbedeutenden Fragen wird der Versicherte nach dem Hausarzt gefragt. Spannend wird es bei der Frage, ob der Hausarzt ins Haus kommt oder ob der Versicherte den Arzt aufsuchen muss. An dieser Stelle redet der Gutachter schon über möglichen Hilfebedarf. Arztbesuche können zum Hilfebedarf in der Rubrik Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung zählen, nämlich dann, wenn es medizinisch erforderlich ist und regelmäßig stattfindet. Die Bezeichnung „regelmäßig“ ist dabei tückisch.
Anerkannt werden nämlich nur Praxisbesuche, wenn sie mindestens einmal je Woche stattfinden. Natürlich kann man auch Arztbesuche, die alle zwei Wochen notwendig sind, als regelmäßig bezeichnen – aber nicht im Sinne des Gesetzes! Hier finden wir schon die Erste von zahlreichen Stellen, wo gesunder Menschenverstand und Auslegung des Pflegeversicherungsgesetzes, inklusive Absegnung durch die Sozialgerichte, auseinander gehen. Ohne dies näher werten zu wollen, bleibt festzuhalten: Hausbesuche von Ärzten erfordern keinen Hilfebedarf, Praxisbesuche, die nicht wenigstens einmal pro Woche stattfinden, auch nicht. Im Sinne des Gesetzes, versteht sich, nicht in der Realität. Die Realität spielt aber nur relativ eingeschränkt eine Rolle, wie sich hier zeigt.
123Vesicherung rät: Nennen Sie alle Ärzte, bei denen Sie in Behandlung sind, also auch alle Fachärzte. Wenn Sie diese Ärzte allesamt aufsuchen müssen, dann kommen Sie leichter auf die geforderte wöchentliche Regelmäßigkeit. Vier Fachärzte, die jeweils alle vier Wochen aufgesucht werden müssen, ergeben schließlich dieselbe Zahl wie ein Hausarzt, der jede Woche besucht werden muss.
Achtung: Oft werden Sie gefragt, welchem Zweck die angegebene Häufigkeit der Arztbesuche dient. Wenn Sie dann antworten, dass Sie (zum Beispiel) für einige Zeit öfters dorthin müssen, um eine bestimmte Blutuntersuchung durchführen zu lassen, bis die Werte sich stabilisiert haben, haben Sie womöglich schon Anlass gegeben, dass dies nicht anerkannt wird. Neben dem Wochen-Rhythmus ist auch eine Dauer von mindestens sechs Monaten erforderlich, um zur Anerkennung der Arztbesuche zu kommen. Wenn die Häufigkeit also nur für eine bestimmte Zeit geplant ist, dann widerspricht es dem Gesetz, diese Häufigkeit anzuerkennen. Deshalb verfallen Sie besser nicht auf Mutmaßungen über die Dauer oder Notwendigkeit häufiger Arztbesuche. Sie sind Laie, niemand wird es Ihnen verübeln, wenn Sie Derartiges nicht wissen.
Die Heilmittel
Zu dem gleichen Formenkreis zählt die Frage nach den verordneten Heilmitteln. Hierzu zählen Maßnahmen, die der Wiederherstellung der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten dienen. Krankengymnastik zählt hier ebenso dazu wie Logopädie (sprechen lernen, etwa nach einem Schlaganfall) und Ergotherapie.
Auch hier gilt es, dass die Maßnahmen außer Haus mindestens einmal pro Woche durchgeführt werden müssen, damit sie anerkannt werden. Wichtig ist, dass in diesem Fall die verschiedenen Heilmittel nicht miteinander kombiniert werden können. In zwei Wochen einmal Ergotherapie und einmal Logopädie ergeben keinen Durchschnitt von einmal in der Woche und damit keinen Hilfebedarf im Sinne des Gesetzes.
Die Medikamente
Irgendwann zwischen diesen Fragen erkundigt sich der Gutachter nach den Medikamenten. Hier versteckt sich ein Stück der Prüfung auf Plausibilität. Später in der Befragung wird die Frage geklärt, ob die Feinmotorik des Versicherten möglicherweise gestört ist. Dies ist eine typische Frage, die während des Hausbesuches sehr schwierig durch Untersuchungsmethoden zu überprüfen ist, durch Plausibilität aber sehr wohl. Gibt ein Versicherter während der Begutachtung an, mangels Feingefühl in den Fingern die Knöpfe seines Hemdes nicht schließen und ein Stück Brot nicht zerschneiden zu können, hat aber zuvor mitgeteilt, seine Medikamente selbst zu richten, möglicherweise auch selbstständig sein Insulin zu spritzen, dann hat er ein Problem. Unverzüglich stellt sich nämlich die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Versicherten.
Die Hilfsmittel
Nicht ganz so tückisch ist die Frage nach den Hilfsmitteln. Hier wird der Versicherte gefragt, welche Gerätschaften er benutzt, die seine Gebrechen ausgleichen helfen – kurzum alles, was künstlichen Ursprungs ist und die natürliche, angeborene Ausstattung unterstützt oder ersetzt. Hierzu zählen Gehstöcke, Rollstühle und Toilettenstühle ebenso wie Inkontinenzartikel (=,Windeln, Vor- und Unterlagen), die Bein- oder Zahnprothese. Die Auswahl ist wirklich gewaltig, sodass hier auf eine Aufzählung verzichtet werden muss.
Wichtig für den Versicherten sind bei diesem Punkt zwei Dinge: Erstens ergibt die Aufzählung der in Gebrauch befindlichen Hilfsmittel einen ersten Hinweis darauf, ob eventuell eines fehlt. Es zählt zu den Aufgaben des Gutachters, auch einen Mangel festzustellen und für Abhilfe zu sorgen. Wenn also zum Beispiel ein Versicherter derart in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist, dass er nicht mehr allein aus seinem Fouton- Bett (tiefergelegte Holzbretter mit dünner Matratze) herauskommt, dann wird im Gutachten aller Wahrscheinlichkeit nach die Empfehlung an die Pflegeversicherung enthalten sein, doch baldigst ein höhenverstellbares Pflegebett zur Verfügung zu stellen. Wohlgemerkt: Eine solche Empfehlung kündet nicht von menschlichen oder sozialen Beweggründen. Die Pflegeversicherung stellt Hilfsmittel zur Verfügung, wenn die berechtigte Aussicht besteht, dass hierdurch der Hilfebedarf gesenkt oder doch wenigstens auf dem augenblicklichen Niveau gehalten werden kann.
Zweitens erfasst der Gutachter auch Hilfsmittel, die zwar dem Versicherten zur Verfügung stehen, von diesem aber nicht genutzt werden. Die Pflegeversicherung entscheidet dann, ob dieses Hilfsmittel, weil ungenutzt, wieder abgeholt wird. Die Gefahr des Abholens von Hilfsmitteln beschränkt sich selbstverständlich nur auf solche Hilfsmittel, die von der Versicherung einst geliefert wurden, und auch nur auf Geräte, die einigermaßen teuer waren und zudem universell einsetzbar sind, also problemlos von anderen Versicherten genutzt werden können. Aus diesen Gründen bleibt es üblicherweise folgenlos, wenn eine Zahnprothese nicht genutzt wird; ein Pflegebett oder ein Badewannenlifter werden jedoch recht schnell wieder einkassiert.