Wenn Marlene Dietrich singt, sie sei von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, und selbst ihren Unterbau von Fuß bis Oberschenkel für seinerzeit eine Million Mark versichert hat, dann ist das nicht mehr als eine schlichte Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Dietrich- Versicherung blieb zwar eine Legende, doch bei den Stars kam die Idee in Mode: Die Gabor versicherte ihre Haare, Liz Taylor ihre blauen Augen und Miles Davis die Lippen. Versicherungssumme natürlich gleich mindestens 1 Million Dollar. Auch die deutschen Fußballspieler versichern ihre Beine ebenso wie Klavier-Romantiker Richard Clayderman seine Hände. Die Stars werden von spezialisierten Versicherern risiko- und marktgerecht taxiert. Was die Boulevardpresse gerne verbreitet, ist für den Normalbürger dagegen eher ein unangenehmes Thema. Er kann damit keine Schlagzeilen machen. Nur 10 Prozent der Bundesbürger haben eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Auch die Vertreter haben kaum einen Anreiz, ihre Kunden mit diesem Thema womöglich zu verschrecken: Die Provisionen sind – vor allem im Vergleich zur Kapital-Lebensversicherung – mager, und bei der Kapital-Lebensversicherung kann man immerhin nett über die angeblich hohen Leistungen im Erlebensfall sprechen. Das Risiko, Frührentner zu werden, ist jedoch groß: Jeder sechste Erwerbstätige wird vor dem 65. Lebensjahr berufsunfähig. Nur wenige verlieren durch Unfälle ihre Arbeitskraft. Meist sind es Krankheiten, die zum Ausscheiden zwingen. Ein Drittel aller Frührentner muss wegen Herz- und Kreislaufkrankheiten seinen Beruf aufgeben, jeder sechste wegen Knochen- und Wirbelsäulenleiden oder Rheuma, jeder neunte wegen Magen- oder Darmproblemen oder Stoffwechselkrankheiten. Eine Unfallversicherung schützt in diesem Fall nicht: Nur 10 Prozent aller Berufsunfähigkeitsfälle gehen auf einen Unfall zurück. Daher ist der Bedarf für eine Berufsunfähigkeitsversicherung weit höher. Besonders wichtig ist die Berufsunfähigkeitsversicherung für Personen, die weder Rentenansprüche noch Vermögen haben und deren Existenz allein von ihrer Arbeitskraft abhängt. Das sind vor allem Berufsanfänger, junge Familien und Selbständige.
Der Schutz der Sozialversicherung
Rund ein Viertel aller Renten sind Berufsunfähigkeitsrenten. Jeder dritte Arbeiter und jeder fünfte Angestellte scheiden vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Arbeitsleben aus, weil sie berufsunfähig werden. Bei zwei Dritteln tritt die Berufsunfähigkeit zwischen 30 und 55 Jahren ein. Die Renten sind im Schnitt gering: Männer erhielten rund 1 000 € im Monat, Frauen noch weniger. Zwar ist jeder Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung, doch in den ersten Jahren sind die Ansprüche auf Berufsunfähigkeitsrente meist gleich Null. Erst nach einer Wartezeit von fünf Jahren (und Zahlung von mindestens 36 Monaten Pflichtbeiträgen) kann – ausgenommen Arbeitsunfälle – mit einer Rente gerechnet werden. Daher brauchen vor allem Berufsanfänger, Beamte zur Probe und auf Widerruf zusätzlichen Schutz: Sonst müssen sie zum Sozialamt gehen. Beamte können bei Dienstunfähigkeit in den ersten zehn Berufsjahren nur mit 35 Prozent ihrer ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge als Ruhegehalt rechnen. Auch Selbständige und Freiberufler müssen sich privat absichern. Die Rente der Berufsgenossenschaften greift nur bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten, dafür gibt es bereits ab 20 Prozent Berufsunfähigkeit eine Rente. Gut abgesichert ist ein Geschädigter dagegen, wenn der Unfall durch andere verursacht wurde und diese eine Haftpflichtversicherung haben. Doch auch später bleiben Lücken bis zum Alter von etwa 45 Jahren und für die Gutverdienenden. Ein leitender Angestellter mit einem Bruttoeinkommen von rund 10 000 € im Monat bekommt ebenfalls nur eine Berufsunfähigkeitsrente von 1 600 €. Denn je höher das Einkommen ist, desto größer ist die Versorgungslücke. Bei einem Nettoeinkommen von 2 000 € liegt die staatliche Berufsunfähigkeitsrente bei 800 €, bei 4 000 € bei 1 600 €, bei 6 000 € und darüber bei
1 700 €.
Was die Sozialversicherung zahlt
Weniger als fünf Jahre im Beruf. Versicherte (Angestellte oder pflichtversicherte Selbständige) haben vom ersten Tag an Schutz bei Berufsunfall oder Berufskrankheit. Das gilt auch für Unfälle auf dem Weg von oder zur Arbeit. Eine Rente der Berufsgenossenschaft wird allerdings auf die Sozialrente angerechnet. Berufsanfänger genießen bei Unfällen in der Freizeit Versicherungsschutz, wenn innerhalb der vor-angegangenen zwei Jahre sechs Pflichtbeiträge gezahlt wurden. Bei Nichtberufsunfall oder Krankheit genießen Arbeit-nehmer und pflichtversicherte Selbständige nur Schutz, wenn sie insgesamt mindestens 60 Monate lang – auch gestückelt – Beitrag gezahlt haben. Darunter müssen wenigstens 36 Pflichtbeiträge sein, die in den vergangenen fünf Jahren gezahlt wurden.
Älterer Angestellter: Er muss unter der Angabe seiner Rentennummer bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Rentenauskunft anfordern.
Selbständiger und Freiberufler. Wenn er mindestens fünf Jahre lang freiwillig sozialversichert war und seit 1984 laufend Mindestbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlt, gibt die Rentenversicherung bei Invalidität einen kleinen Zuschuß zum Lebensunterhalt.
Hausfrauen, Auszubildende, Schüler, Studenten. Sie bekommen keine Erwerbsunfähigkeitsrente aus der Sozial-versicherung. Das gilt auch, wenn eine Hausfrau vorher berufstätig war.
Definitionen
Berufsunfähigkeit. Paragraph 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung besagt: Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung aus-geübt werden kann und seiner bisherigen Lebenseinstellung entspricht. Der Versicherte erhält Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn dieser Zustand sechs Monate ununterbrochen angehalten hat und fortdauert. Die Versicherungen dürfen den Versicherten aber auf eine andere Tätigkeit verweisen (Verweisungsklausel). Allerdings muss dieser neue Beruf dem vorherigen sozial gleichwertig sein. Außerdem muss ein Wechsel möglich sein. Dienstunfähigkeit. Diese Definition gilt für Beamte. Nach dem Bundesbeamtengesetz ist ein Beamter dienstunfähig und wird in den Ruhestand versetzt, wenn er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen und geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann der Beamte auch dann angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird. Einige Versicherer schließen das Risiko der Dienstunfähigkeit bei Beamten ausdrücklich aus. Erwerbsunfähigkeit. Die Reichsversicherungsordnung definiert eine erwerbsunfähige Person als jemanden, der infolge von Krankheit oder anderer Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann.
Der Schutz durch den Arbeitgeber
Rente durch die Berufsgenossenschaft. Per Gesetz sind alle Arbeitnehmer gegen die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten versichert. Die Beiträge dafür zahlt der Arbeitgeber. Unter diesen Schutz fallen auch Unfälle auf dem Arbeitsweg und auf Dienstreisen. Wer zu 100 Prozent erwerbsunfähig wird, bekommt zwei Drittel des letzten Jahresarbeitseinkommens als Verletzten-rente. Es gibt jedoch einen Höchstbetrag, der bei den einzelnen Berufsgenossenschaften unterschiedlich ist. Wer nach einem Arbeitsunfall mehr als 20 Prozent in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist, erhält den prozentualen Teil der vollen Verletztenrente, der seiner Erwerbsminderung entspricht. Bei einer Erwerbsminderung von mehr als 50 Prozent gibt es Kinderzuschläge. Auch Schwerverletzte, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, erhalten Zuschläge. Rente vom Unternehmen. Etwa jeder zweite Arbeitnehmer bekommt im Alter eine Rente von seinem Unternehmen. Gemäß fast allen Versorgungsordnungen wird auch bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gezahlt. Dies gilt bei einem Betriebsunfall vom ersten Arbeitstag an. Für Krankheiten oder Freizeitunfälle gibt es meist eine Wartezeit von fünf bis zehn Jahren Betriebszugehörigkeit. Arbeiter und Angestellte sollten in der Personalabteilung erfragen, ob ihr Unternehmen zahlt, ob sie schon Anspruch darauf haben und wie hoch ihre Invaliditätsrente wäre.
Beamtenpensionen. Bei Dienstunfällen sind alle Beamten vom ersten Tag an abgesichert. Bei Krankheit oder Freizeit-unfällen kommt es auf den Status an: Beamte auf Widerruf gehen leer aus. Der Staat versichert sie lediglich nachträglich in der gesetzlichen Rentenversicherung. Beamte auf Probe haben ebenfalls keinen Rechtsanspruch. Der Staat zahlt auch hier nachträglich die Rentenversicherungsbeiträge. Allerdings gibt es Kann-Vorschriften, die, je nach einzelnem Fall, Familienstand und wirtschaftlicher Situation des Betroffenen, einen Unterhaltsbeitrag erlauben. Beamte auf Lebenszeit haben nach fünf Dienstjahren (inklusive der Ausbildung im Beamtenverhältnis) Anspruch auf 35 Prozent der Bezüge bis zum Ende einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von zehn Jahren. Danach steigt der Satz um 2 Prozent für jedes weitere Dienstjahr bis zum 25. Dienstjahr. Danach gibt es jedes Jahr 1 Prozent mehr bis zum Höchstsatz von 75 Prozent nach 35 Dienstjahren.