Die folgende Übersicht bietet eine Zusammenstellung der typischen Merkmale der wichtigsten Versicherungszweige und -arten unter Betonung des deutschen Marktes. Die Grobeinteilung folgt dabei der an der Versicherungspraxis orientierten Typisierung im Sinne der Einleitung zu unserem Versicherung-Ratgeber. Obwohl die Versicherungsbedingungen seit 1994 keiner Genehmigungspflicht mehr unterliegen, sind in den meisten Versicherungszweigen unternehmensübergreifend stark vereinheitlichte Leistungsmerkmale weiterhin verbreitet. Für viele Zweige sind vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Vorschläge für Allgemeine Versicherungsbedingungen (so genannte Muster-AVB) veröffentlicht worden.
Lebensversicherung
Die Lebensversicherung gehört zur Kategorie der Summenversicherung. Tritt der Versicherungsfall ein, wird im Normalfall eine vorher vereinbarte Geldleistung einmalig, mehrmalig oder regelmäßig fällig. Dieses Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung rechtfertigt sich aus der praktischen Schwierigkeit, in der Lebensversicherung den Schaden zum Beispiel beim Tod eines Versicherten konkret zu beziffern; im Falle von Altersrentenzahlungen kann ohnehin nicht sinnvoll von einem Schaden gesprochen werden.
Besonders Lebensversicherungen mit einem gemischten Charakter, die Elemente der Risikovorsorge und der Kapitalbildung verbinden, erfreuen sich in Deutschland als Instrument der Alters- und Hinterbliebenenversorgung trotz steuerlicher Beschränkungen, die seit dem 1. Januar 2005 wirksam geworden sind, traditionell großer Beliebtheit.
Da Verträge in der Lebensversicherung in der Regel langfristig geschlossen werden, sind ihre Geschäftszweige besonderen aufsichts- und vertragsrechtlichen Anforderungen unterworfen. Die Konkurrenz zu gesetzlichen Versicherungssystemen ist in der Lebensversicherung erheblich schwächer ausgeprägt als in der Krankenversicherung, jedoch – von wenigen Ausnahmen abgesehen – stärker als in der Sach- und Vermögensversicherung. Man differenziert zwischen der Lebensversicherung im engeren Sinne und den Zweigen Invaliditätsversicherung und Pflegerentenversicherung; die übrigen Zweige haben nur geringe Bedeutung.
a) Lebensversicherung im engeren Sinne
ln der Lebensversicherung im engeren Sinne dient der Leistungscharakter als zentrales Unterscheidungskriterium der einzelnen Versicherungsarten. Bei so genannten Kapitalversicherungen erfolgt die Zahlung der vereinbarten Summe höchstens einmalig oder zu wenigen Terminen, bei Rentenversicherungen dagegen regelmäßig – zumeist monatlich oder quartalsweise.
Eine andere Klassifizierung betrachtet das aus Sicht des Unternehmens dominierende Risiko, das bei Versicherungen mit Todesfallcharakter im frühen Tod des Versicherten, bei Versicherungen mit Erlebensfallcharakter hingegen im Erreichen eines überdurchschnittlich hohen Alters besteht. Mischformen sind möglich.
Die Risikobeurteilung wird im Rahmen einer Gesundheitsprüfung vorgenommen. Dazu werden dem Kunden, der Versicherungsschutz erhalten möchte, Fragen zu seinem Gesundheitszustand gestellt, die er im Rahmen des Versicherungsantrags beantworten muss. Bei hohen Versicherungssummen oder bei Vorliegen besonderer Gebrechen kann darüber hinaus eine ärztliche Untersuchung vorgenommen werden. Ergibt die Gesundheitsprüfung, dass mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko zu rechnen ist, werden auf den Tarifbeitrag Risikozuschläge erhoben oder der Antrag wird – bei deutlich erhöhtem Risiko – abgelehnt. Alternativ kann auch eine leistungsfreie Wartezeit zu Vertragsbeginn vorgesehen werden. Diese Risikozuschläge sind auf das individuelle Risiko bezogen. Sie haben daher nichts zu tun mit den Risikozuschlägen im Rahmen des Änderungsrisikos, welche das Kollektiv betreffen.
• Risikolebensversicherung: Bei der Risikolebensversicherung handelt es sich um eine Versicherung mit Todesfallcharakter, die daher auch als Todesfallversicherung bezeichnet wird. Die vereinbarte Versicherungssumme wird nur beim Tod der versicherten Person fällig. Die Zahlung soll Hinterbliebene absichern, die aus steuerlichen Gründen im Versicherungsvertrag als Bezugsberechtigte genannt sein müssen; andernfalls fällt die Leistung möglicherweise steuerpflichtig unter die Erbmasse.
Oftmals wird die Risikolebensversicherung in jüngeren Jahren abgeschlossen, solange ein angemessener Vermögensaufbau noch nicht erreicht ist oder minderjährige Familienangehörige zu versorgen sind. Die Versicherung läuft dann über einen Zeitraum von meistens zehn bis zwanzig Jahren. Stirbt der Versicherte in diesem Zeitraum nicht, endet die Versicherung danach, ohne eine Zahlung zu leisten.
In höherem Alter werden dagegen vermehrt lebenslang laufende Risikolebensversicherungen abgeschlossen, die als so genannte Sterbegeldversicherungen erst mit dem Tod des Versicherten und der Zahlung einer vergleichsweise niedrigen Summe enden. Sie dienen dem Namen entsprechend vornehmlich der Deckung von Begräbniskosten. Ihres kleinsummigen Umfangs wegen bezeichnet man diese Versicherungen auch als Kleinlebensversicherungen.
Eine Besonderheit bilden Risikolebensversicherungen mit fallender Versicherungssumme. Sie dienen in der Regel als Restschuldversicherungen zur Absicherung von Darlehensverbindlichkeiten oder auch als Risikopuffer bei längerfristigen Sparvorgängen und werden daher auch von Banken und Bausparkassen vertrieben.
• Kapitalbildende Lebensversicherung (gemischte Versicherung): Diese Versicherungsart kombiniert den Risikoschutz während der Vertragslaufzeit mit der Zahlung der Versicherungssumme an deren Ende, wenn zuvor keine Todesfallleistung gezahlt wurde. Das Produkt hat in erster Linie Erlebensfallcharakter und beinhaltet daher einen Sparvorgang. Die Zahlung der Versicherungssumme im Erlebensfall erfolgt in der Regel einmalig am Ende der Laufzeit; bei so genannten Teilauszahlungstarifen werden auch zu zwischenzeitlichen Terminen bereits Zahlungen fällig.
Auf das Jahr 1891 ging die vor dem 1. Januar 2005 bestehende Steuerbefreiung der Erträge aus kapital bildenden Lebensversicherungen zurück. Dadurch sollte die Lebensversicherung, die das bedeutendste Instrument der Altersvorsorge für selbstständige Berufe bildete, den Beamtenpensionen gleichgestellt werden. Im Zuge der Neuordnung des Alterseinkünftegesetzes 2005 wurde die vollständige Steuerbefreiung langjährig laufender kapitalbildender Versicherungen eingeschränkt. Seither werden nur noch 50% der Differenz zwischen der Gesamtleistung einschließlich aller Überschüsse und der eingezahlten Beitragssumme von der Besteuerung ausgenommen, und auch nur dann, wenn der Vertrag mindestens zwölf Jahre lang lief und der Steuerpflichtige das 60. Lebensjahr vollendet hat. Eine weitergehende steuerliche Entlastung wird erreicht, wenn die Erlebensfallleistung bei Fälligkeit nicht auf einmal ausgezahlt, sondern verrentet wird. Der Steuer wird dabei nur der Ertragsanteil unterworfen, der in Abhängigkeit vom Lebensalter als pauschaler Prozentsatz der Rentenleistung festgelegt ist.
• Versicherung auf verbundene Leben: In einem Vertrag werden zwei Risiken zusammengefasst, in der Regel Ehepartner bzw. Lebensgemeinschaften. Die Versicherungssumme wird beim Tod eines Partners an den hinterbliebenen Partner gezahlt, die Versicherung erlischt dann.
• Fondsgebundene Lebensversicherung: In der klassischen Form der fondsgebundenen Lebensversicherung wird eine Risikolebensversicherung, wie bei der kapitalbildenden Lebensversicherung, mit einem Sparprodukt verknüpft, um eine Erlebensfallleistung aufzubauen. Das Risiko bei der Kapitalanlage liegt hier jedoch nicht beim Versicherungsunternehmen, sondern beim Versicherungsnehmer. Die für den Ansparvorgang gezahlten Beitragsanteile fließen in Aktien-, Renten- oder auch Immobilienfonds, deren Kursrisiko in der Regel alleine zulasten des Versicherungsnehmers geht.
Diese Produktklasse wurde geschaffen, um den Kapitalbildungsprozess mit höherer Ertragserwartung über einen Anlagestock in Anteilen von Investmentfonds vorzunehmen. In Deutschland konnte sie sich erst seit dem Ende der 90er Jahre durchsetzen. Inzwischen ist die fondsgebundene Lebensversicherung durch Varianten ergänzt worden, bei denen Absicherungsstrategien eine gewisse Mindestrendite oder den Erhalt der eingezahlten Beiträge garantieren sollen, sodass ein Teil des im fondsgebundenen Ansparvorgang liegenden Risikos wieder vom Versicherungsunternehmen übernommen wird.
• Leibrentenversicherung: Die Leibrentenversicherung stellt die wichtigste Form wiederkehrender Zahlungen in der Lebensversicherung dar. Da die Rentenzahlung bis zum Tod des Versicherten erfolgt, handelt es sich um eine Versicherung mit Erlebensfallcharakter. Das Risiko besteht aus Sicht des Versicherungsunternehmens also nicht in erhöhter, sondern in niedriger Sterblichkeit; deshalb findet bei dieser Versicherungsart keine Gesundheitsprüfung statt.
Üblicherweise geht der Rentenzahlungsphase eine Beitragszahlungsphase voraus, in der die dafür nötige Deckungsrückstellung angespart wird. Man spricht dann von einer aufgeschobenen Leibrentenversicherung. Alternativ kann die Rentenzahlungsphase auch direkt nach der Zahlung der Deckungsrückstellung in Form eines Einmalbeitrages beginnen, weswegen man diese Rentenform auch sofort beginnende Leibrentenversicherung nennt.
Die reine Leibrentenversicherung wird oft um Kapitalsicherungskomponenten ergänzt, da sonst beim Tod des Versicherten das gesamte noch unverbrauchte Kapital zugunsten der übrigen Versichertengemeinschaft verfiele. Üblich ist dabei die Beitragsrückgewähr im Todesfall, bei der die eingezahlten Beiträge zurückerstattet werden, wenn der Versicherte vor Beginn der Rentenzahlungsphase stirbt, und die Rentengarantiezeit, die eine Mindestdauer der Rentenzahlungsphase sicherstellt, wenn der Versicherte bald nach deren Beginn stirbt.
• Pensionsversicherungen: Unter diesem Oberbegriff werden Rentenversicherungen zusammengefasst, die mehrere Rentenleistungen umfassen. Üblich ist neben der Leibrentenversicherung die Hinterbliebenenrentenversicherung zur Absicherung eines überlebenden Partners, die Waisenrentenversicherung – eine auf das Alter 25 begrenzte Zeitrente für hinterbliebene Kinder – und die Berufsunfähigkeitsversicherung, eine Form der Invaliditätsversicherung. Die Zusammenfassung verschiedener Versicherungsarten in einem Versicherungsprodukt erklärt sich aus dem Wunsch, gleichzeitig mehrere existenzielle Lebensrisiken abzudecken.
b) Invaliditätsversicherung
• Berufsunfähigkeitsversicherung und Erwerbsunfähigkeitsversicherung: Diese Versicherungen leisten bis zu einem Höchstalter von in der Regel 65 Jahren eine laufende Rentenzahlung, wenn die Arbeitsfähigkeit des Versicherten eine bestimmte Schwelle unterschreitet. Als berufsunfähig gilt dabei sinngemäß eine Person, die ihren Beruf voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausüben kann. Erwerbsunfähig ist hingegen jemand, der überhaupt keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann. Berufsunfähigkeit ist also die deutlich schwächere Forderung. Diesbezügliche Versicherungstarife sind daher teurer als Erwerbsunfähigkeitsschutz, weil eine Leistung wahrscheinlicher ist.
Seit 2001 gibt es für Geburtsjahrgänge ab 1961 im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung nur noch die allgemeine Erwerbsminderungsrente auf recht niedrigem Niveau. Die Individualversicherungsprodukte schließen einen Teil der dadurch entstandenen Lücke. Während sich die Sterblichkeit in der Lebensversicherung im engeren Sinne normalerweise nur langsam und geringfügig ändert, ist das Invaliditätsrisiko deutlich schwankungsanfälliger und nicht nur vom ausgeübten Beruf, sondern auch von wirtschaftlichen Allgemeinfaktoren wie der Arbeitslosigkeit abhängig.
• Dread Disease-Versicherung: Seit einigen Jahren gibt es mit der so genannten Dread Disease-Versicherung ein Produkt, das bei bestimmten schweren Krankheiten, die nicht zwangsläufig zum Tode führen, eine einmalige Kapitalzahlung leistet. Als Beispiel seien Krebserkrankungen, Schlaganfälle oder Angina Pectoris angeführt. Hintergrund für dieses in den angelsächsischen Ländern entstandene Produkt sind die hohen Krankheits- und Krankheitsfolgekosten bei derartigen Erkrankungen, die einen Bedarf an Kapitalzahlungen schon zu Lebzeiten motivieren.
c) Pflegerentenversicherung
Die Pflegerentenversicherung spielt stark in den Bereich der Krankenversicherung hinein. Sie kann als selbstständige Versicherung und als Zusatzversicherung abgeschlossen werden. Wird anhand eines Kriterienkataloges, der sich eng an demjenigen der gesetzlichen Pflegeversicherung orientiert, Pflegebedürftigkeit festgestellt, setzt die Zahlung einer monatlichen Pflegerente ein, die nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit gestaffelt ist. Ab einem höheren Grenzalter von zum Beispiel 85 Jahren beginnt unabhängig von einer Pflegebedürftigkeit die Zahlung einer lebenslangen Altersrente. Je nach Tarif kann eine Sterbegeldleistung vorgesehen sein.
Die Pflegerentenversicherung wird häufig in Kombination mit einer privaten Krankenversicherung abgeschlossen, um bei Pflegebedürftigkeit oder im Alter deren Beitragszahlung zu entlasten.