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Der Gerling-Konzern, Familienunternehmen mit Haken – Versicherungswesen und -wirtschaft

Um Erfolg zu haben, braucht man Kopf, Genie und Ellenbogen.
(Unternehmensgründer Robert Gerling) Fortes Fortuna Adjuvet (Den Starken steht das Glück bei).
(Leitspruch von Hans Gerling)

Die Pressemitteilung war schlicht: Dr. Hans Gerling ist am 14. August 1991 nach schwerer Krankheit an einem Herz-Kreislauf-Versagen im Familiensitz Marienburg in Köln im Alter von 76 Jahren verstorben. Hans Gerling war einer der eigenwilligsten Unternehmer der deutschen Wirtschaft: öffentlichkeitsscheu, unterkühlt, abweisend, schlau und mit einem autoritären Führungsstil, der Günter Wallraff dazu reizte, sich einmal als Pförtner und Bote in die Vorstandskantine zu begeben. Eigentlich wäre Hans Gerling lieber Architekt geworden: Doch 1935 trat er mit 22 Jahren das Erbe seines Vaters Robert an, setzte sich in den Erbauseinandersetzungen mit seinem nach Amerika ausgewanderten Bruder durch und entwarf den Gerling-Konzern. Aus dem 1904 gegründeten Bureau für Versicherungswesen wurde der hinter der Allianz und Münchener Rück zusammen mit der Colonia größte Versicherungskonzern mit Prämieneinnahmen von mehr als 14 Milliarden € im Jahr. Gerling blieb jedoch immer Außenseiter: Er durchbrach das sogenannte Rothenberger Kartell der Feuerversicherer, ein Preis- und Konditionenkartell, mit aggressiver Preispolitik. So schuf er ein Unternehmen, das die Industriekundschaft (85 Prozent der Beitragseinnahmen stammen aus der Industrieversicherung) als besonders kundenorientiert lobte.

Der Konzern umfasst mehr als 30 Gesellschaften und 70 Organisations- und Service-Unternehmen in 10 Ländern. In seine größte Krise geriet der Konzern durch den Zusammenbruch der Herstatt-Bank 1974. Gerling war am Kölner Bankhaus Iwan D. Herstatt KGaA mit mehr als 80 Prozent beteiligt. Als die Bank wegen Devisenspekulationen in eine Schieflage geriet, musste der Herstatt-Aufsichtsratsvorsitzende Gerling 51 Prozent seines Konzerns an ein deutsches Industriekonsortium (aus 59 seiner Kunden) und die Schweizer Zürich Versicherung verkaufen. Mit dem Erlös wurden die geprellten Herstatt-Sparer in einem Vergleich mit 66 bis 76 Prozent ihrer Guthaben entschädigt. Doch der eigenwillige Gerling kam wieder: 1979 wurde er erneut Chef im Haus, 1986 kaufte er die Mehrheit von dem inzwischen eingestiegenen Friedrich Karl Flick zurück. Erbe ist sein 1954 geborener Sohn Rolf. Doch der hat kein Interesse an der unternehmerischen Führung des Konzerns, der derzeit unter den geringen Margen im Industriegeschäft und den hohen Verwaltungskosten leidet. Der Junior ist eher ein sympathischer Schöngeist, der es sich zum Ziel gesetzt hat, den versicherungstechnischen Risikobegriff radikal umzuwerten hin zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Der promovierte Betriebswirt, der gleichzeitig Tiefenpsychologie am C.-G.-Jung-Institut studiert hat, beschäftigt sich daher lieber mit der Leitung der von ihm gegründeten Gerling Akademie für Risikoforschung AG als mit der des Konzerns. 1992 verkaufte er 30 Prozent des Gerling-Konzerns an die Deutsche Bank. Damit waren alle Spekulationen über die schwache Finanzkraft oder drohende Übernahmen durch Konkurrenten beendet: Der Gerling-Konzern ist in sicheren Händen. Jähe Wendungen sind jedoch nicht ausgeschlossen: Denn die Deutsche Bank will sich von ihren 30 Prozent wieder trennen und Gerling die Flucht nach vorn antreten – mit dem Gang an die Börse. Der wurde schon mehrfach verschoben, und es mehren sich die Interessenten, den Gerling-Konzern doch noch zu schlucken.

Sep 11, 2016gesundhe-admin
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