Pflegefall
Plötzlich wird Ihre Angehörige krank, sehr krank. Sie kommt ins Krankenhaus und wird dort einige Wochen lang behandelt. Dann stellt sich heraus: Sie wird nicht mehr richtig gesund und kann nicht mehr alleine leben. Sie und Ihre Familie stehen vor einer völlig neuen Situation. Fragen über Fragen stellen sich: Was machen wir jetzt? Wer kann uns helfen? Wo finden wir Rat? Was können wir tun?
Überlegen Sie zunächst einmal zusammen mit der Betroffenen und Ihrer Familie, ob Sie sie zu sich nehmen können, ob sie mit Unterstützung weiter allein leben kann und möchte oder ob sie besser in ein Altenpflegeheim zieht. Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, Unterstützung zu erhalten, zum Beispiel
■ durch ambulante Pflegedienste
■ durch ein Hausnotrufgerät
■ durch Kurzzeitpflege
■ durch Tagespflege
■ durch Altenpflegeheime
■ durch Essen auf Rädern
■ durch Hilfen zur Haushaltsführung
■ durch Fahr- und Begleitdienste
■ durch betreutes Wohnen
Bevor Sie eine Entscheidung fällen, lassen Sie sich immer von einer kompetenten Stelle beraten, zum Beispiel:
■ vom Sozialdienst der Krankenhäuser
■ von der Pflegekasse
■ von einem ambulanten Pflegedienst
■ von einer Beratungsstelle innerhalb einer Sozialstation
■ von Seniorentelefonen oder Seniorenberatungsstellen
■ von Sozialämtern
■ von Selbsthilfegruppen
Woran erkennt man, ob jemand ein Pflegefall ist?
Jenseits von schweren Krankheiten oder plötzlichen Ereignissen gibt es auch den schleichenden Beginn einer Pflegebedürftigkeit. Off sind es Kleinigkeiten, die andeuten, dass jemand, der vielleicht sogar alleine lebt, im Alltag nicht mehr alleine zurechtkommt und zum Pflegefall geworden ist. Wir haben deshalb für Sie die wichtigsten Erkennungszeichen zusammengestellt:
Die Kleidung des älteren Menschen ist zerknittert und befleckt. Das bedeutet, dass der Betroffene sich vielleicht nicht mehr selbst an- und ausziehen oder waschen kann. Oder er registriert gar nicht mehr, dass er seine Kleidung wechseln müsste.
123Vesicherung rät: Werfen Sie einen Blick in den Kleiderschrank. Wenn die Wäsche immer gleich sortiert ist, deutet dies auch darauf hin, dass die Kleider nicht mehr gewechselt werden.
Viele abgelaufene Lebensmittel befinden sich im Kühlschrank oder zu groß angelegte Vorräte in der Speisekammer. Das kann bedeuten, dass die Person entweder nicht mehr gerne allein das Haus verlässt, es vielleicht auch gar nicht mehr schafft, oder schlicht vergisst, etwas zu essen zu machen.
Das Zeitgefühl stimmt nicht mehr, die Person weiß also bei Rückfragen meist den Tag und die Uhrzeit überhaupt nicht mehr. Der Grund dafür ist eine eingeschränkte Gehirnfunktion. Oder jemand erkennt gute Bekannte oder Nachbarn nicht mehr und ordnet die Namen falsch zu. Auch hier liegt eine Einschränkung des Gehirns vor.
Der Betroffene berichtet nicht mehr aus dem Alltag und von sonst üblichen Treffen mit Freunden, sondern erzählt immer das Gleiche und redet immer nur über so genannte Allgemeinplätze, wie zum Beispiel „Das Wetter war schlecht oder gut.“ Das bedeutet: Er verlässt vermutlich nicht mehr sein Zuhause. Neue Informationen in Gesprächen können somit nicht mehr auftauchen. Auch ein plötzlicher Themenwechsel des älteren Menschen in einer Unterhaltung deutet darauf hin, dass er sich nicht mehr ausreichend konzentrieren kann.
Auch in vielen alltäglichen Situationen können Sie eventuell erkennen, dass ein älterer Mensch zum Pflegefall geworden ist, zum Beispiel wenn er nicht mehr weiß, dass er an der Kasse des Supermarktes sein Portemonnaie griffbereit haben sollte, oder der Betroffene einen Kaffee machen möchte, dafür aber nicht in die Küche geht, sondern in die Toilette. Das heißt, die Person findet sich schlichtweg im Alltag nicht mehr alleine zurecht.
Auch das örtliche Bewusstsein kann erheblich gestört sein. Dies macht sich dadurch bemerkbar, wenn zum Beispiel Ihre Mutter oder Oma nach dem Einkauf immer einen Schritt hinter Ihnen bleibt, weil sie alleine gar nicht mehr den Weg nach Hause finden würde.
Wichtig: Diese Merkmale allein reichen jedoch noch nicht aus, um gesetzlich als pflegebedürftig eingestuft zu werden.
Damit Sie die Kosten für die Pflege Ihres Angehörigen nicht allein tragen müssen, bekommen Sie Unterstützung durch die Pflegeversicherung. Dazu gibt diesen Versicherungsratgeber umfangreiche Hilfestellungen, von der Antragsstellung bis zum Umbau der Wohnung. Doch vorab kurz beschrieben die ersten Maßnahmen, um mit einer überraschenden Pflegebedürftigkeit umzugehen. Was gibt es an praktischen Hilfen?
Der Hausnotruf
Leider passiert es immer wieder, dass Menschen, die allein leben, im Notfall ohne Hilfe bleiben, weil sie sich nicht rechtzeitig bemerkbar machen können. Durch den Hausnotruf von Pflegediensten kann ihnen geholfen werden. Und auch weit entfernt wohnenden Angehörigen, die überhaupt nicht rechtzeitig zur Stelle sein könnten, kann dadurch viel von ihrer Sorge genommen werden.
Hausnotrufteilnehmer bekommen vom Pflegedienst ein Zusatzgerät zum Telefon und einen kleinen Apparat, den so genannten Funkfinger. Im Notfall brauchen sie dann nur auf diesen Funkfinger zu drücken, und sofort wird die Sprechverbindung zur Hausnotrufzentrale hergestellt – selbst mitten in der Nacht. Das funktioniert auch, wenn das Telefon in einem anderen Raum steht und der Hausnotrufteilnehmer sich im Garten, im Keller oder unter der Dusche befindet – Voraussetzung ist nur, dass er den Funkfinger immer am Körper trägt. Auf Wunsch verabredet die Hausnotrufzentrale mit den Teilnehmern zu festgesetzten Zeiten ein „Alles in Ordnung“-Signal. Wenn dies ausbleibt, überprüfen die Mitarbeiter, ob etwas passiert ist.
Außerdem kann das Hausnotrufgerät durch Zusatzinstallationen zu einer vielseitigen Hilfe werden: Ein Handsender ermöglicht die Annahme eines Telefongesprächs vom Sessel aus. Ein Lautsprecher kann so programmiert werden, dass für Menschen mit Hörschwäche genau die richtige Lautstärke erreicht wird. Einbruch- und Feuermelder können an das Hausnotrufgerät angeschlossen werden. Der Teilnehmer kann an die pünktliche Medikamenteneinnahme erinnert werden oder sich über das gesamte Spektrum der Alten- und Behindertenhilfe beraten lassen.
Kurzzeit- und Tagespflege
Für Menschen, die tagsüber Hilfe und Pflege brauchen, abends und nachts aber lieber in den eigenen vier Wänden sein wollen, ist die Tagespflege das richtige Angebot. Sie gewährleistet den ganzen Tag über nicht nur die Pflege und Betreuung der Gäste, sondern bietet ihnen auch Unterhaltung. So wollen zum Beispiel die berufstätigen Kinder ihre Eltern tagsüber gut betreut wissen, sie abends aber wieder zu Hause haben – es gibt viele Konstellationen, die für die Tagespflege sprechen. Die Tagespflegegäste werden vom Pflegedienst morgens zu Hause abgeholt und am späten Nachmittag wieder nach Hause gebracht.
In der Kurzzeitpflege hingegen finden diejenigen Aufnahme, die ansonsten zu Hause gepflegt werden und nur für eine begrenzte Zeit fremde Hilfe brauchen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Tochter, die ihren Vater pflegt, mit ihrer Familie in Urlaub fahren möchte. Kurzzeitpflege kann aber auch im Anschluss an einen Kranken-hausaufenthalt in Anspruch genommen werden. Diesem Bereich widmet sich weiter hinten in diesem Versicherungsratgeber ein ganzes Versicherungsartikel.
Generell gilt: Keines der Pflege- und Betreuungsangebote stellt eine starre Form dar, zu der der Mensch passen muss, sondern die Form wird individuell auf den Menschen zugeschnitten. Deshalb nimmt sich das Fachpersonal viel Zeit für die Beratungsgespräche mit den Pflegebedürftigen und deren Familien.
Betreutes Wohnen
Viele ältere Menschen wollen zwar noch ihren eigenen Haushalt führen, aber auch ganz sicher sein, dass sie bei Bedarf Hilfe erhalten: beim Einkauf und bei Behördengängen, beim Putzen der Wohnung oder, wenn sie mal krank sind, auch Pflege durch eine erfahrene Schwester. Diese Möglichkeiten bietet das betreute Seniorenwohnen. Die Wohnungen sind seniorengerecht ausgestattet, ohne Türschwellen und andere Stolperfallen. Insbesondere Bad und Küche sind so eingerichtet, dass auch bei eingeschränkter Beweglichkeit eine selbstständige Haushaltsführung möglich bleibt. Für Hilfen im Alltag oder im Falle einer Erkrankung sorgt der Pflege- und Betreuungsdienst.
Hilfen zur Haushaltsführung
Wenn die Kräfte nachlassen und die Gelenke nicht mehr so beweglich sind, fallen die Arbeiten im Haushalt immer schwerer. Doch da gibt es die Zivildienstleistenden. Unter Anleitung einer Fachkraft gehen die Zivildienstleistenden für Senioren einkaufen, putzen die Wohnung, hängen Gardinen auf oder holen die Kohlen aus dem Keller. Kurzum: Sie machen all das, wofür man mobil und kräftig sein muss.
Essen auf Rädern/Mahlzeitendienste
Wenn jemand nicht mehr selber kochen kann oder will, kann er fertig zubereitete Mahlzeiten bekommen. Sie werden als „Essen auf Rädern“ von motorisierten Helfern entweder täglich oder als tiefgekühlte Wochenration in die Wohnung gebracht. Eine andere Möglichkeit ist der so genannte stationäre Mittagstisch: Viele Heime, Tagesstätten und Einrichtungen bieten die Gelegenheit, in Gesellschaft anderer zu essen und neue Kontakte zu knüpfen.
Fahr- und Begleitdienste
Fast überall in Deutschland gibt es die Fahr- und Begleitdienste für Menschen, die nicht mehr so mobil sind, dass sie selbst Auto fahren oder all die Hürden der öffentlichen Verkehrsmittel meistern können. Der Fahrdienst holt seine Fahrgäste in der Wohnung ab und begleitet sie zum Arzt, zu Veranstaltungen oder bei Besorgungen und bringt sie wieder bis in die Wohnung zurück.
Altentagesstätten/Seniorenclubs
Ein Ort, wo man sich treffen, gemeinsam etwas unternehmen oder sich informieren kann: Das sind die Altentagesstätten, manchmal auch Alten-Servicezentren oder Seniorenclubs genannt. Das Programm bestimmen die Besucher – häufig reicht es von Ausflugsfahrten über Gymnastikkurse bin hin zu Spielrunden, die Betreuer geben Anregungen und leisten Hilfestellung beim Organisieren.