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Die Ausbildung der modernen Versicherung im 19. Jahrhundert – Versicherungswesen und -wirtschaft

Die Grundlagen des heutigen Versicherungssystems wurden bereits im 19. Jahrhundert gelegt. Die wesentlichen Neuerungen dieser Zeit waren die Gründung zahlreicher neuer Versicherungsunternehmen auf rationaler Grundlage, die Entstehung der neuzeitlichen Rückversicherung sowie Aufnahme vieler weiterer moderner Versicherungszweige und die Schaffung der Sozialversicherung.

Die Privatisierung der Versicherungswirtschaft. Bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts wurde die Versicherung von Mobilien (Einrichtungsgegenständen und Waren) in Deutschland noch weitgehend von englischen und französischen Gesellschaften beherrscht. Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts einsetzende Industrialisierung steigerte die Nachfrage nach Versicherungsschutz. Es kam zur Gründung privater Versicherungsgesellschaften. Zunächst entstanden die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG). Der erste Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit wurde 1818 als Gothaer Feuerversicherungsbank durch Ernst Arnoldi gegründet. Die Vereinsmitglieder zahlten einen Beitrag im voraus und hatten eine Nachschusspflicht für besondere Anlässe. Umgekehrt wurden ihnen aber auch die nicht gebrauchten Beiträge zurückgezahlt. An verschiedenen Orten wurden Aktiengesellschaften für die Mobiliarfeuer-Versicherung im Zusammenhang mit dem aufkommenden Nationalbewusstsein und dem gleichzeitigen Aufblühen der deutschen Wirtschaft ins Leben gerufen. Die erste Aktiengesellschaft entstand 1825 als Aachener und Münchener Feuer-Versicherungsgesellschaft. Sie wurde von dem Aachener Kaufmann David Hansemann gegründet. Im Namen vieler deutscher Gesellschaften ist noch ein regionaler Bezug zu erkennen, auch wenn sie im Laufe der Zeit zu großen internationalen Unternehmen gewachsen sind. Es entstanden Gesellschaften für die Transport-, Feuer- und Lebensversicherung. Damit waren im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die sogenannten klassischen Sparten in Deutschland vertreten.

Die Schmugglerversicherung
Die Besetzung deutscher Gebiete durch Napoleon und die von ihm verhängte Kontinentalsperre gegen Großbritannien 1806 zum Zwecke der wirtschaftlichen Isolierung der Insel zog einen florierenden Schmuggel nach sich – und eine illegale Versicherung. In Köln entstand eine völlig anonym arbeitende Arm-Leut-Assekuranz. Ihre Mitglieder waren ausschließlich professionelle Schmuggler. Wenn ein Schmuggler ertappt wurde, ersetzte die Versorgungskasse seinen Schaden.

Rückversicherung. Mitte vorigen Jahrhunderts entstanden auch selbständige professionelle Rückversicherer. Der Anstoß war der große Brand in Hamburg 1842, der die Leistungskraft der Hamburger Feuerkasse auf eine harte Bewährungsprobe stellte. Der Großschaden weckte das Bedürfnis nach Verteilung des Risikos. 1846 wurde in Köln die älteste heute noch bestehende professionelle Rückversicherungsgesellschaft, die Kölnische Rück, gegründet. Die Rückversicherer fungieren als Versicherer des Versicherers, indem sie einen bestimmten Teil der Verpflichtung des Erstversicherers übernehmen. Mit Hilfe der Rückversicherung konnten die Erstversicherer größere Risiken übernehmen und ihr Risiko besser verteilen.

Die Entstehung weiterer Versicherungszweige durch die Technisierung
Aus der fortschreitenden Technisierung erwuchsen der Versicherung vor allem seit 1850 neue Felder in der Sachversicherung: Wegen des zunehmenden Verkehrs, vor allem dem Bau der ersten Eisenbahnen, wurde die Unfallversicherung angeboten. Mit der sich ausbreitenden Technisierung der Betriebe, den wachsenden Gefahren und der daher verschärften Gesetzgebung entstand die Haftpflichtversicherung. Die Gas- und Leitungswasserversicherung kam mit der Verwendung von Gas- und Wasserinstallationen auf. Mit der Erfindung des Autos waren die Versicherer wie bei den ersten Eisenbahnen herausgefordert. Das Dreirad mit Heckmotor von Karl Benz wurde 1886 vorgestellt, die Karambolage- Versicherung von Carl Molt (mit Unfall und Haftpflicht) 1899 vom Stuttgarter Verein. In den ersten Jahren konnte der Autofahrer bei manchen Gesellschaften sogar eine Haftpflichtversicherung auf Lebenszeit gegen einen Einmalbeitrag abschließen. Ein höchst ruinöses Angebot, das zum Glück für die Versicherer nicht stark nachgefragt wurde.

Aussteuerversicherung. Um 1870 entstand die Aussteuerversicherung aus den bei Kinderversorgungs- und Ausstattungskassen üblichen Einlagen. Heute kann man damit Kapital für das Studium der Kinder sammeln, damals ging es um die Zahlung der Militär- befreiungs-Taxe. In vielen deutschen Staaten konnten sich die Wehrpflichtigen gegen Zahlung eines Betrages freikaufen. In Hessen gab es 1850 dafür sogar eine eigene Militär-Stellvertretungs- Assekuranz. Damals wurde man zum Militärdienst ausgelost: Es war eine Risikoversicherung, die nur zahlte, wenn das Los Militärdienst hieß. Für 175 Gulden konnten sich die Jungen noch bis kurz vor der Auslosung versichern. Im Versicherungsfall konnten sie mit der Versicherungssumme von 2500 Gulden einen Stellvertreter bezahlen.

Einführung der Sozialversicherung. 1881 verfasste Bismarck die Kaiserliche Botschaft, in der die Grundkonzeption der staatlichen Sozialversicherung vorgestellt wurde. Sie sollte als öffentlichrechtliche Zwangsversicherung mit einem Dreifachschutz für Krankheit, Unfall sowie Alter oder Invalidität entstehen. Mit der Durchführung sollten korporative Genossenschaften auf der Grundlage von Gegenseitigkeit und Selbstverwaltung unter staatlicher Aufsicht beauftragt werden. 1883 entstand die Krankenversicherung, 1884 die gesetzliche Unfallversicherung, 1891 die Arbeiter-Rentenversicherung, 1911 die Angestellten-Rentenversicherung und 1927 die Arbeitslosenversicherung. Die Entstehung der Sozialversicherung hatte große Wirkung auf die Individualversicherung: Einerseits wurde sie durch das Ausdehnungsstreben der Sozialversicherung bedroht, andererseits bewirkte die Sozialversicherung eine Verbreitung des Versicherungsgedankens. Inzwischen stehen beide Systeme nebeneinander. Jede Verschlechterung bei den Sozialkassen bringt den Privaten allerdings neue Kunden.

Versicherungswerbung: Was schenke ich meiner Frau?
Diese Frage stellt sich in diesen vorweihnachtlichen Tagen mancher liebevolle Gatte. Gern möchte er seiner Lebensgefährtin ein Weihnachtsgeschenk machen, mit dem er so recht seine fürsorgliche Liebe zum Ausdruck bringen kann. Gar zu prosaisch soll es nicht sein, denn die Zeiten, wo man die Hausfrau durch Lebensmittelgaben aufs höchste beglücken konnte, sind Gott sei Dank vorbei. Und doch soll das Geschenk auch praktischen Wert haben, denn überflüssigen Luxus können sich einstweilen nur Auserwählte leisten. Also was schenken? Manchem verursacht diese Frage tagelanges Kopfzerbrechen. Und doch ist die Antwort leicht zu geben: Eine Lebensversicherungspolice! Eine Lebensversicherungspolice ist ein ebenso praktisches wie sinniges Weihnachtsgeschenk. Durch nichts anderes kann der weitblickende Familienvater besser seine fürsorgliche Liebe zu seiner Lebensgefährtin und zu seinen Kindern zum Ausdruck bringen. Weiß er sie dadurch doch vor Not und Entbehrung geschützt, falls der Tod seiner Schaffensfreudigkeit ein Ziel setzen sollte. Der praktische Amerikaner pflegt seiner Frau eine Lebensversicherungspolice zum Hochzeitsgeschenk zu machen. In Deutschland ist diese Sitte noch wenig bekannt. Das Weihnachtsfest bietet die beste Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen. (Allianz-Reklamekarte aus dem Jahr 1926) Reiseversicherung. Zur Weltausstellung in Paris 1900 legten sich die deutschen Versicherer besonders ins Zeug: Dem Publikum wurde eine kurzfristige Unfallversicherung angeboten. Die Thuringia-Versicherungsanstalt in Erfurt zum Beispiel versicherte für 6 Mark für 14 Tage und mehr gegen die Folgen aller körperlichen Unfälle auf der Reise von und nach Paris. Während des Aufenthalts daselbst sowie auf den damit verbundenen anderweitigen Reisen, Jagen, Reiten, Zügelführen von Kutschfuhrwerk sowie Radfahren ohne Zuschlag eingeschlossen.

Nov 7, 2016gesundhe-admin
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