Die Blütezeit der Versicherungen begann mit der industriellen Revolution und währt bis heute. 1880 gaben die Deutschen pro Kopf rund 5 Mark für Versicherungen aus, inzwischen sind es schon 2330 €. Weder der Gründerkrach nach dem Deutsch-Französischen Krieg noch die Inflations- und Depressionszeiten der zwanziger Jahre, noch zwei Weltkriege, noch zwei Währungsreformen konnten den Aufschwung der Branche aufhalten. Im Gegenteil nützte die Inflation der zwanziger Jahre sogar einem Versicherungszweig: Die private Krankenversicherung breitete sich aus, weil weite Bevölkerungskreise wegen Verarmung durch die Inflation zu einer Vorsorge für den Krankheitsfall gezwungen waren. Auch formal ist das deutsche Versicherungswesen zu Beginn des Jahrhunderts in einen teilweise bis heute bestehenden rechtlichen Rahmen gebracht worden: 1901 wurde die materielle Staatsaufsicht mit vorheriger Genehmigung von Bedingungen und Tarifen eingeführt, 1908 wurde das Versicherungsvertragsrecht erlassen. Besonders groß waren die Leistungen der Versicherungen oft bei der Regulierung von Großschäden. Nach dem Erdbebenbrand in San Francisco 1906 arbeiteten sie wegen der Plünderer unter Kriegsrecht bei schlechter Versorgung weiter. Die meisten Geschäftsvorgänge mussten ohne Unterlagen aus der Erinnerung rekonstruiert werden. Die Schadenaufwendungen betrugen damals die ungeheure Summe von rund 350 Millionen Dollar. Das 20. Jahrhundert sah auch das Aufkommen des Verbraucherschutzgedankens und die Ausweitung des Sozialstaates. Nun, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, stehen die deutschen Versicherungen vor einer neuen Entwicklung: Die Liberalisierung im Zuge des Europäischen Binnenmarktes hat das seit 1901 bestehende System der Regulierung verschwinden lassen.
Doch die neue Freiheit macht den Unternehmen bisher mehr angst als Hoffnung.