Die Pflegeversicherung gesetzlich und privat
Viele Menschen erreichen ein hohes Alter, ohne jemals ernsthaft zu erkranken. Trotzdem kann jederzeit das Risiko eintreten, nicht nur krank, sondern sogar zum Pflegefall zu werden – im Alter ebenso wie in jungen Jahren. Vor den erheblichen finanziellen Belastungen konnten sich gesetzlich oder privat Krankenversicherte bisher schon durch eine private Pflegezusatzkrankenversicherung schützen. Mit dem In-Kraft-Treten des Pflegeversicherungsgesetzes ist die Absicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit seit dem 1. Januar 1995 für alle Bürger zur Pflicht geworden. Nach dem Grundsatz Pflege folgt Krankenversicherung schließen die privat Krankenversicherten die Pflegeversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen ab. Die gesetzlich Krankenversicherten erhalten den Versicherungsschutz in der sozialen Pflegeversicherung.
Was heißt Pflegebedürftigkeit?
Das Gesetz unterscheidet drei Stufen der Pflegebedürftigkeit.
Pflegestufe 1:
Erheblich Pflegebedürftige benötigen wenigstens einmal täglich Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen (z. B. Ankleiden, Nahrungsaufnahme).
Pflegestufe 2:
Schwerpflegebedürftige benötigen mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten pflegerische Hilfen.
Pflegestufe 3:
Schwerstpflegebedürftige benötigen rund um die Uhr, auch nachts, pflegerische Hilfen.
Pflegebedürftigkeit muss mindestens für die Dauer von sechs Monaten bestehen, sie wird durch ein ärztliches Gutachten festgestellt.
Welche Leistungen gibt es bei ambulanter Pflegebedürftigkeit?
Die Leistungen werden auf Antrag gewährt, und zwar frühestens von Beginn des Monats der Antragstellung an. Seit 1.4.1995 sind in Abhängigkeit vom Grad der Pflegebedürftigkeit folgende Leistungen für die Pflege im Haushalt des Pflegebedürftigen oder der Pflegeperson vorgesehen:
• Erstattung der Kosten für häusliche Pflegehilfe durch eine geeignete Pflegefachkraft in
Pflegestufe 1: bis zu 750 – € monatlich
Pflegestufe 2: bis zu 1 800,-€ monatlich
Pflegestufe 3: bis zu 2 800,- € monatlich
In ganz besonderen Ausnahmefällen, z. B. im Endstadium von Krebserkrankungen, können auch noch höhere Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 3 750,- € monatlich gewährt werden.
• Zuzahlung eines Pflegegeldes, zum Beispiel für die Betreuung durch Angehörige oder Bekannte (Pflegepersonen):
Pflegestufe 1: 400,-€ monatlich
Pflegestufe 2: 800,- € monatlich Pflegestufe 3:1300,-€ monatlich
• Wer zu Hause von einem Angehörigen oder einer anderen Pflegeperson gepflegt wird, kann für längstens vier Wochen bis zu 2 800,- € der Kosten für eine Ersatzpflegekraft oder die vorübergehende Unterbringung in einem Heim erstattet bekommen, wenn die Pflegeperson z. B. aufgrund von Urlaub oder Krankheit vorübergehend verhindert ist.
Auch eine Kombination von Erstattung der Kosten einer Pflegefachkraft und der pauschalen Geldleistung für die Pflege durch Angehörige oder Bekannte ist möglich, wenn die Pflegefachkraft nur teilweise in Anspruch genommen wird.
Die Pflegekassenbeiträge
Damit im April 1995 auch Geld in den Pflegekassen war, müssen die Versicherten jedoch bereits seit 1.1.1995 Beiträge zur Pflegeversicherung entrichten. Ab dem 1.1.1995 war ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens als Pflegebeitrag zu leisten. Ab dem 1.7.1996, seit dem neben der häuslichen Pflege zusätzlich auch stationäre Pflege beansprucht werden kann, stieg dieser Satz auf 1,7%.
Die Beitragsbemessungsgrenze liegt 2000 in den alten Bundesländern bei 6 450,- € bzw. in den neuen Bundesländern bei 5 325- € Bruttoeinkommen pro Monat. Bei einem Beitragssatz in Höhe von 1,7% liegt damit der monatliche Pflegehöchstbeitrag bei 109,65 € bzw. 90,53 €.
Diesen Beitrag tragen grundsätzlich wie in der Krankenversicherung Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte. Dies gilt aber nur dann, wenn das entsprechende Bundesland einen gesetzlichen landesweiten Feiertag oder einen Urlaubstag gestrichen hat, andernfalls müssen die Arbeitnehmer den gesamten Beitrag bezahlen. Die Pflegeversicherung ist eine Pflichtversicherung, in der praktisch jeder Mitglied sein muss. Es gilt das Prinzip Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung.
Achtung: Zwar sind die Leistungen im Rahmen der privaten Pflichtversicherung denen der gesetzlichen Pflegeversicherung gleich. Dies gilt aber nicht für die Beiträge. Es gibt zwar einen Höchstbeitrag im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung, also 109,65 € für die alten und 90,53 € für die neuen Bundesländer. Unter diesen Höchstgrenzen können aber Unterschiede im Beitrag bestehen.
Wann lohnt sich ein Wechsel?
Für die oben angeführten Gruppen stellt sich die Frage, ob sich ein Wechsel zur privaten Pflegeversicherung lohnt. Diese Frage lässt sich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Jedes System hat seine Vor- bzw. Nachteile. Auf jeden Fall sollte ein solcher Wechsel gut überlegt werden.
Wie bei der privaten Krankenversicherung werden gut verdienende Alleinstehende und die so genannten Doppelverdiener zumindest in der Anfangsphase der Pflegeversicherung privat weniger bezahlen. Die Ersparnis ist aber nicht sehr groß. Sie wird in der Regel kaum mehr als 20,- € pro Monat betragen.
Wer verheiratet ist, muss bei einem Wechsel zur privaten Pflegeversicherung die kosteidose Mitversicherung des Ehegatten in der gesetzlichen Pflegeversicherung beachten. Denn die privaten Pflegeversicherungen verlangen für den Ehepartner ohne eigenes Einkommen zusätzlich einen halben Monatsbeitrag. Diese Regelung kann auch nachträglich zum Tragen kommen, wenn zum Beispiel die Ehefrau nach einigen Jahren ihren Beruf aufgibt. Bei den Kindern ergeben sich aber keine Probleme. Sie sind wie bei der gesetzlichen Pflegeversicherung beitragsfrei mitversichert.
Beiträge der Pflegeversicherung Soziale Pflegeversicherung
• Ab 01.01.1995: 1% der beitragspflichtigen Einnahmen bis zur Beitragsbemessungsgrenze
• Seit 01.07.1996:1,7% (z. Zt. max. 109,65 €)
• Familienangehörige für die Dauer der Familienversicherung beitragsfrei
Private Pflegeversicherung
• Einkommensunabhängig
• Tarifkalkulation mit Alterungsrückstellung
• Beitragslimitierungen
• Kinder sind beitragsfrei mitversichert
• Einzeleintrittsalter
Die Beitragsentwicklung
Obwohl die gesetzliche Pflegepflichtversicherung gerade erst in Kraft getreten ist, zeichnet sich im Bereich der so genannten sozialen Pflegeversicherung (SPV), die von den gesetzlichen Krankenkassen betrieben wird, bereits jetzt ab, dass diese neue Sozialversicherungsart mittel- und langfristig vor denselben Finanzierungsschwierigkeiten stehen wird wie die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung. Die neue Sozialversicherung steht auf unsicherem Fundament. Die demographische Entwicklung wird den Anteil jener Menschen, die auf professionelle und auf Pflege in Heimen angewiesen sind, kontinuierlich und nach 2015 sprunghaft ansteigen lassen. Das wird vor allem die Pflegekassen treffen, die sich durch Beitragsumlagen finanzieren.
Die SPV ist wie die gesetzliche Krankenversicherung nach dem Umlageverfahren finanziert. Das bedeutet: Die laufenden Ausgaben werden auf die Kassenmitglieder umgelegt, Rückstellungen für das Alter werden nicht gebildet. Dieses Verfahren funktioniert so lange zu erträglichen Beiträgen, wie genügend erwerbstätige Mitglieder vorhanden sind, um die Ausgaben für die nicht mehr erwerbstätigen Mitglieder mit zu finanzieren. Tatsächlich zeichnet sich in der SPV dasselbe Dilemma ab wie in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung: Immer weniger junge Menschen müssen die Ausgaben für immer mehr ältere mittragen. Das ist in der privaten
Pflegepflichtversicherung, die von den privaten Krankenversicherern betrieben wird (PPV), anders. Dort werden die Beiträge nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren kalkuliert, d. h. ein Teil der Beiträge fließt in die Rückstellungen, die für das mit dem Alter steigende Pflegerisiko gebildet werden. Da es eine solche Rückstellungsbildung in der SPV nicht gibt, wird sich die zunehmende Alterung der Bevölkerung in der SPV wie in allen anderen umlage- finanzierten Sozialversicherungszweigen kostenerhöhend, d. h. beitragssteigernd auswirken.
Berechnung der Versorgungslücke
Die Pflichtpflegeversicherung zuzüglich die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung reichen in aller Regel nicht aus, um die Kosten für einen Pflegeheimplatz zu finanzieren.
Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen:
Kosten für einen Pflegeheimplatz: 5 500,- €
max. stationäre Pflegerente: -2 800,- €
gesetzliche Rente eines Durchschnittsverdieners in den alten Bundesländern nach 40 Versicherungsjahren: -1 800,- €
Versorgungslücke: 900,- €
Hinzu kommen noch die Kosten der allgemeinen Lebenshaltung oder andere Zahlungsverpflichtungen.
Die privaten Versicherungsgesellschaften bieten drei Möglichkeiten, dagegen zu versichern:
1. Pflegetagegeldversicherung
2. Pflegekostenversicherung
3. Pflegerenten-bzw. Pflegerentenzusatzversicherung
Bevor man sich für ein bestimmtes Produkt entscheidet, sollten imbedingt die Prämien und die Versicherungsbedingungen verglichen werden. Eine pauschale Aussage darüber, welche der drei Absicherungsformen die beste ist, ist nicht möglich und nur individuell zu klären.