Begutachtungsverfahren der Pflegeversicherung
Immer wenn Sie mit Behörden in Berührung kommen, müssen Sie einige formelle „Spielregeln“ beachten, um Ihre Rechte in vollem Umfang wahrnehmen zu können.
Die folgenden Ausführungen gelten für alle Fälle, in denen Sie die Entscheidung einer Behörde für nicht zutreffend halten und hiergegen etwas unternehmen wollen, unabhängig davon, um welche Behörde es sich handelt.
Der Verfahrensablauf gestaltet sich immer in gleicher Weise:
Nachdem Sie bei einer Behörde einen Antrag auf eine bestimmte Feststellung oder Leistung durch die Behörde gestellt haben, wird diese Behörde nach Beendigung ihrer Ermittlungen einen so genannten Bescheid erlassen und Ihnen diesen zusenden.
Sind Sie mit dem Inhalt dieses Bescheides nicht einverstanden, müssen Sie innerhalb eines Monats, nachdem Sie den Bescheid erhalten haben, Widerspruch bei derselben Behörde einlegen, sofern der Bescheid eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Findet sich eine solche nicht in dem Bescheid, können Sie sich zwar mehr Zeit lassen, den Widerspruch einzulegen – nämlich genau ein Jahr -, Sie sollten diese Zeit aber nicht bis zum letzten Tag ausreizen; je früher Sie Widerspruch einlegen, desto früher kann die Behörde über den Widerspruch entscheiden.
Damit Sie die Widerspruchsfrist, den Widerspruch einzulegen, nicht versäumen, merken Sie sich daher das Datum, wann Sie den Bescheid bekommen haben. Der Widerspruch muss innerhalb der Frist von einem Monat bzw. einem Jahr bei der Behörde eingegangen sein; es reicht daher nicht aus, das Widerspruchsschreiben innerhalb der genannten Frist abzusenden. Haben Sie den Bescheid demnach am 15.10. erhalten, muss Ihr Widerspruch bis spätestens 15.11. bei der Behörde eingegangen sein. Ist der 15.11. ein Samstag oder Sonntag, muss der Widerspruch spätestens am folgenden Montag bei der Behörde angelangt sein.
Sie können den Widerspruch entweder per Brief senden oder ihn unmittelbar bei der Behörde Ihrem zuständigen Sachbearbeiter zu Protokoll erklären. In beiden Fällen sollten Sie sich eine Kopie von Ihrem Widerspruchsschreiben anfertigen. Senden Sie den Widerspruch per Brief, sollten Sie nicht am Porto sparen: Senden Sie ihn per Ein-schreiben/Rückschein, damit Sie gegebenenfalls nachweisen können, wann der Widerspruch bei der Behörde eingegangen ist und bei wem. Gleiches gilt, wenn Sie den Widerspruch bei der Behörde zu Protokoll erklären. Lassen Sie sich das Datum der Widerspruchseinlegung bestätigen!
Sie brauchen den Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist nicht zu begründen. Es genügt, dass Sie überhaupt Widerspruch einlegen, für die Begründung haben Sie danach genügend Zeit. Bevor Sie die Begründung fertigen, sollten Sie Einsicht in die Ihnen nicht bekannten entscheidungserheblichen Unterlagen, wie zum Beispiel Gutachten des Medizinischen Dienstes, Gutachten der versorgungsärztlichen Untersuchung usw., nehmen. Hierzu sind Sie berechtigt und Sie sollten in jedem Fall von Ihrem Recht zur Einsichtnahme Gebrauch machen, denn nur so können Sie zu den Entscheidungsunterlagen Stellung nehmen.
In bestimmten Fällen – Schwerbehindertenausweis, Pflegeversicherung usw. – macht es auch Sinn, wenn Sie bei der Widerspruchsbegründung einen schriftlichen Tagesablauf des behinderten Menschen beifügen, den Sie sehr sorgfältig erstellen und in dem sie jede noch so kleine Assistenz oder Pflegeleistung aufführen sollten. Dadurch vermeiden Sie, dass Sie bei einer amtsärztlichen Untersuchung in der Aufregung wichtige Aspekte vergessen.
Wenn Sie gegen einen Bescheid Widerspruch einlegen, kann die Behörde entweder dem Widerspruch abhelfen und Ihrem Antrag entsprechen oder die Behörde wird einen so genannten Widerspruchsbescheid erlassen, mit dem Ihr Widerspruch zurückgewiesen wird. Ihnen bleibt dann die Möglichkeit, hiergegen Klage zu erheben. Sowohl betreffend die Fristen als auch betreffend die Art der Einlegung der Klage und die Frage der Klagebegründung gilt das Gleiche wie beim Widerspruch.
Je nachdem, welchen Antrag Sie bei welcher Behörde gestellt haben, richtet sich hiernach die Frage, ob Ihre Klage beim Verwaltungsgericht oder beim Sozialgericht eingereicht werden muss. Hier lohnt sich ein Blick in die Rechtsmittelbelehrung; in aller Regel ist hier das richtige Gericht mit Adresse angegeben.
Die Verwaltungsgerichte sind unter anderem zuständig für das gesamte Sozialhilferecht, die Sozialgerichte entscheiden insbesondere in Streitigkeiten mit der Pflegeversicherung, der Krankenkasse, dem Versorgungsamt und dem Arbeitsamt sowie dem Rentenversicherungsträger. Sowohl die Einlegung eines Widerspruchs als auch die Einreichung einer Klage löst keinerlei Kosten aus, sodass Sie immer Widerspruch oder Klage einreichen sollten, wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob der Bescheid zutreffend ist. Auch wenn Sie später feststellen, dass der Bescheid zutreffend ist, können Sie jederzeit den Widerspruch oder die Klage zurücknehmen, ohne dass Sie hierfür Kosten tragen müssen.
Sowohl bei verwaltungsgerichtlichen als auch bei sozialgerichtlichen Auseinandersetzungen muss das Gericht alle zur Entscheidung notwendigen Aspekte von Amts wegen ermitteln. Führen Sie ein Sozialgerichtsverfahren, beispielsweise auf Pflegegeldleistungen gegen Ihre Pflegeversicherung, wird das Sozialgericht von sich aus ein medizinisches Gutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei einem unabhängigen Sachverständigen in Auftrag geben. Die hierfür anfallenden Kosten brauchen Sie ebenfalls nicht aufzubringen, auch wenn Ihre Klage nicht zum Erfolg führen sollte; diese Gut-achterkosten werden in jedem Fall aus der Staatskasse gezahlt.