Situation
Heinz Frey hatte im letzten Jahr einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden. Wegen der Haftungsfrage kommt es schließlich zu einem Prozess, der über zwei Instanzen läuft. Dabei geht es um Schadenersatzansprüche in Höhe von 5 240,00 €. Am Ende betragen die Anwalts- und Gerichtskosten 6 506,00 € ohne die noch anfallenden Gebühren für Zeugen und Sachverständige.
Im entscheidenden Urteil der zweiten Instanz wurde Heinz Frey eine Mitschuld von 40 % am Unfall angelastet. Er muss also 2 602,40 € der Anwalts- und Gerichtskosten sowie den entsprechenden Anteil an den Gebühren für Zeugen und Sachverständige zahlen. Vom Unfallgegner bzw. dessen Versicherung kann er andererseits 60 % seines Schadenersatzanspruches von 5 240,00 €, also 3 144,00 € Schadenersatz verlangen.
Als Fazit muss er feststellen, dass er zwar einen Teilerfolg vor Gericht erzielen konnte, der ihm jedoch finanziell nicht allzu viel eingebracht hat. Hätte er eine Rechtsschutzversicherung gehabt, dann wären die in beiden Instanzen angefallenen Kosten gedeckt gewesen.
Jedes Jahr stehen Millionen von Bundesbürgern vor Gericht, werden Millionen von Straf-und Bußgeldverfahren verhandelt.
• Dies hegt nicht zuletzt an den zunehmenden Rechtsstreitigkeiten, insbesondere in
den Bereichen des Miet-, Arbeits- und Sozialrechts.
• Fast alles, was Menschen tun oder unterlassen, unterliegt heute der Rechtsordnung
oder rechtlichen Beurteilung.
• Gleichzeitig werden nicht nur die Rechtsprechungsurteile, sondern auch die
Gesetze, Rechtsverordnungen und Durchführungsbestimmungen immer zahlreicher,
unüberschaubarer und komplizierter. Ohne juristischen Beistand kann daher der
einzelne Bürger sein Rechtsinteresse kaum mehr wahren.
• Hinzu kommt, dass nach deutschem Recht derjenige, der in einem Zivilprozess
verliert, die gesamten Kosten des Rechtsstreits, also auch die Kosten der
Gegenpartei, zu tragen hat.
• Schließlich sind im Rechtsbereich, wie in anderen Dienstleistungsbereichen auch,
die Kosten in den letzten Jahren unverhältnismäßig stark gestiegen; z.T. liegt das
Prozesskostenrisiko, insbesondere bei Inanspruchnahme mehrerer Instanzen, höher
als der Streitwert.
Die nachstehende Tabelle gibt auszugsweise die Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren in Zivilprozessen und die Kosten von Strafprozessen und Bußgeldverfahren wieder.
Für Prozesse vor z. B. Verwaltungs-oder Arbeitsgerichten gelten andere Gebühren oder Kosten.
Einige Beispiele mögen das Kostenrisiko eines Prozesses noch einmal verdeutlichen:
Kostenbeispiel 1: Zivilprozess
Nach dem Verkehrsunfall war eine Einigung zwischen den Parteien wegen des entstandenen Personenschadens nicht möglich. Deshalb kam es zu einer Klage wegen Verdienstausfall und Schmerzensgeld. Streitwert insgesamt 5 000,00 €.
Der Prozess, in dem ein Urteil gesprochen wird, ist allein in der 1. Instanz mit einem Kostenrisiko von fast 3 700,00 € (hier genau: 3 657,13 €) belastet.
Anwaltsgebühren: | 1 125,15 € | Gerichtsauslagen: | 1 070,00 € |
Prozessgebühr | 301,00 € | Schreibgebühren | 10,00 € |
Verhandlungsgebühr | 301,00 € | Porto, Telefon usw. | 30,00 (E |
Beweisgebühr | 301,00 € | Ortsbesichtigung | 0,00 € |
+ Auslagen | 20,00 € | Zeugenkosten | 180,00 € |
47 Fotokopien | 22,50 € | Sachverständiger | 850,00 € |
19 % MwSt | 179,65 € | ||
gegnerische Kosten: | 1 098,98 € | Gerichtskosten: 3Gebühren (3 – 121,00 €) | 363,00 € |
Sollte einer der beiden Parteien mit dem Urteilsspruch nicht einverstanden sein und in die Berufung gehen, übersteigen die Gesamtkosten des Verfahrens den Streitwert beträchtlich. In der 2. Instanz erhöhen sich nämlich die Gerichtskosten um 50 % und die Anwaltsgebühren um 30 %.
Faustregel: Bei einem Streitwert bis 10 000,00 € beträgt das Kostenrisiko eines Zivilprozesses (durch zwei Instanzen) mindestens die Höhe des Streitwertes.
(Streitwert = Kostenrisiko)
Zur Entlastung der Amtsgerichte ist für geringfügige Rechtsstreitigkeiten jetzt eine außergerichtliche Streitschlichtung zwingend vorgeschrieben und zwar bei Streitwerten unter 800,00 €, soweit nicht schon ein gerichtliches Mahnverfahren vorausgegangen war. Das außergerichtliche Einigungsverfahren kostet 125,00 €, wenn die Parteien sich einigen; 100,00 €, wenn sie vor Gericht weiter streiten wollen.
Kostenbeispiel 2: Strafprozess
Ein Autofahrer, der einen Fußgänger am Zebrastreifen angefahren hat, wird wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 40 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Neben der Strafe hat er allein in der 1. Instanz nahezu 2 500,00 € (hier genau: 2 453,75 €) an Kosten zu bezahlen.
Verteidigergebühren: | 672,35 € | Gerichtsauslagen: | 1 055,00 € |
Vorverfahren | 177,50 € | Schreibgebühren | 5,00 € |
Hauptverfahren | 355,00 € | Porto,Telefon | 30,00 € |
+ Auslagen | 15,00 € | Ortsbesichtigung | 0,00 € |
35 Fotokopien | 17,50 € | Zeugenkosten | 150,00 € |
19 % MwSt. | 107,35 € | Sachverständiger | 870,00 € |
Nebenklagekosten: | 685,40 € | Gerichtskosten: | 41,00 € |
Anwalt des Nebenklägers | 655,40 € | ||
Auslagen des Nebenklägers | 30,00 € |
Bei schweren Fällen oder mehreren Verletzten können durchaus höhere Gebühren liquidiert werden; bei fahrlässiger Tötung bis zur Höchstgebühr von 330,00 € bzw. 660,00 €.
Faustregel: Ein einfacher Strafprozess kostet allein in der 1. Instanz ca. 2 500,00 €.
Kostenbeispiel 3: Verwaltungsgerichtsprozess
Vor dem Verwaltungsgericht wird um den Führerschein gekämpft. Da hierbei üblicherweise der Gegenstandswert von den Gerichten mit 4 000,00 € festgelegt wird, fallen bei einem Prozess über zwei Instanzen Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von 2 790,50 € an.
Kostenbeispiel 4: Arbeitsgerichtsprozess
Ein Arbeitnehmer wehrt sich gegen die Kündigung durch seinen Arbeitgeber, da er diese nicht für gerechtfertigt hält. Das Gericht setzt den Streitwert auf das Dreifache seines Monatsgehaltes von 2 500,00 €, also auf 7 500,00 €, fest. Die Gerichts- und Anwaltskosten in zwei Instanzen betragen 5 852,60 €.
Kostenbeispiel 5: Prozess im Ausland
Eine deutsche Urlauberin wird beschuldigt, in Österreich einen Unfall mit Körperverletzung eines Dritten verschuldet zu haben. Sie lässt sich von einem österreichischen Anwalt vertreten und wird vor Gericht freigesprochen. Der Anwalt berechnet den in Österreich üblichen Erfolgszuschlag von 50 % und stellt 540,00 € Kosten in Rechnung.
Im Ausland ist es teilweise sogar üblich, dass das Anwaltshonorar von den Parteien selbst getragen wird, auch wenn man den Prozess gewinnt. Führt man sich ferner vor Augen, dass gerade bei Zivilprozessen die Kosten vom Streitwert und nicht von der Schwere des Falles abhängen, wird deutlich, dass der Prozess mit einem enormen Kostenrisiko verbunden ist. Für diese Risikobewältigung empfiehlt sich eine auf die persönlichen Bedürfnisse abgestellte Rechtsschutzversicherung.
Damit auch Personen mit geringem Einkommen zu ihrem Recht kommen können, kennt man die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe. Staatliche Prozesskostenhilfe (das so genannte Armenrecht) setzt Bedürftigkeit voraus. Das Gleiche gilt für die Beratungshilfe. Außerdem erhalten die Anwälte niedrigere Gebühren, zu denen nicht jeder Anwalt bereit ist, tätig zu werden. Die Prozesskostenhilfe ist später ratenweise zurückzuzahlen. Bei verlorenem Prozess sind die gegnerischen Anwaltskosten immer selbst zu tragen.