Neben den Eingliederungsmaßnahmen und den Renten gibt es in der Invalidenversicherung eine Reihe von Leistungen, die den invalid Gewordenen das Leben ein bisschen erleichtern oder helfen sollen, die zusätzlichen Kosten zu bestreiten.
Hilfsmittel der IV
Wie die Unfallversicherung kennt auch die IV Hilfsmittel, dank denen Versicherte mit körperlichen Behinderungen den Alltag besser meistern können. Es handelt sich dabei um Geräte und Apparate, mit deren Hilfe der Ausfall eines Körperteils oder einer Körperfunktion kompensiert wird. Die Hilfsmittelliste der IV ist umfangreich; von den Maßschuhen über Arm- und Beinprothesen bis hin zum Blindenhund, Treppenlift oder Elektrorollstuhl enthält sie ganz unterschiedliche Hilfen für die Fortbewegung, den Kontakt mit der Umwelt und die Selbstsorge. Die Regelung ist detailreich und unübersichtlich. Bei einzelnen Hilfsmitteln ist eine Kostenbeteiligung vorgesehen, bei anderen nicht. Teilweise wird der Kauf eines Hilfsmittels, teilweise nur die Miete finanziert. Ab besten erkundigen Sie sich direkt bei der lV-Stelle, ob und wie die Anschaffung eines bestimmten Hilfsmittels unterstützt wird. Tipp: Der Anspruch auf Hilfsmittel geht oft vergessen. Es lohnt sich aber, bei der IV-Stelle nachzufragen, sobald Sie wegen des Unfalls etwas anschaffen müssen, das Sie sonst nicht kaufen würden. Die Hilfsmittelliste der IV finden Sie sie im Internet unter adrnin*ch (Dienstleistungen – Bundesgesetze ► Systematische Rechtssammlung – Stichwort: I Invalidenversicherung).
Die Hilflosenentschädigung
Auch die Hilflosen Entschädigung ist eine Leistung, die die IV mit der Unfallversicherung gemeinsam hat. Wer in ganz alltäglichen Verrichtungen, etwa beim Anziehen, bei der Körperpflege, beim Einkäufen, stets auf die Hilfe anderer angewiesen ist, hat Anspruch auf diese Zahlungen.
So viel macht die Hilflosen Entschädigung der IV pro Monat aus (Stand 2007)
Leichte Hilflosigkeit: 442 Franken
Mittlere Hilflosigkeit: 1105 Franken
Schwere Hilflosigkeit: 1768 Franken
Wer in einem Heim wohnt, hat Anspruch auf den halben Betrag.
Die Lebensbereiche, an denen die Hilflosigkeit gemessen wird, sind dieselben wie bei der Unfallversicherung. Und auch die IV unterteilt die Hilflosigkeit in die drei Stufen leicht, mittel und schwer.
Tipp: Die Hilflosen Entschädigung der Unfallversicherung ist höher als diejenige der IV. Wenn Sie die Voraussetzungen bei beiden Versicherungen erfüllen, wenden Sie sich also besser an die Unfallversicherung.
So kommen Sie zu den Leistungen der IV
Am Anfang war die Anmeldung! Von selbst kommt die IV nicht auf Sie zu. Sie müssen also die Initiative ergreifen und sich über den Arbeitgeber oder Ihre Ärztin bei der IV zum Bezug von Leistungen anmelden.
Richtig anmelden
Die Anmeldung läuft über ein Standardformular, das Sie bei der IV- Stelle Ihres Kantons erhalten. Auch wenn es mühsam ist, dieses mehrseitige Ding auszufüllen: Es führt kein Weg daran vorbei. Und es lohnt sich, das Formular sorgfältig und korrekt auszufüllen. Im Verlauf des Verfahrens wird immer wieder darauf zurückgekommen, manchmal noch fahre später.
Hinweis: Warten Sie mit der IV-Anmeldung nicht zu lange zu. Der Zeitpunkt der Anmeldung ist für verschiedene Leistungen wichtig. Vor allem wird die IV-Rente höchstens 12 Monate rückwirkend zugesprochen. Zusammen mit der Karenzfrist von ebenfalls 12 Monaten – als invalid gelten Sie ja erst, wenn sie seit mindestens einem Jahr arbeitsunfähig sind – ergibt das 24 Monate. Spätestens zwei Jahre nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit sollten Sie also Ihre Anmeldung einreichen.
Die Abklärungen der IV
Nach der Anmeldung beginnen die Mühlen der Abklärungen zu laufen – und die IV will ziemlich viel wissen!
• Zunächst wird überprüft, ob Sie die Beitragspflicht erfüllt haben, also versichert sind.
• Danach macht sich die IV ein Bild von der medizinischen Seite. Dazu holt sie Informationen von den Ärztinnen und Ärzten ein, die Sie in der Anmeldung genannt haben. Auch verfügt die IV über eigene medizinische Dienste, welche die eingegangenen Unterlagen prüfen. Diese haben ein großes Gewicht, wenn es darum geht, den Grad Ihrer Arbeitsunfähigkeit festzulegen.
• Auch die berufliche Seite wird abgeklärt. Die IV holt Informationen von Ihrem letzten Arbeitgeber ein, manchmal auch von früheren Arbeitgebern. Sind Sie selbständig erwerbend, nimmt die IV eine direkte Abklärung in Ihrem Betrieb vor und wertet die Erfolgsrechnungen und Bilanzen der letzten Jahre aus. Bei Hausfrauen und Hausmännern wird die Haushaltsabklärung durchgeführt .
• Ist bereits eine Unfallversicherung involviert, nimmt die IV Einsicht in deren Akten. Verschiedene Informationen vor allem im medizinischen Bereich kann die IV direkt aus den Abklärungen der Unfallversicherung beziehen.
Während diese Abklärungen laufen, findet auch ein Erstgespräch statt, bei dem offene Fragen und Unklarheiten bereinigt werden. Idealerweise werden dabei bereits die nächsten Schritte besprochen. Es wird beispielsweise ein Berufsberater beigezogen, der Ihnen hilft, eine Stelle zu finden, die Sie trotz Behinderung bewältigen können, oder man schaut mit Ihnen Umschulungsmöglichkeiten an.
Die Abklärungen der IV dauern lange; bis eine Rente zugesprochen wird, können Lahrer vergehen. In dieser Zeit erhalten Sie Taggelder der Unfallversicherung oder – während berufliche Maßnahmen laufen – der IV. Müssen Sie auf eine Eingliederungsmaßnahme warten, können Sie ein Wartetaggeld beantragen.
Das Verfahren bei der IV
Das IV-Verfahren ist an sich dasselbe wie bei der Unfallversicherung. Auch die IV darf ihre Entscheide nicht einfach mündlich oder in einem gewöhnlichen Brief mitteilen. Sie muss eine Verfügung erlassen mit einer Begründung, weshalb Ihr Anspruch abgelehnt oder nur teilweise anerkannt wird. Zudem muss die Verfügung eine Rechtsmittelbelehrung enthalten, die sagt, bei welcher Stelle und mit welchem Rechtsmittel Sie sich gegen den Entscheid der IV wehren können.
Das Vorbescheidverfahren
Die fünfte IV-Revision wirft ihre Schatten voraus: Eine kleinere, aber nicht unwichtige Revision zum Verfahren trat bereits am 1. Juli 2006 in Kraft. Das Einsprache verfahren, das seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil der Sozialversicherungen (ATSG) im Januar 2003 für alle Sozialversicherungen verbindlich war, wird für die IV wieder abgeschafft und es gilt das frühere Vorbescheid verfahren:
• Den Versicherten wird vor Erlass der Verfügung mitgeteilt, welchen Inhalt diese haben wird. Sie können sich zu diesem Vorbescheid Äußern und Einwände vorbringen (rechtliches Gehör).
• Darauf erlässt die IV die Verfügung. Darin muss sie zu den vorgebrachten Einwänden Stellung nehmen und begründen, weshalb sie diese nicht für stichhaltig hält.
• Der Versicherte kann die Verfügung nun nicht mehr mit Einsprache bei der IV anfechten, sondern muss direkt mit einer Beschwerde an das kantonale Verwaltungs- oder Versicherungsgericht gelangen. Mit anderen Worten: Es gibt bei der IV das einfacher zu bestreitende Einsprache verfahren nicht mehr. Umso eher müssen Versicherte einen Anwalt beiziehen, wenn sie sich gegen einen Entscheid wehren wollen.
• Ist der Versicherte mit dem Urteil des kantonalen Gerichts nicht einverstanden, kann er sich mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Eidgenössische Versicherungsgericht wenden. Dessen Urteil ist endgültig.
Eingeführt wird neu die Kostenpflicht im Gerichtsverfahren. Weist das kantonale Gericht die Beschwerde ab, werden dem Versicherten Verfahrenskosten in der Höhe von 200 bis 1000 Franken auferlegt. Kostenpflichtig ist auch der Weiterzug an das Eidgenössische Versicherungsgericht. Tipp: Möchten Sie gegen eine IV -Verfügung Beschwerde erheben, sollten Sie zuerst die Kosten abklären. Prüfen Sie auch, ob Sie Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege haben.
So spielen Unfallversicherung und IV zusammen
Die folgenden Seiten sind vor allem für Angestellte und unfallversicherte Selbständig erwerbende interessant. Wenn Sie nicht erwerbstätig sind, haben Sie ja keinen Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung und es bleibt bei den Zahlungen der IV.
Das Zusammenspiel bei den Taggeldern
Während der Heilungs- und Abklärungsphase ist die Unfallversicherung für die medizinische Seite zuständig, die IV für die berufliche. Sie erhalten also von der Unfallversicherung die Heilungskosten bezahlt und vor allem in der ersten Zeit ist die Unfallversicherung auch für die Taggelder zuständig.
Zieht sich die Heilung länger hinaus und zeichnet sich ab, dass Sie mit einer dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigung rechnen müssen, kommt die IV ins Spiel – mit beruflichen Abklärungen, Kursen und Umschulungen. Während Sie an solchen Maßnahmen der IV teilnehmen, erhalten Sie auch das Taggeld von der IV. Möglicherweise sind Sie nach einer IV-Abklärung immer noch auf medizinische Behandlung angewiesen und können weiterhin nicht arbeiten. Dann ist wieder die Unfallversicherung für die Taggelder zuständig.
Beispiel: Nikoleta R. ist seit ihrem Unfall vor anderthalb Jahren 100 Prozent arbeitsunfähig und erhält seither Taggelder der Unfallversicherung. Die IV will nun eine zweimonatige berufliche Abklärung durchführen. Das wird der Unfallversicherung mitgeteilt, worauf diese ihre Zahlungen entstellt. Frau R. erhält während der beruflichen Abklärung Taggelder in der gleichen Höhe wie bisher von der IV. Anschließend ist wieder die Unfallversicherung zuständig. Weil sie der Koordination zwischen IV und Unfallversicherung nicht ganz traut, nimmt sich Nikoleta R. vor, zwei Wochen vor Ende der beruflichen Maßnahmen die Unfallversicherung anzurufen. So stellt sie sicher, dass sie die Taggelder ohne Unterbruch erhält.
Bei Renten: Überentschädigung verboten
Bleibt nach einem Unfall eine Invalidität zurück, haben Sie grundsätzlich Anspruch auf eine Rente der IV, der Unfallversicherung und auch der Pensionskasse (siehe nächstes Versicherung-Artikel). Theoretisch könnten Sie damit mehr Geld erhalten, als Sie vor dem Unfall verdienten. Überentschädigung nennen dies die Juristen und das ist im Sozialversicherungsbereich nicht zulässig – die Renten werden gekürzt.
Wann aber liegt eine Überentschädigung vor? Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz einfach, denn einzelne Sozialversicherung gen kennen unterschiedliche Überentschädigungsgrenzen. Fällt eine Rente der IV mit einer Rente der Unfallversicherung zusammen, gilt: Wer mehr als 90 Prozent des früheren Einkommens (versicherten Verdienstes) erhält, ist überentschädigt.
Weshalb gerade 90 Prozent und nicht 100 Prozent? Begründet wird dies damit, dass bei Invaliden berufsbedingte Kosten wie Berufskleider, Fahrspesen, auswärtige Verpflegung und Ähnliches wegfallen. Das mag zwar sein. Nicht berücksichtigt wird jedoch, dass auf der anderen Seite zusätzliche Kosten entstehen: Selbstbehalte und Franchisen bei der Krankenkasse, ungedeckte Auslagen wegen der gesundheitlichen Probleme.
Die Komplementärrente der Unfallversicherung
IV- und Unfallversicherungsrente zusammen dürfen also nicht mehr als 90 Prozent des früheren Einkommens betragen. Die IV-Rente bildet sozusagen den Sockel der Leistungen; sie wird zuerst auf die vorne beschriebene Weise berechnet. Die Unfallversicherung zahlt dann nur noch die Ergänzung auf die 90 Prozent aus – diese Zahlung heißt Komplementärrente.
Beispiel: Elena M. ist nach einem Gleitschirmunfall querschnittgelähmt und zu 100 Prozent Arbeit Sun fähig. Die IV spricht ihr eine ganze Rente zu. Frau M. erhält aufgrund ihrer Beiträge eine volle Maximalrente von 2210 Franken pro Monat. Auch die Suva als Unfallversicherung von Frau M. spricht ihr eine volle Rente zu, das sind 80 Prozent ihres letzten Jahreslohns von 80 000 Franken. Zusammen ergäbe das folgende Jahresrente:
IV-Rente: 12 x Fr. 2210.- Fr. 26 520.-
Suva-Rente: 80% von Fr. 80000.- Fr. 64 000.-
Total Renten Fr. 90520.-
Damit läge Elena S. sogar über ihrem früheren Lohn. Die Suva be¬rechnet deshalb folgende Komplementärrente:
90% des früheren Lohns Fr. 72000-
-IV-Rente – Fr. 26520.-
Komplementärrente der Suva Fr. 45 480.-
Umgerechnet auf einen Monat erhält Frau M. von der Suva also statt 5333 nur noch 3790 Franken. Zusammen mit der IV-Rente hat sie 6000 Franken pro Monat zur Verfügung; das sind gut 650 Franken weniger als vor ihrem Unfall.
Die fünfte IV-Revision
Bekanntlich ist die Invalidenversicherung seit Jahren defizitär und das mit steigender Tendenz. 2004 standen den Einnahmen von gut 9,5 Milliarden Franken knapp 11,1 Milliarden an Leistungen gegenüber; im ersten Halbjahr 2005 waren es 6,3 Milliarden Ausgaben und 5,1 Milliarden Einnahmen. Auch für 2005 und 2006 rechnet man mit rund 2 Milliarden Defizit jährlich; das kumulierte Defizit Ende 2006 wird voraussichtlich rund 8 Milliarden Franken betragen. Der Gesetzgeber sah sich deshalb veranlasst, über die Bücher zu gehen. Die Hauptursache für das anwachsende Loch in der IV-Kasse wurde darin geortet, dass es immer mehr und immer jüngere Rentenbezüger gebe. Wichtigstes Ziel der fünften IV-Revision ist es daher, die Zahl der IV-Rentner zu senken.
Das soll dadurch geschehen, dass Menschen, bei denen sich eine IV- Rente abzeichnet, möglichst früh erfasst werden und dass mit ihnen intensiv an der Wiedereingliederung ins Erwerbsleben gearbeitet wird. Die IV soll sich also viel früher einschalten als bisher, nämlich bereits dann, wenn sich nach einigen Wochen Arbeitsunfähigkeit zeigt, dass die Beschwerden chronisch werden könnten. Diese Früherfassung kann allerdings nur dann greifen, wenn die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Arbeitgebern und Taggeldversicherungen funktioniert.
Im Weiteren sollen Frühinterventionen beim Arbeitgeber verhindern, dass Personen, die zumindest noch teilweise arbeitsfähig sind, ihre Stelle verlieren. Beispielsweise, indem ergonomische Verbesserungen am Arbeitsplatz vorgenommen und die Arbeitgeber beim Umgang mit gesundheitlich eingeschränkten Mitarbeitern beraten werden. Dieser direkte Kontakt zum Arbeitgeber und das Suchen nach flexiblen Lösungen hat sich bereits bei der Unfallversicherung bewährt. Der Zugang zur IV-Rente wird mit weiteren Hürden erschwert: Die Versicherten werden eine verschärfte Pflicht zur Mitwirkung haben und die Kriterien beim Festlegen der Erwerbsunfähigkeit werden strenger sein. Auf der Einnahmenseite sind verschiedene Sparmaßnahmen sowie eine Erhöhung der IV-Beiträge vorgesehen. Das ganze Paket hat zum Ziel, jährlich 596 Millionen Franken einzusparen.
Zurzeit werden die vorgeschlagenen Änderungen in den eidgenössischen Räten beraten. Geplant ist, die Revision auf den 1. Januar 2007 in Kraft zu setzen – vorausgesetzt, es wird kein Referendum ergriffen. Danach wird sich zeigen, ob die Maßnahmen die beabsichtigte Wirkung haben.
Allgemein unbestritten ist, dass die IV saniert werden muss. Soweit dies allerdings auf dem Buckel der sonst schon benachteiligten Invaliden geschieht, ist die Revision abzulehnen. Vor allem der Ausbau der Kontroll- und Repressionsmöglichkeiten der Behörden und der Einbau zusätzlicher Hürden bei der Rente sind bedenklich. Die Stoßrichtung der vermehrten Bemühungen um berufliche Integration dagegen ist sinnvoll und richtig. Dazu hätte es allerdings keine Revision gebraucht – eher eine bessere Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IV-Stellen sowie Anreize zur Beschäftigung Behinderter bei den Arbeitgebern.
So soll es bei der IV nach der Revision laufen
• Früherfassung
• Entscheid über Anmeldung oder Nichtanmeldung bei der IV
• Abklärungen und Maßnahmen der Frühintervention
• Entscheid über weitere Leistungen
• Berufliche Eingliederung und/oder Rente