Der VN hat für das Verhalten und Verschulden solcher Personen einzustehen, denen er gewisse Befugnisse in Bezug auf das versicherte Risiko eingeräumt hat. Es handelt sich dabei um den Repräsentanten, den Wissensvertreter und den Wissenserklärungsvertreter.
Da Obliegenheiten keine Verbindlichkeiten im schuldrechtlichen Sinne sind und deshalb auch nicht eingeklagt werden können, haftet der VN nicht für Dritte nach den Bestimmungen des BGB, d. h., eine Haftung für den Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen entfällt, da diese Haftung nur auf Rechtspflichten bezogen ist.
a)Repräsentant
Der Repräsentant nimmt eine wichtige versicherungsrechtliche Stellung ein:
• Handelt es sich um Obliegenheiten, die keine Anzeige- oder Auskunftspflichten
beinhalten, sondern ein Tun oder Unterlassen des VN erfordern, dann haftet der VN für das Verschulden seiner Repräsentanten. Der VR wird also auch gegenüber dem VN leistungsfrei, wenn der Repräsentant eine Obliegenheit schuldhaft verletzt hat.
Beispiel:
Der Prokurist veranlasst, dass feuergefährliche Stoffe wegen Platzmangels im Lager vorübergehend Juch im Verwaltungsgebäude abgestellt werden (= Gefahrerhöhung).
• Diese Haftung gilt auch in Verbindung mit Risikoausschlüssen – etwa bei der grob fahrlässigen Herbeiführung eines Versicherungsfalles durch den Repräsentanten. Auch hier wird dem VN das Verschulden des Repräsentanten zugerechnet.
Beispiel:
A hat seinen Betrieb bei der Gesellschaft X gegen Einbruchdiebstahl versichert. Als A verreist ist, wird die im Versicherungsvertrag vorgesehene Einbruchmeldeanlage durch den Prokuristen des A nicht eingeschaltet, obgleich er diese Aufgabe wahrzunehmen hat. In der Nacht wird die Firma durch Einbrecher heimgesucht.
Damit der Versicherungsschutz nicht entwertet wird, ist der Kreis der Repräsentanten gerichtsseitig sehr eingeengt worden.
Nach der Rechtsprechung ist nur derjenige Repräsentant, der in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- o<(er ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des VN getreten ist. Hierüber muss der Repräsentant befugt sein, selbstständig in nicht ganz unbedeutendem Umfang für den Betriebsinhaber zu handeln und dabei auch dessen Rechte und Pflichten als VN wahrzunehmen.
Repräsentanten sind z.B.:
•der Prokurist (Betriebsleiter, Bauleiter, Montageleiter, Sicherheitsbeauftragte usw.);
•der Besitzer einer unter Eigentumsvorbehalt gekauften Sache;
•der Hausverwalter, wenn z. B. der Eigentümer nicht am Ort wohnt;
•der Fuhrparkmeister, dem die gesamte Wartung eines oder mehrerer Fahrzeuge übertragen worden ist.
Dagegen sind die angestellte Verkäuferin oder der angestellte Kraftfahrer, der den Wagen nicht zur völlig eigenverantwortlichen Betreuung bekommt, nicht Repräsentanten. Auch der Mieter/ Pächter eines Gebäudes in der Feuerversicherung ist nicht schon allein wegen seiner Stellung als Mieter/Pächter Repräsentant. Der VN muss vielmehr die Verfügungsbefugnis und die Verantwortlichkeit für den versicherten Gegenstand vollständig übertragen haben. Davon kann aber bei der Gebäudevermietung regelmäßig nicht die Rede sein. Legt z.B. der Mieter Feuer, so hat der Hauseigentümer dennoch Versicherungsschutz. Der Feuerversicherer kann die Schadenzahlung nicht mit der Begründung ablehnen, der Mieter sei als Repräsentant des VN anzusehen.
Der Ehegatte ist nie als solcher Repräsentant, sondern nur, wenn er aus anderen Gründen die vorerwähnten Voraussetzungen erfüllt (Geschäftsführer usw.). Ehegatten können z.B. Repräsentanten sein, wenn ihnen die vollständige Obhut über den versicherten Gegenstand übertragen worden ist.
b)Wissensvertretung, Verantwortlichkeit des VN für Organisationsmängel
Hier wird dem VN das Wissen anderer Personen zugerechnet, die zwar keinerlei rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht haben, die aber nach der innerbetrieblichen Organisation anstelle des VN Kenntnis von Tatsachen erhalten, die in Bezug auf den Versicherungsvertrag von rechtlicher Bedeutung sind.
Beispiel: Kenntnis von Gefahrerhöhungen
Dem Fuhrparkmeister eines Großhandelsunternehmens sind Mängel (nicht verkehrssichere Bereifung) an einem Kraftfahrzeug bekannt. Da er als verantwortlicher Mitarbeiter damit betraut ist, diese Gefahrumstände zu erfassen, abzustellen bzw. dem VR mitzuteilen, wird seine Kenntnis dem VN (Betriebsinhaber) zugerechnet.
Wenn auch der Angestellte nicht sein Stellvertreter im Willen ist, eine Willenserklärung somit überhaupt nicht in Betracht kommt, so ist er doch zum Wissensvertreter bestellt, und der Firmeninhaber würde in einem solchen Falle gegen Treu und Glauben im geschäftlichen Verkehr verstoßen, wenn er aus der inneren Geschäftsverteilung dem Dritten (VR) gegenüber den Einwand der Unkenntnis herleiten wollte.
Entscheidend ist also in solchen Fällen nicht die Frage, welche rechtliche Stellung dem Vertreter eingeräumt ist, sondern welche tatsächlichen Befugnisse ihm übertragen sind.
Fehlt es an einer entsprechenden Organisation, weil kein für den Zustand der Fahrzeuge verantwortlicher Fuhrparkmeister vorhanden ist, liegt ein Organisationsmangel vor, der dem VN ebenfalls, und zwar als eigenes Verschulden, zugerechnet wird.
c)Wissenserklärungsvertretung
Hier hat der VN eine dritte Person bevollmächtigt, dem VR gegenüber eine Wissenserklärung (Anzeige- und Auskunftsobliegenheit) abzugeben.
Der Wissenserklärungsvertreter kann im Einzelfall beauftragt sein; er kann aber auch kraft seines Aufgabenbereiches in einer Firma mit der Erledigung von Versicherungsangelegenheiten betraut sein.
Beispiel:
Der Firmeninhaber F betraut seinen Buchhalter B mit der Erteilung von Auskünften im Bereich der Versicherungen, die von der Firma getätigt wurden.
Die Rechtsprechung verwendet den Begriff des Wissenserklärungsvertreters, weil es sich hier nicht (nur) um die Zurechnung der Kenntnis, sondern um die Zurechnung der Erklärung dieser Person handelt. Das bedeutet, dass der VN (Firmeninhaber) für unrichtige Angaben des Buchhalters genauso verantwortlich ist, wie wenn er die Angaben selbst gemacht hätte.
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers Test und Fragen
1.Nennen Sie – unter Angabe der entsprechenden VVG-Normen – die wichtigsten Obliegenheiten, die der VN zu beachten hat.
2.Worin hegt nach herrschender Ansicht der grundlegende Unterschied zwischen echten Rechtspflichten und den Obliegenheiten des Versicherungsnehmers?
3.In einer Einbruch-Diebstahl-Versicherung heißt es u. a.: Der Versicherungsschutz ist dadurch bedingt, dass ein Sicherheitsschloss angebracht wird.
Handelt es sich hier um eine Ausschlussklausel oder um eine Obliegenheit (mit Begründung)?
Vorvertragliche Anzeigepflicht
4. Ein VN hatte bei Abschluss einer Krankenversicherung (Versicherungsbeginn zum 01.Febr. d.J.) einen Herzinfarkt, den er vor einem Jahr erlitten hatte, wissentlich nicht angezeigt. Nach einem erneuten Versicherungsfall am 10.März des folgenden Jahres erhält der VR Kenntnis von dem verschwiegenen Umstand.
a) Welche Obliegenheit hat der VN hier verletzt?
b) Wann war diese Obliegenheit zu erfüllen?
c) Was beinhaltet diese Obliegenheit?
d) Welche Bedeutung hat ihre Erfüllung für den VR?
e) Wodurch erfüllt der VN üblicherweise diese Obliegenheit?
f) Welche Rechte hat der VR, wenn die vorvertragliche Anzeigepflicht vorsätzlich verletzt wird?
g) Welche Rechtsfolgen ergeben sich für die Beitragsberechnung, wenn ein Vertrag wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung aufgehoben wird?
5. Nehmen Sie an, der Herzinfarkt im Fall zur Aufgabe 4 war ordnungsgemäß im Antrag angegeben worden, unverschuldetermaßen war aber die Altersangabe falsch. Welche Rechte ergeben sich hier für den VR (Ausübungs- und Wirkungsfrist angeben)?
6. Ein VN hat bei Abschluss einer Krankenversicherung einen positiven HIV-Test nicht angezeigt, obgleich im Antragsformular ausdrücklich danach gefragt war. Erst vier Jahre später erkrankt der VN akut an Aids. Prüfen Sie, ob der VR jetzt den Vertrag beenden kann.
7. Beim Ausfüllen des Antrages zu einer Lebensversicherung wird eine der Antragsfragen vom Antragsteller nicht zutreffend beantwortet, obgleich in Textform über die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt wurde. Der Antrag wird ohne Erschwerungen angenommen. Zwei Monate nach Beginn des Versicherungsschutzes tritt der Versicherungsfall ein
Stellen Sie die möglichen Rechtsfolgen nach dem VVG dar, für den Fall, dass der Antragsteller
a) vorsätzlich,
b) grob fahrlässig,
c) einfach fahrlässig gehandelt hat.
Verletzungsfolgen (allgemeine Grundsätze)
8. Was versteht man unter dem Klarstellungsprinzip?
9. Verschuldensarten
a) Wann ist vorsätzliches Handeln gegeben?
b) Wer handelt fahrlässig?
c) Welche Arten (Stufen, Grade) der Fahrlässigkeit sind im Einzelfall zu unterscheiden?