Die staatliche Wirtschaftspolitik hat das Ziel, positive wirtschaftliche Entwicklungen zu unterstützen sowie Fehlentwicklungen und Störungen zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Damit beeinflusst und gestaltet sie das wirtschaftliche Leben. Staatliche Wirtschaftspolitik kann keine dirigistische (befehlende), sondern nur eine stützende Funktion haben. Der Staat soll nur mit marktkonformen Mitteln eingreifen. Träger der staatlichen Wirtschaftspolitik sind die EU, die Bundesregierung, die Landesregierungen und die Zentralbank. Außerdem beeinflussen Gerichtsurteile und Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft (Industrie- und Handelskammern, Berufsverbände) das wirtschaftliche Geschehen. Die wichtigsten Ziele der von der Bundesrepublik Deutschland vertretenen Wirtschafts-politik sind im Stabilitätsgesetz zusammengefasst. Sie werden als Magisches Viereck bezeichnet.
*Bund und Länder haben bei ihren wirtschaftlichen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.
Zur sozial verträglichen Verteilung von Einkommen und Vermögen und für die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt (Umweltschutz) gibt es eine Vielzahl besonderer Umwelt-, Arbeits- und Steuergesetze. Neben diesen Zielen bestehen noch weitere wirtschaftspolitische Ziele, wie z. B.
• Erhaltung der Arbeitskraft und Förderung des Leistungsstandes der Bevölkerung durch zeitgemäße Aus- und Weiterbildung sowie durch verbesserte Gesundheitsfürsorge;
• Sicherung des technischen Fortschritts durch Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung;
• Sicherung der Rohstoffversorgung aus inländischen und ausländischen Quellen (Ressourcen).
Hinweis:
*Die Maßnahmen zur Errechnung der Ziele sind in unserem Versicherung-Ratgeber Preisniveaustabilität, Preisniveau und Kaufkraft
► Kaufkraft des Geldes
Die für die verschiedenen Güter und Dienstleistungen zu zahlenden Preise sollen über einen längeren Zeitraum möglichst stabil, d. h. gleich bleiben. Dies ist nur dann zu erreichen, wenn auch die Kaufkraft des Geldes in dieser Zeit erhalten bleibt. Die Kaufkraft des Geldes bestimmt sich nach der Gütermenge, die man mit einer Geldeinheit kaufen kann. Je höher das Preisniveau der Güter ist, desto weniger kann man mit einer Geldeinheit kaufen; je niedriger das Preisniveau, desto mehr kann man mit einer Geldeinheit kaufen.
*Stabilität des Preisniveaus herrscht, wenn die Kaufkraft des Geldes gleich bleibt.
► Die Kaufkraft des Verdienstes – Nominalverdienst und Realverdienst
Entscheidend ist, wie sich Nominal- und Realverdienst in einer Periode verändert haben. Der Nominalverdienst entspricht dem Nettoverdienst. Der Realverdienst entspricht der Menge an Gütern, die man mit dem Nominalverdienst kaufen kann. Steigt der Nominalverdienst aufgrund von Tariferhöhungen, so bedeutet dies, dass die Arbeitnehmer nominal (dem Betrage nach) mehr Einkommen zur Verfügung haben. Dabei ist die Veränderung des Preisniveaus jedoch noch nicht berücksichtigt. Steigt nämlich das Preisniveau schneller als der Nominalverdienst, so kann sich der Einkommensbezieher weniger Güter als bisher kaufen. Der Realverdienst ist in diesem Fall gesunken; der Arbeitnehmer muss einen Kaufkraftverlust hinnehmen. Steigt jedoch das Preisniveau langsamer als der Nominalverdienst, so ist der Realverdienst gestiegen.
*Die Entwicklung des Realverdienstes ergibt sich aus der Veränderung der Nominalverdienste und des Preisniveaus.
Inflation durch Überhöhung des Preisniveaus
Die Erhöhungen des Preisniveaus und damit inflatorische Entwicklungen können unterschiedliche Formen und Verläufe annehmen. Die Ursachen entstehen durch
• Übermäßige Kreditgewährung an die private Wirtschaft,
• Nominal (nach dem Geldnennwert) bemessene Einkommenssteigerungen, sofern sie den Zuwachs auf der Güterseite übersteigen,
• Die Erhöhung der Umschlagshäufigkeit der Geldmenge durch übermäßige Konsumfreudigkeit der Bevölkerung (Hamsterkäufe),
• Schrumpfungen des Handelsvolumens (Missernten, Streiks, Bürgerkriege, Erdölverknappung),
• Importierte Inflation (s. weiter unten).
► Arten der Inflation
✓ Offene Inflation
Wenn das Preisniveau stetig und für alle ersichtlich steigt, liegt offene Inflation vor. Wer in Zeiten der offenen Inflation Waren besitzt, wird diese in Erwartung noch höherer Preise zurückhalten. Da jeder sein Geld loswerden möchte, wird auch die Umschlagshäufigkeit der Geldmenge erhöht. Während das Güterangebot einerseits zurückgeht, nimmt die Nachfrage nach Gütern zu. Die Güterpreise steigen. Der Prozess kann sich selbst zu einer galoppierenden Inflation beschleunigen. Erhöht sich das Preisniveau unmerklich, aber trotzdem stetig, so liegt eine schleichende Inflation vor.
✓ Verdeckte (zurückgestaute) Inflation
Das Steigen der Preise wird durch staatliche Machtmittel verhindert, z/B. durch Lohn- und Preisstopp. Die im Verhältnis zum Geld knappen Güter werden mithilfe von Bezugsscheinen rationiert. Es kommt zu einem Geldüberhang, der auf einen schwarzen Markt drängt und dort zu hohen Angebots- und Nachfragepreisen führt. Der Geldüberhang muss eines Tages durch eine Währungsreform beseitigt werden.
✓ Nachfrageinflation
Die geldmäßige Nachfrage übersteigt das Angebot zu gegebenen Preisen, dadurch werden die Preise insgesamt hoch gezogen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die zusätzliche Nachfrage aus dem inländischen Markt (Binnenmarkt) oder aus dem Ausland aufgrund dauerhafter Exportüberschüsse (importierte Inflation; vgl. nachstehend) herrührt.
✓ Angebotsinflation
In diesem Fall hegen die Ursachen darin, dass Unternehmen die Preise für ihre Güter erhöhen. Die Gründe können in erhöhten Kosten für Löhne und Lohnnebenkosten, für Rohstoffe, Zinsen und Steuern zu finden sein. Eine zweite Möglichkeit liegt darin, dass Unternehmen ihre starke Marktstellung nutzen, um zusätzliche Gewinne zu erzielen.
✓ Importierte Inflation
Export bewirkt einen Güterabfluss ins Ausland bei gleichzeitigem Geldzufluss ins Inland. Beim Import verhält es sich genau umgekehrt. Ist der Import kleiner als der Export, entsteht ein Geldüberschuss (Zahlungsbilanzüberschuss) aus dem Auslandsgeschäft, der im Inland nachfragewirksam wird. Kann die Produktion diese zusätzliche Nachfrage nicht decken, bewirkt dies eine Preissteigerung bei den mit diesem Geldüberschuss nachgefragten Gütern. Die Inflation ist importiert worden.
► Wirkungen der Inflation
Eine Inflation führt zu Ergebnissen, die für die meisten von Nachteil sind.
Folgende Wirkungen können auftreten:
• Geldvermögensbesitzer ergreifen die Flucht in die Sachwerte.
Dadurch erhöht sich das Vermögen der Eigentümer von Sachgütern (Immobilien). Deshalb ergibt sich in einer Inflation auch eine Verschiebung der Vermögensverhältnisse innerhalb der Gesellschaft.
• Geldschuldner (Kreditnehmer) sind begünstigt, da sie ihre Kreditkosten und die Kredite selbst mit entwertetem Geld zurückzahlen können. In der Inflation sterben die Gläubiger.
• Einkommensbezieher und Rentner erhalten einen Ausgleich für die inflationäre Entwicklung erst mit einer zeitlichen Verzögerung.
• Die Preise verlieren ihre Bedeutung als Informationsträger für den Verbraucher.
• Für Unternehmen entstehen zusätzliche Kosten (Informationsbeschaffung, Kalkulation, Preisauszeichnung).
Führen die durch die Unternehmen verursachten Preissteigerungen zu neuen Lohnforderungen der Gewerkschaften, so entsteht ein Preis-Lohn-Zusammenhang. Entwickelt sich dieser Zusammenhang zu einem fortlaufenden Prozess, so spricht man von der Preis-Lohn-Spirale. Liegt der Ausgangspunkt jedoch bei höheren Tarifgehältern, so spricht man von der Lohn-Preis-Spirale.
Deflation
► Ursachen der Deflation
Die Deflation entsteht dadurch, dass die Wirtschaft mit Geldmitteln unterversorgt wird. Die Gründe können sein:
• Die Europäische Zentralbank verknappt die Geldmenge
• Durch Rekordernten, Überproduktion und Importüberschüsse wird das Handels-volumen stark erweitert.
• Die Bevölkerung hortet übermäßig viel Geld, weil sie die weitere Wirtschaftsentwicklung pessimistisch einschätzt.
• Die Unternehmen verschieben Investitionen und fragen keine Kredite nach. Auch sie beurteilen die wirtschaftliche Entwicklung negativ.
► Deflationsverlauf und seine Auswirkungen
Eine Senkung des Preisniveaus erfolgt in aller Regel nicht in der Art, dass plötzlich alle Güterpreise sinken. Die Deflation zeigt sich in der Praxis vielmehr in sogenannten deflationistischen Tendenzen. Diese bemerkt der inflationsgewohnte Bürger dadurch, dass eine zunehmende Anzahl von Güterpreisen nach und nach sinkt, bis schließlich das Preisniveau insgesamt zurückgeht. Dadurch steigt die Kaufkraft des Geldes. Geldbesitz gewinnt an Wert. Deshalb versucht man, Sachwerte zu Geld zu machen (Flucht in die Geldwerte). Der Zwang zum Güterabsatz führt zu weiteren Preissenkungen. Geldbesitzer wollen nicht kaufen, weil sie weitere Preissenkungen erwarten.
Durch Betriebseinschränkungen, -Stilllegungen und -Zusammenbrüche entstehen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Damit schrumpfen die Arbeitseinkommen und die Konsumgüternachfrage. Wegen der verminderten Wirtschaftsleistung schwinden auch die Steuereinnahmen des Staates; die öffentlichen Aufträge an die Wirtschaft gehen dementsprechend zurück. Die Deflation verschärft sich. Wer Schulden hat, kann nicht mehr tilgen. In der Deflation sterben die Schuldner.
Messung der Preisentwicklung
Durch den vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verbraucherpreisindex für die Lebenshaltung wird die Preis- und Kaufkraftentwicklung deutscher Haushalte Jahr für Jahr errechnet und veröffentlicht. Dieser Index zeigt die Preisentwicklung des durchschnittlichen Lebenshaltungsbedarfs einer für Deutschland typischen Standardfamilie an (2 Erwachsene, 2 Kinder). Aus dem Vergleich der Verbraucherpreisindizes mit entsprechenden Messzahlen der Lohneinkommen (Lohnindizes) kann man auf Verbesserungen oder Verschlechterungen der Realeinkommen und damit des Lebensstandards der Bevölkerung schließen. Um eine europäische Vergleichbarkeit der Preisentwicklung zu ermöglichen, gibt es den harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI).
Vollbeschäftigung
Hoher Beschäftigungsstand
*Bei Vollbeschäftigung sind alle Personen, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind, entsprechend ihrer vollen Belastbarkeit beschäftigt und alle Arbeitsstellen in der Wirtschaft sind besetzt.
Dabei sind neben den inländischen auch die aus dem Ausland stammenden Arbeitnehmer in die Personensumme der Beschäftigten einbezogen. Ob Vollbeschäftigung herrscht, lässt sich anhand der Arbeitslosenquote messen. Die Arbeitslosenquote beträgt bei Vollbeschäftigung theoretisch 0%. In der Praxis ist Vollbeschäftigung auch schon dann erreicht, wenn die Arbeitslosenquote bei etwa 2-3% liegt. Eine solche Quote wird selten unterschritten,
• Da es im Zeitpunkt der statistischen Erfassung durch kurzfristigen Wechsel der Arbeitsstellen immer eine gewisse Anzahl von Arbeitslosen geben muss und
• Da nicht jeder Arbeitslose zu jeder Arbeit fähig und bereit ist.
► Unterbeschäftigung
Unterbeschäftigung liegt vor, wenn die Arbeitslosenquote höher als 2-3% und die Zahl der offenen Stellen geringer als die Zahl der Arbeitslosen ist. Die ab 1974 in der Bundesrepublik Deutschland aufgetretene Unterbeschäftigung konnte seitdem nicht mehr beseitigt werden und hat sich auf sehr hohem Niveau verfestigt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands entwickelte sich besonders ab 1991 immer mehr eine strukturelle Arbeitslosigkeit, d.h. eine Arbeitslosigkeit, die durch die Umwandlung des inneren Aufbaus der Wirtschaft hervorgerufen wird. Besondere Ausmaße erreichte sie in den ostdeutschen Bundesländern durch die totale Umstrukturierung des Wirtschaftssystems. Dort betrug die Arbeitslosigkeit bis Ende 2006 zwischen 15,6% (Thüringen) und 19,0% (Mecklenburg-Vorpommern).
Arbeitslosigkeit in Deutschland
Im Wesentlichen ist Arbeitslosigkeit auf fünf Ursachen zurückzuführen:
► Überbeschäftigung
Überbeschäftigung liegt vor, wenn die Zahl der offenen Stellen die Arbeitslosenzahl erheblich übersteigt.
Entwicklung der Arbeitslosenquote in Deutschland | |||||||||
offene Stellen/Arbeitslose (jeweils in Tsd.) | |||||||||
Angaben für Westdeutschland | Angaben für Deutschland | ||||||||
Jahr | 1970 | 1972 | 1993 | 1997 | 1999 | 2001 | 2003 | 2005 | 2006 |
offene Stellen | 795 | 546 | 243 | 342 | 456 | 514 | 355 | 413 | 564 |
Arbeitslose | 149 | 246 | 2270 | 4 099 | 4 279 | 3 889 | 4 376 | 4 861 | 4 487 |
Arbeitslosenquote in% | 0,7 | 1,1 | 8,0 | 11,4 | 10,5 | 9,4 | 10,5 | 11,7 | 10,8 |
Beschäftigungsgrad | Überbeschäf -tigung: Zahl der offenen Stellen > Zahl der Arbeitslosen | Unterbeschäftigung: Arbeitslosenquote > 2-3% und Zahl der offenen Stellen < Zahl der Arbeitslosen | |||||||
Quelle: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank |
Nach den Zahlen in der Tabelle herrschte in Deutschland in den Jahren 1970 bis
1972 Überbeschäftigung. Die Zahl der Arbeitslosen reichte nicht aus, um die offenen Stellen zu besetzen. Selbst eine steigende Zahl von Gastarbeitern konnte diesen Mangel nicht beseitigen. In der Überbeschäftigung wird die Arbeitskraft der Menschen durch Überstunden, zusätzliche Schichten, Erhöhung der Arbeitsintensität stark beansprucht. Im Bereich der Produktion und Investition kommt es zur Konjunkturüberhitzung mit ihren schädlichen Erscheinungen. Da der nun sehr knappe Faktor Arbeit bei Zahlung hoher Löhne gesucht wird, steigen auch die Güterpreise. Es entsteht die Lohn-Preis-Spirale, in der sich Löhne und Preise gegenseitig hochtreiben.