Für die Sachstandsermittlung werden zunächst die Aussagen des VN, von Geschädigten, Zeugen, sowie ggf. die polizeilichen Ermittlungen ausgewertet. Bei Bedarf werden zusätzliche Sachverständigengutachten eingeholt, ärztliche Berichte erbeten und ggf. die staatsanwaltlichen Akten zur Einsicht angefordert. Häufig wird ein Schadenregulierer der Versicherungsgesellschaft beauftragt, der vor Ort eine Schadenbesichtigung durchführt und die Schadenhöhe ermittelt. Bei der elektronischen Anspruchserfassung geht es darum, die detaillierten Einzelforderungen eines Anspruchstellers oder Dienstleisters den jeweiligen Anspruchsposten, die nach der Leistungsart klassifiziert sind, zuzuordnen und zu bewerten.
Beispiel:
Der VN einer Hausratversicherung macht nach einem Einbruchdiebstahlschaden geltend:
Verlust eines Notebooks 1 250,00 €
Verlust einer Briefmarkensammlung 6 000,00 €
Verlust von Bargeld 2 100,00 €
Beseitigung von Graffitischmierereien im Hausflur vor der Mietwohnung 500,00 €
Der Schadenbearbeiter wird die Ansprüche zunächst in folgenden Anspruchspositionen erfassen:
Anspruchsposition Verlust durch ED-Diebstahl 1 250,00 €
Anspruchsposition Wertsachen nach § 28 Nr. 1 c VHB 2005 6 000,00 €
Anspruchsposition Bargeld nach § 28 Nr. 1 a VHB 2005 2 100,00 €
Anspruchsposition Vandalismusschäden 500,00 €
Die Frage, ob die Anspruchsposition tatsächlich versichert ist, wird im Rahmen der Beurteilung des Schadens geprüft. Die Berechnung der Entschädigungshöhe zu den Anspruchspositionen wird, wenn der jeweilige Anspruch als solcher anerkannt wird, später vom System automatisch unter Beachtung der Entschädigungsgrenzen für Wertsachen sowie Anrechnung einer evtl, bestehenden Unterversicherung vorgenommen
Betrugsprüfung
Es ist zu unterscheiden zwischen Versicherungsbetrug und Versicherungsmissbrauch. Versicherungsbetrug Betrug ist die Absicht, durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen zulasten eines anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu erlangen. Versicherungsbetrug hegt dann vor, wennder VN oder ein Anspruchsteller in betrügerischer Absicht eine unberechtigte Geld- oder Sachleistung von einer Versicherungsgesellschaft erlangen will. •
Beispiele:
• Einer Versicherungsgesellschaft werden bedeutende Daten zur Feststellung des Versicherungswertes vorenthalten bzw. bewusst falsch angegeben. Es hegt eine
arglistige Täuschung in betrügerischer Absicht vor.
• Der Versicherungsgesellschaft wird ein Schaden, der nicht eingetreten ist, mit dem Ziel gemeldet, eine Geldleistung zu erhalten. Es handelt sichhierbei um die
Vortäuschung einer Straftat in Tateinheit mit der Irreführung von Behörden.
• Ein vorsätzlich herbeigeführtes Schadenereignis wird als Unfall dargestellt und daraufhin Ansprüche an den VR gestellt.
– Versicherungsmissbrauch
Wer eine gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite schafft oder einem anderen überlässt, um sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in §263 mit Strafe bedroht ist.
Im Gegensatz zum Versicherungsbetrug stellt der Versicherungsmissbrauch bereits die Vorbereitungshandlung zum Betrug unter Strafe. Voraussetzung für die Anwendung der Strafvorschrift ist, dass ein Versicherungsvertrag über die betroffene Sache besteht. Es kommt nicht darauf an, ob der VR leistet oder nicht. Wer irrig annimmt, die Sache sei versichert, begeht einen versuchten Versicherungsmissbrauch, der ebenfalls strafbar ist.
– Maßnahmen der Versicherer zur Betrugsabwehr
Die Spurensuche ist in Massensparten wie der Kfz-Versicherung, in der jährlich mehr als sieben Millionen Schäden gemeldet werden, nicht unproblematisch. Die VR erfassen auffällige Schäden und jeden Diebstahl im 8,5 Millionen Datensätze starken brancheninternen Hinweis- und Informationssystem (HIS), besser bekannt als Uniwagnis- Datei. So lassen sich beispielsweise Crash-Wagen anhand der Fahrgestellnummer identifizieren.
Im Jahr 1999 hat Eberhard Fähnrich vom Rückversicherer Gen Re eine ISP-Software (ISP = Internet-Service-Provider) zur Betrugserkennung entwickelt. Sie wird in der Kfz- Haftpflichtversicherung von mehreren deutschen Versicherungskonzernen genutzt. Die Software rastert jede Schadenmeldung und trifft in 90 Prozent der Fälle blitzschnell die Entscheidung, wie sie auch ein erfahrener Schadenbearbeiter, aber erst nach aufwändigen Recherchen, getroffen hätte. In bestimmten Versicherungszweigen werden die Einschaltung der Polizei (z.B. bei einem ED-Schaden in der Hausratversicherung) und ein exaktes Verzeichnis der betroffenen Sachen (z.B. Stehlgutliste) sowie Anschaffungsbelege oder Nachweise, dass die Sache tatsächlich zum Besitz zählt, verlangt.
In der Praxis helfen oft auch schon einfache Mittel: So fordern manche Gesellschaften grundsätzlich, dass die als beschädigt oder zerstört gemeldete Sache (z.B. ein Brillengestell) vorzulegen ist. Sehr häufig meldet sich der Anspruchsteller dann nicht mehr. Bei begründetem Tatverdacht stellt der VR eine Strafanzeige. Er hat dann allerdings das Beweisrisiko für einen Versicherungsbetrug.
Beurteilung des Schadens und Entschädigungsberechnung
Zu den Kernaufgaben der Schadenbearbeitung gehört die Beurteilung des Schadens. Hierfür sind die im Rahmen der Sachstands- und der Anspruchsermittlung festgehaltenen Daten auszuwerten und es ist zu prüfen, ob eine Entschädigungspflicht gegeben ist oder ob die Leistung gekürzt bzw. abgelehnt werden kann.
Beispiel:
Der Schadenbearbeiter wird den geltend gemachten Vandalismus Schäden über
500,00 € im Hausflur vor der Mietwohnung bei den Anspruch Positionen als nicht versichert kennzeichnen und aus einer Textdatei die Nummer des Textbausteins auswählen, mit dem die Ablehnung später im Brief an den Anspruchsteller begründet wird. Die Entschädigungsberechnung wird in der Praxis aufgrund der erfassten Daten und der Vorgaben bei der Schadenprüfung durch den Computer automatisch durchgeführt, wodurch der Schadenbearbeiter erheblich entlastet wird und sich auf die eigentliche Schadenprüfung konzentrieren kann.
Beispiel:
Bei der Erfassung der Anspruchspositionen wurden u. a. erfasst:
Wertsachen nach § 28 Nr. 1 c VHB 2005 6 000,00 €
Bargeld nach § 28 Nr. 1 a VHB 2005 2 100,00 €
Das System erkennt automatisch, dass Bargeld nach den VHB nur bis 1 500,00 € versichert ist (besondere Entschädigungsgrenze für Wertsachen) und wird auch prüfen, ob die Summe der Entschädigung für Wertsachen die allgemeine Entschädigungsgrenze von 20 % der VS übersteigt und ggf. hier korrigierend einwirken.
Sofern eine Unterversicherung besteht und der Schadenbearbeiter die entsprechenden Eingaben ins System vorgenommen hat, wird die Kürzung nach der Unterversicherungsformel ebenfalls automatisch berechnet.
Hinweis:
Merkmale für die Schadenbeurteilung und Entschädigungsberechnung in den einzelnen Versicherungszweigen.
Die Schadenbeurteilung und Entschädigungsberechnung wird maßgeblich von den Besonderheiten des jeweiligen Versicherungszweiges bestimmt.
Nähere Einzelheiten finden sich
• zur Verbundenen Hausratversicherung
• zur Verbundenen Wohngebäudeversicherung
• zur Unfallversicherung
• zur Haftpflichtversicherung
• zur Kraftfahrtversicherung