Materielle und immaterielle Personenschäden
a)Materielle Personen- und Personenfolgeschäden
Wird ein Mensch verletzt, sonst in seiner Gesundheit geschädigt oder gar getötet, so liegt ein Personenschaden vor.
Beispiel 1:
Ein selbstständiger Steuerberater wird bei einem Verkehrsunfall aufgrund einer Vorfahrtsverletzung eines anderen Verkehrsteilnehmers schwer verletzt. Der Verletzte muss auf Dauer mit einer erheblichen Gehbehinderung rechnen. Seine nicht berufstätige Ehefrau auf dem Beifahrersitz wurde bei dem Unfall getötet, sein Sohn ebenfalls schwer verletzt. Der Pkw des Steuerberaters wurde total zerstört.
Ansprüche des Verletzten aus unmittelbarem Personenschaden
Heilkosten: Dazu gehören die Geldaufwendungen, die zur Wiederherstellung der Gesundheit des Verletzten erforderlich sind, wie Arzt-, Arznei-, Krankenhaus-, Krankentransport-, Kur- und Heilgymnastikkosten sowie die Aufwendungen naher Verwandter zum Besuch des Verletzten im Krankenhaus.
Ansprüche des Verletzten aus mittelbarem Personenfolgeschaden (Vermögensschaden)
• Verdienstausfall während der Erwerbsunfähigkeit
Bei Selbstständigen kommt nur die tatsächlich erlittene Einbuße in Betracht. So sind z.B. die Kosten für eine Ersatzkraft nur dann ersatzpflichtig, wenn sie tatsächlich angefallen sind. Erwerbstätigkeit ist auch die Arbeit des Ehegatten im Haushalt. Einer verletzten Hausfrau gewährt daher die Rechtsprechung wegen Ausfalls ihrer Arbeitskraft im Genesungszeitraum einen eigenen Schadenersatzanspruch.
• Kosten für Nachteile im Erwerb und Fortkommen
Außer dem gegenwärtigen und künftigen Verdienstausfall sind auch Nachteile für das Fortkommen des Verletzten zu ersetzen, also der Schaden, der sich aus der Erschwerung der Verdienstmöglichkeiten ergibt, wie z. B. die Einschränkung beruflicher Aufstiegsmöglichkeiten und die Ausübung einer schlechter bezahlten Tätigkeit nach Beendigung der bisherigen Erwerbsfähigkeit.
• Geldrente für Dauerfolgen ‚
Die Geldrente richtet sich nach den bisherigen und mit Wahrscheinlichkeit künftig zu erwartenden Einkünften des Verletzten. Eine Kapitalabfindung wird in der Praxis häufig vereinbart, kann aber nach Gesetz einseitig vom Geschädigten nur aus wichtigem Grund verlangt werden, z. B. Aufbau einer neuen Existenz.
• Ersatz der Aufwendungen für vermehrte Bedürfnisse nach Abschluss des
eigentlichen Heilverfahrens (u.a. Diät, Heilmittel, Pflegekraft).
– Anspruch Dritter
Schadenersatz kann nur der unmittelbar Geschädigte verlangen, nicht dagegen der nur mittelbar Geschädigte (Dritte), der infolge einer Verletzung des unmittelbar Geschädigten – für sich gesehen – nur einen reinen Vermögensschaden erlitten hat.
Beispiel 2:
Einem Mandanten des Steuerberaters entgeht ein steuerlicher Vorteil, da der Steuerberater unfallbedingt für den Mandanten eine Einspruchsfrist beim Finanzamt nicht wahrnehmen konnte.
Die Ausdehnung der Schadenersatzpflicht auf mittelbar Geschädigte würde auch für die Haftpflichtversicherung ein unkalkulierbares Risiko darstellen.
Ausnahmsweise wird im Deliktsrecht ein Drittschaden in bestimmten Fällen ersetzt:
• Beerdigungskosten im Falle der Tötung
Dazu gehören auch die Kosten für Trauerkleidung, Überführung, Todesanzeigen usw.; nicht dagegen der verlorene Reisepreis für eine abgesagte Fernreise wegen Trauerfalls. Hier kann nur eine Reiserücktrittskosten-Versicherung die finanziellen Verluste mindern.
• Unterhaltsrente für alle, die durch Tötung einen gesetzlichen Unterhaltsanpruch
verlieren (Waisen, Witwe, Eltern).
Im o. a. Beispiel hat der Steuerberater einen solchen Anspruch, weü der haushaltsführende Ehepartner getötet winde.
• Entgangene Dienste aufgrund gesetzlicher, nicht vertraglicher
Dienstleistungspflicht.
So haben die Eltern, denen bei Verletzung bzw. Tötung eines ihrer Kinder unentgeltliche Dienste im elterlichen Hauswesen oder Geschäft entgehen, einen Schadenersatzanspruch; nicht dagegen der Arbeitgeber, dessen Produktion behindert wird, weil ein wichtiger Mitarbeiter (vertragliche Dienstpflicht) bei einem Verkehrsunfall verletzt wird. Hier bleibt es bei der Regel, dass der nur mittelbar Geschädigte, hier der Arbeitgeber, keinen Schadenersatzanspruch hat.
b) Geldersatz für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld)
Grundsätzlich sieht das Gesetz nur den Ersatz des Vermögensschadens (materiellen Schadens) vor. Gemäß § 253 BGB wird für einen Schaden, der kein Vermögensschaden ist (immaterieller Schaden), eine Entschädigung in Geld nicht gewährt.
Von diesem Grundsatz macht der Gesetzgeber beim sog. Schmerzensgeld eine Ausnahme.
Es besteht ein allgemeiner Anspruch auf Schmerzensgeld bei der Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung, wenn
– die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt wurde oder
– der Schaden unter Berücksichtigung seiner Art und Dauer nicht unerheblich ist.
Anspruch auf Schmerzensgeld
Schmerzensgeld kann in den Fällen der Verschuldens-, Gefährdungs- und Vertragshaftung verlangt werden. Es muss sich aber um eine Verletzung eines Rechtsgutes handeln. Dazu gehört auch die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Ehrverletzung) oder des Rechts am eigenen Bild.
Hier wird ein Anspruch auf Entschädigung in Geld vor allem deshalb anerkannt, da ein Schadenersatz durch Naturalrestitution (z.B. durch öffentlichen Widerruf) den Verletzten häufig nur erneut beeinträchtigen würde.
Nach der Rechtsprechung werden sogar Schmerzensgeldansprüche wegen seelischer Erschütterung nach dem Unfalltod eines nahen Angehörigen (besonders schwere psychische Belastungen) anerkannt, obwohl hier der Anspruchsteller selbst nicht der unmittelbar Geschädigte ist – also selbst keine Körperverletzung erlitten hat.
Kein Schmerzensgeld besteht dagegen bei einem Arbeitsunfall. § 106 SGB VII nimmt dem verletzten Arbeitnehmer oder Schüler den privatrechtlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber, Arbeitskollegen oder die Schule und gewährt ihm dafür einen Anspruch aus Sozialversicherung. Dieser umfasst kein Schmerzensgeld.
– Funktionen des Schmerzensgeldes
Das Schmerzensgeld hat eine Doppelfunktion:
• Ausgleichsfunktion. Es soll dem Verletzten einen Ausgleich für erlittene Schmerzen
gewähren und zwar auch dann, wenn der Schädiger nicht schuldhaft gehandelt hat
(Gefährdungshaftung).
Dabei sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychische Beeinträchtigungen wichtige Kriterien für die Höhe des Anspruchs.
Neben den körperlichen Auswirkungen (Primärverletzungen, Zahl und Schwere der Operationen, Dauer der stationären ambulanten Heilbehandlungen, Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und Höhe des Dauerschadens) kommt es auch auf psychische Veränderungen und damit allgemein auf jeden Verlust an Lebensfreude an, z. B. verminderte Heiratschancen, Einschränkung bei der Berufswahl und der sportlichen Betätigung.
Schmerzensgeld für Kapellmeister
rtr FRANKFURT. Das Frankfurter Landgericht hat einem Kapellmeister, dessen Foto von einem Auftritt in der New Yorker Steubenparade ein Frankfurter Kaufhaus in einem Werbeprospekt benutzt hatte, I 000,00 € Schmerzensgeld zugesprochen. In dem Urteil heißt es, die genеhmigungslose Abbildung des stabschwingenden Kapellmeisters stelle einen Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild dar. Ein neutraler Beobachter müsse annehmen, der Mann habe sich gegen Geld zu Werbezwecken vermarkten lassen (Aktenzeichen 2/3 S 7/91).
• Genugtuungsfunktion. Es soll aber auch eine Genugtuung darstellen, die der
Schädiger dem Verletzten allerdings nur dann schuldet, wenn er ihm vorsätzlich oder
fahrlässig Schaden zugefügt hat.
– Kein Schmerzensgeld bei unerheblichen Verletzungen
Der Schmerzensgeldanspruch setzt kein Verschulden des Schädigers voraus. Deshalb , ist er begrenzt auf Schäden, die unter Berücksichtigung ihrer Art und Dauer nicht unerheblich sind.
Ausdrücklich ausgenommen sind daher wirklich unerhebliche Verletzungen mit geringen und vorübergehendem Einfluss auf das Allgemeinbefinden, wie Kopfschmerzen, Schürf- bzw. Schnittwunden, Prellungen und leichte HWS-Verletzungen ersten Grades usw. Ohne starre Vorgabe einer Geldsumme ist hier an Schäden gedacht, die zu Schmerzensgeldfestsetzungen von unter 500,00 € führen würden.
Vorsatztaten sind von dieser Einschränkung nicht betroffen, weil bei ihnen die Genugtuungsfunktion im Vordergrund steht. Es ist auch kaum vorstellbar, dass bei ihnen ein Schmerzensgeldbetrag weniger als 500,00 € ausmachen könnte.
– Höhe des Schmerzensgeldes
Tm übrigen kommt es bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht nur auf Art und Ausmaß der Beeinträchtigung auf Seiten des Verletzten an, sondern auch auf
• Verschulden des Schädigers (unter Berücksichtigung eines eventuellen
Mitverschuldens des Geschädigten) und den Verschuldungsgrad,
• den Anlass der Verletzung,
• die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten.
Hier wird auch das Bestehen einer Haftpflichtversicherung berücksichtigt. Eine verzögerte Schadenregulierung des VR kann sogar schmerzensgelderhöhend sein.
Die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe im konkreten Fall gehört zu den schwierigsten richterlichen Aufgaben. In der Praxis spielen Auflistungen von Gerichtsentscheidungen eine große Rolle. Sie enthalten Angaben über die Art der Verletzung und den zuerkannten Schmerzensgeldbetrag.
Beispiele:
Gehirnerschütterung 500,00 bis 2000,00 €
Armbruch 500,00 bis 3000,00 €
Verlust eines Armes 5000,00 bis 12 000,00 €
Verlust eines Beins 30000,00 bis 50000,00 €
Schädelbruch 4 000,00 bis 70000,00 €
Querschnittlähmung 150000,00 €
Der Schmerzensgeldanspruch ist vererblich und auch dann auf die Erben übergegangen, wenn ein vertragliches Anerkenntnis des Schädigers bzw. seines Versicherers oder eine Klageerhebung bei Tod des Verletzten nicht bzw. noch nicht vorliegt.
Sachschäden
Bei Sachschäden wird nach Beschädigung bzw. Zerstörung der Sache unterschieden.
a) Unmittelbare Sachschäden
Hierzu gehören
• die erforderlichen Reparaturkosten bei Beschädigung,
• der Wertersatz bei Zerstörung oder wenn eine Reparatur aus technischen bzw.
wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in Betracht kommt (so genannter Totalschaden).
Als Wertersatz wird in der Regel nur der Zeitwert erstattet. Das ist der Wert der
Sache unmittelbar vor Eintritt des Schadensfalls (so genannter
Wiederbeschaffungswert beim Kauf einer gleichwertigen, gebrauchten Sache).
Der für die Reparatur/Wiederbeschaffung erforderliche Geldbetrag (Schadenersatz) schließt die Umsatzsteuer mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
b) Vermögensfolgeschäden Wertminderung
Auch nach der Reparatur der beschädigten Sache bleibt häufig eine Wertminderung zurück,
• weil die Reparatur nicht völlig den früheren Zustand herbeiführen konnte
(technischer Minderwert) oder
• weil trotz technisch ordnungsgemäßer Reparatur aber wegen des Verdachts
verborgener Mängel (Unfallwagen) der Verkaufswert gemindert ist (merkantiler
Minderwert).
Soweit kein Totalschaden vorliegt, kann der Geschädigte für beide Varianten der Wertminderung unabhängig von einer Reparatur einen angemessenen Ausgleich verlangen.
– Nutzungsausfall
Ist eine Sache beschädigt worden, so müssen auch diejenigen Nachteile ersetzt werden, die sich daraus ergeben, dass der Geschädigte die Sache während der Dauer ihrer Reparatur oder bis zum Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung nicht nutzen kann. Dazu gehören der entgangene Gewinn infolge Einnahmeausfalls bei der Zerstörung einer Maschine sowie die Mietkosten eines Ersatzgegenstandes.
Verzichtet der Geschädigte dagegen auf das Anmieten eines Ersatzgegenstandes, so kann er zum Ausgleich für die ihm entgangenen Gebrauchsvorteile einen Nutzungsausfall verlangen.
Zehrt Mark Tagegeld fürs Fahrrad
Auf zehn Mark (5,11 €) täglich hat das Amtsgericht Müllheim (Az.: 3 C 499/89) den Anspruch eines Fahrradfahrers festgesetzt, der auf sein Gefährt nach einem unverschuldeten Unfall wegen einer Reparatur vorübergehend verzichten muss. Anspruch auf Nutzungsausfall besteht jedoch nur, wenn der Betroffene sein Rad auch regelmäßig benutzt.
Die Rechtsprechung erkennt diesen Anspruch aber nur für den Fall an, dass der Schaden an einem Wirtschaftsgut entstanden ist, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Geschädige typischerweise angewiesen ist. Das trifft in der Regel auf die Nichtbenutzbarkeit eines Kfz und eines Wohnhauses zu, nicht aber auf Luxusgüter, wie z.B. die Nichtbenutzbarkeit eines Pelzmantels oder eines Wohnwagens, weil hier keine Beeinträchtigung eines Vermögensinteresses, sondern höchstens eines nicht ersatzfähigen Liebhaberinteresses (immaterieller Schaden) vorliegt.
Reine Vermögensschäden
Nun gibt es auch Schäden, bei denen weder ein Mensch verletzt oder getötet noch eine Sache beschädigt, zerstört oder abhanden gekommen ist (so genannte reine Vermögensschäden).
Reine Vermögensschäden sind häufig die Folge einer Vertragsverletzung.
Beispiele:
1. Ein Hotelbesitzer hat sich verpflichtet, den Gast zu wecken. Dies wird vergessen,
und der Gast, der sich auf einer Geschäftsreise befand, versäumt einen wichtigen
Termin.
2. Aufgrund einer fehlerhaften Kreditauskunft seiner Hausbank (Vertragspartner)
gewährt der Geschäftsmann A dem Geschäftsmann B einen größeren Warenkredit.
Kurz darauf gerät B in Insolvenz.
Die Ersatzpflicht für reine Vermögensschäden kann regelmäßig nur im Rahmen eines Vertragsverhältnisses (Vertragshaftung) verlangt werden.
Deshalb haftet der Vertragspartner dem Geschädigten in Beispiel 1 und 2, soweit ein Verschulden vorgeht, aus positiver Vertragsverletzung.
Bei Vorliegen eines Delikts (Deliktshaftung) sind reine Vermögensschäden grundsätzlich nicht ersatzpflichtig, weil der Grundtatbestand einer unerlaubten Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) eine Rechtsgutverletzung (Personen- und/oder Sachschäden) voraussetzt.
Wird dagegen gleichzeitig ein Schutzgesetz verletzt, so hat der Verantwortliche auch reine Vermögensschäden zu ersetzen.