Der Umfang der pflegerischen Versorgung
Auch hier handelt es sich um eine Frage, die nicht frei von Hintersinn ist, wird doch ergründet, wie oft und wie lange die privaten Hilfspersonen und/oder die Mitarbeiter eines Pflegedienstes Hilfeleistungen erbringen. Im Rahmen der Plausibilität werden diese Angaben mit den übrigen Informationen verglichen. Wenn zum Beispiel die Hilfspersonen die Notwendigkeit der täglichen Hilfe beim Waschen angeben, aber gleichzeitig nur dreimal in der Woche beim Versicherten erscheinen, dann wird der Gutachter stutzig. Ganz wertfrei prüft er dann, ob die Hilfspersonen einen zu hohen Hilfebedarf reklamieren oder ob der Versicherte unterversorgt ist. Unterversorgt bedeutet, der Versicherte benötigt durchaus tägliche Hilfe, erhält sie aber nicht.
Im Kern dient die Fragestellung mithin nicht dazu, anhand der Äußerungen einen Hilfebedarf auszuschließen, nach dem Motto: Was nicht erbracht wird, ist auch nicht nötig. Vielmehr geht es um den objektiv notwendigen Bedarf. Deshalb kann der Gutachter durchaus zu dem Schluss kommen, dass ein Pflegedienst eingeschaltet werden sollte, um die Unterversorgung zu beseitigen. Ein herber Schlag für Verwandte, die sich Geld von der Pflegeversicherung erhoffen, aber im Sinne des Versicherten absolut korrekt.
Unter diesem Punkt werden auch die Personalien der Hilfspersonen erfasst. Dies dient zum einen der Absicherung der Pflegeversicherung, die Namen von Hilfspersonen bekommt und damit auch die Sicherheit, dass tatsächlich Verwandte oder Mitbürger für den Versicherten sorgen. Insofern steht für die Pflegeversicherung fest, dass ihr Versicherter nicht einsam und verlassen in seiner Wohnung seinem Ende entgegen-dämmert und also auch kein Handlungsbedarf für den Sachbearbeiter besteht. Andernfalls müsste der Sachbearbeiter Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel eine Betreuungsmaßnahme beantragen.
Wichtiger ist aber die Notwendigkeit, die Hilfspersonen für ihre Tätigkeit beim Versicherten schadlos zu halten. Unter bestimmten Umständen zahlt die Pflegeversicherung für Hilfspersonen Beiträge an die Rentenversicherung. Um dies auch durchführen zu können, muss sie die mutmaßlichen Empfänger dieser Wohltat kennen. Näheres hierzu im Versicherungsartikel zur Sozialversicherung der Pflegepersonen.
Außerdem gibt es noch einen Aspekt. Der Gutachter vergleicht die notwendige Hilfeleistung mit der tatsächlich erbrachten Hilfeleistung. Eine Überversorgung, wenn man also für den Versicherten mehr tut, als dieser wirklich benötigt, ist absolut in Ordnung, vor allem deshalb, weil hieraus kein Schaden für den Versicherten entsteht – eher durch Überlastung für die Hilfsperson.
Eine Unterversorgung jedoch wird immer die volle Aufmerksamkeit des Sachbearbeiters finden. Bestes Beispiel ist der Umstand, dass in der Nacht Hilfe erforderlich, aber keine Hilfsperson vorhanden ist. Meist zeigt sich dies durch ein vollständig eingenässtes Bett oder Schlimmeres. In diesem Fall wird der Gutachter den Einsatz eines Pflegedienstes empfehlen, manchmal aber auch weitergehende Maßnahmen wie Betreuung oder Heimaufnahme. Wie gesagt: Es handelt sich seitens des Gutachters immer um eine Empfehlung! Ein Zwang oder eine Verpflichtung zur Umsetzung der Empfehlung besteht nicht. Nicht zu unterschätzen ist aber die Bedeutung einer schwer wiegenden Empfehlung wie eine Heimaufhahme. Verweigern Versicherte und Angehörige die Umsetzung der Empfehlung, so hat die Pflegeversicherung kaum Handhabe, etwas dagegen zu unternehmen, sie kann auch nicht die Leistungen streichen. Passiert dem Versicherten aber auf Grund der Unterversorgung etwas, wird sogleich nach dem Verantwortlichen gesucht.
Fremdsprachige Helfer
Gar nicht selten treffen die Gutachter in den Wohnungen der Versicherten auf Hilfspersonen, die nicht wirklich gut deutsch sprechen, im Haushalt des Versicherten leben und eine Art Rund-um-die-Uhr-Betreuung leisten. Meist will dann niemand so recht mit näheren Informationen herausrücken. Dazu besteht auch keine Verpflichtung. Der Gutachter arbeitet nicht für die Ausländerbehörde und nicht fürs Arbeitsamt. In diesen Fällen wird lakonisch eine „nicht genannte Hilfsperson“ aufgeschrieben, der Umfang der Hilfeleistung abgefragt, und damit ist das Thema erledigt. Sollte ein Geheimnis in diesem Haushalt vorhanden sein, so wird es mit Sicherheit den Dunstkreis der Pflegeversicherung nicht verlassen. Jedenfalls sollte man im Hinblick auf die möglicherweise erfolgende Feststellung einer Unterversorgung durch den Gutachter den Einsatz solcher Hilfskräfte nicht verschweigen!
Natürlich gilt die Nicht-Weitergabe von Sachverhalten nicht für alles und jedes. Die Grenze gesetzlicher Versicherungen und anderer Behörden ist bei strafrechtlich relevanten Tatbeständen außerordentlich durchlässig. Wenn beim Hausbesuch zum Beispiel offenbar wird, dass der Versicherte in seiner Wohnung regelrecht gefangen gehalten wird, um womöglich ungestört mit dem Eigentum gewisse Transaktionen zu tätigen, dann muss der Gutachter dies weitergeben, ansonsten würde er sich selbst strafbar machen. Und so weit geht das Desinteresse bei niemandem – hoffentlich.