Im Zuge der Novellierung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) im Jahre 1994 sind durch den Gesetzgeber mit dem Verantwortlichen Aktuar und dem Treuhänder neue Kontrollinstrumente geschaffen worden, die zwar außerhalb der eigentlichen Versicherungsaufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) agieren, dennoch aber originäre Aufgaben der Aufsichtsbehörde wahrnehmen . Beide Kontrollinstrumente entlasten damit die staatliche Versicherungsaufsicht und gleichen deutsches Aufsichtsrecht an europäische Standards an.
Der Verantwortliche Aktuar ist eine im angelsächsischen Raum seit Langem fest installierte Größe im Versicherungsunternehmen „Appointed Actuary“ und trat 1994 die Nachfolge des bis dahin in vielen Versicherungsunternehmen üblichen Chefmathematikers an. Er gewährleistet nach § 11 a(3) VAG die ordnungsgemäße Berechnung der Beiträge und aller mathematischen Rückstellungen im Versicherungsunternehmen (zum Beispiel der Deckungsrückstellung in der Lebensversicherung, vgl. Führer/Grimmer), was die langfristige Erfüllbarkeit aller Verbindlichkeiten sicherstellt. Er stellt damit in gewisser Weise einen unternehmensinternen „Vorposten der Versicherungsaufsicht“ dar (Farny), obwohl er selbst Mitarbeiter des Unternehmen ist, nicht selten mit Vorstandsfunktion.
Grundsätzlich kann nur Verantwortlicher Aktuar werden, wer die in § 11 a(1) VAG genannten persönlichen Voraussetzungen erfüllt. Hierzu gehört neben einer fachlichen Eignung eine mindestens dreijährige Berufserfahrung. Daneben setzt die Tätigkeit des Verantwortlichen Aktuars die Mitgliedschaft in der Deutschen Aktuarsvereinigung e.V. voraus, dem berufständischen Zusammenschluss der Versicherungsmathematiker in Deutschland.
Der Treuhänder ist im Gegensatz zum Verantwortlichen Aktuar kein Mitarbeiter des Versicherungsunternehmens, sondern eine unternehmensexterne Person. Seine Aufgaben in der Lebens- und Krankenversicherung sowie in der Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr sind im Umfeld der Überwachung sämtlicher Änderungen von Beiträgen und Gewinnbeteiligungen aufgrund bestehender Vertragsvereinbarungen angesiedelt (§§ 11 b, 11 d, 12b VAG). Ähnlich wie der Verantwortliche Aktuar bei der Beitragskalkulation nimmt der Treuhänder hier eine kontrollierende Aufgabe wahr. In der Lebens- und Krankenversicherung muss der Treuhänder zusätzlich eingeschaltet werden, wenn der Versicherer bestimmte Änderungen bei den Versicherungsbedingungen vornehmen möchte, vgl. §§ 172(2), 178g(3) VVG.
Die fachlichen und persönlichen Anforderungen an einen Treuhänder finden sich in § 12b (3) VAG und ähneln den Anforderungen an Verantwortliche Aktuare; schließlich soll auch der Treuhänder in weiten Teilen als selbstständiger Vorposten der Versicherungsaufsicht fungieren und dabei fundamentale Interessen der Versichertengemeinschaft wahrnehmen.
Weitere Rechtsgrundsätze für Versicherungsunternehmen
Neben den schon genannten Rechtsgrundsätzen findet sich im VAG und anderen Gesetzestexten und Verordnungen noch eine Reihe weiterer genereller Anforderungen an Versicherungsunternehmen, die hier im Überblick dargestellt werden sollen.
• Gleichbehandlungsgrundsatz: Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des §11(2) VAG dürfen die Beiträge und Leistungen in der Lebensversicherung, in der substitutiven Krankenversicherung und in der Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr bei „gleichen Voraussetzungen“ nur „nach gleichen Grundsätzen bemessen werden“. Bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) findet der Gleichbehandlungsgrundsatz sogar in allen Versicherungszweigen Anwendung. Ergänzt wird der Gleichbehandlungsgrundsatz durch das Verbot von Begünstigungsverträgen, das Verbot von Sondervergütungen an Versicherungsnehmer und das Provisionsabgabeverbot (§81(2) VAG). All diese Regelungen zwingen Versicherungsunternehmen zu einer Gleichbehandlung gleicher Risiken, insbesondere die Beitragskalkulation erhält so einen verbindlichen Maßstab.
• Kontrolle der Inhaber bedeutender Beteiligungen: Die Aktionärskontrolle des §§ 7 a(2) bzw. 104 VAG ermöglicht der Versicherungsaufsicht auch eine Kontrolle der Anteilseigner an Versicherungsunternehmen, speziell der Aktionäre einer Versicherungs-Aktiengesellschaft. Hierdurch verlagert sich die Aufsicht teilweise vom Unternehmen auf die Träger, da unterstellt werden kann, dass maßgebliche Anteilseigner immer auch Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nehmen können. Als bedeutend gilt in diesem Sinne eine mindestens zehnprozentige Beteiligung am gezeichneten Kapital oder an den Stimmrechten einer Versicherungs-Aktiengesellschaft bzw. am Gründungsstock eines VVaG.
Der Grundsatz der Aktionärskontrolle findet in Ausnahmefällen allerdings auch dann Anwendung, wenn dem Inhaber einer Beteiligung eine anderweitige Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung des Versicherungsunternehmens unterstellt werden kann. In diesen Fällen müssen die Inhaber der jeweiligen Beteiligungen „den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Versicherungsunternehmens zu stellenden Anforderungen genügen, insbesondere zuverlässig sein“ (§7a(2) VAG).
• Sonderregelungen für die substitutive Krankenversicherung: Produkte der privaten Krankenversicherung werden als substitutiv bezeichnet, wenn sie dazu geeignet sind, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ganz oder teilweise zu ersetzen. Aufgrund der großen Bedeutung dieser Versicherungsform hat der Gesetzgeber für derartige Versicherungsprodukte einen Kranz an rechtlichen Bestimmungen geschaffen, zu denen unter anderem der schon erwähnte Gleichbehandlungsgrundsatz gehört, aber zum Beispiel auch die Verpflichtung, die substitutive Krankenversicherung nur „nach Art der Lebensversicherung“ zu betreiben (§ 12(1) VAG), was die Bildung von Rückstellungen erfordert und die Produktgestaltungsspielräume massiv einschränkt (Alterungsrückstellungen, siehe etwa Milbrodt). Hinzu kommt die Vorgabe, dass die substitutive private Krankenversicherung nur wenigen Personengruppen offen steht, nämlich Beamten, Selbstständigen und besser verdienenden Angestellten mit einem Jahreseinkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze.
• Offenlegungspflichten: Alle Versicherungsunternehmen unterliegen umfassenden Offenlegungspflichten gegenüber der BaFin, die teilweise weit über die üblichen Bestimmungen für Kapitalgesellschaften im Handelsrecht (HGB) hinausgehen. So sind Versicherungsunternehmen verpflichtet, einen Geschäftsplan vorzulegen (§ 5 VAG), an der Erstellung amtlicher Statistiken mitzuwirken (Auskunftspflichten, §§150, 151 VAG) oder etwa örtliche Prüfungen der Versicherungsaufsicht zuzulassen.
Daneben sind Versicherungsunternehmen angehalten, eine umfassende externe und interne Rechnungslegung zu unterhalten, zu der vor allem Nachweispflichten zur Solvabilität und diverse Pflichtprüfungen im Rahmen des Jahresabschlusses gehören. Alle Offenlegungspflichten zielen letztlich darauf ab, Missstände im Unternehmen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls entgegenzusteuern. Dies kann im Extremfall bedeuten, dass die BaFin personelle Veränderungen im Vorstand anordnet und einen Treuhänder mit der Unternehmensführung beauftragt oder das Versicherungsunternehmen zu einer Einstellung seines Geschäftsbetriebs zwingt.
• Rechtsformwahl: Durch §§7(2) und 120(1) VAG wird festgelegt, dass Versicherungsunternehmen nur in der Rechtsform einer Versicherungs-Aktiengesellschaft, eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG) oder einer öffentlich-rechtlichen Anstalt bzw. Körperschaft betrieben werden dürfen. Die Folgen dieser Einschränkungen werden in diesem Versicherung-Artikel diskutiert.
Insgesamt sehen sich Versicherungsunternehmen damit einer Vielzahl rechtlicher Vorgaben gegenüber, die den freien Wettbewerb zwischen den Versicherern zwar behindern, gerade dadurch aber erst jenes hohe Maß an Verlässlichkeit und Sicherheit für die Versicherungsnehmer gewährleisten, das den Geschäftszweck der Branche in den Augen der Allgemeinheit ausmacht. Infolge der zunehmenden Öffnung der Märkte und durch die Angleichung der europäischen Aufsichtssysteme sieht sich der Gesetzgeber der stetigen Herausforderung gegenüber, einen Ausgleich zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Versicherungsnehmer und den betriebswirtschaftlichen Interessen der Versicherungsunternehmen zu schaffen.