Bei bzw. nach Eintritt des Versicherungsfalles hat der VN weitere Obliegenheiten – gesetzliche und vertragliche – zu beachten. Bei Verstoß droht Leistungsfreiheit. Allerdings hat der VN Entlastungsmöglichkeiten:
•Es hegt kein Verschulden vor (fehlendes Verschulden),
•das Verschulden hegt nur im Bereich der leichten Fahrlässigkeit,
•das Verschulden hegt zwar im Bereich der groben Fahrlässigkeit, war aber für die Regulierung des Versicherungsfalls ohne Einfluss (fehlende Kausalität).
In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist die Leistungsfreiheit teilweise noch weiter eingeschränkt worden.
Auszug aus den VHB 2005:
Hatte eine vorsätzliche Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung der Entschädigung bzw. deren Umfang Einfluss, so bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen oder wenn den Versicherungsnehmer kein erhebliches Verschulden trifft.
Abwendung und Minderung des Schadens – Pflichten des VN
Den VN trifft eine grundsätzliche Pflicht zur Abwendung und Minderung des Schadens. Er hat sich dabei so zu verhalten, als ob er nicht versichert wäre.
Das bedeutet, er hat alles zu tun, um den eingetretenen Schaden so gering wie möglich zu halten. Dies hat unverzüglich mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu erfolgen, und zwar auch dann, wenn der Erfolg zweifelhaft ist.
Weisungen des Versicherers
Der VN hat auch Weisungen des Versicherers zu befolgen und – soweit nicht unaufschiebbare Maßnahmen vorzunehmen sind – solche Weisungen auch einzuholen.
Beispiele:
•Der Waldbrand nähert sich dem Wohnhaus, es werden Gräben ausgehoben und Bäume gefällt, um so das Feuer vom Haus fernzuhalten (Abwendungspflicht).
•Nach einem Sturm- oder Feuerschaden muss z. B. durch Notverglasung, Errichtung eines Notdaches bzw. Vorkehrungen gegen die Entwendung versicherter Sachen der Schaden so gering wie möglich gehalten werden (Minderungspflicht).
Folgende Besonderheiten sind zu erwähnen:
• Weisungen, die der VR zur Minderung oder Abwehr des Schadens erteilt, müssen zumutbar sein.
Beispiel:
Unzumutbar für den VN wäre, wenn der VR verlangt, dass ein versichertes und jetzt beschädigtes, wertvolles Antikmöbel durch eine Schreinerei statt durch eine spezialisierte Fachwerkstatt repariert wird.
• Nur bei vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheit ist der VR leistungsfrei. Bei grober Fahrlässigkeit ist eine Kürzung der Leistung, entsprechend der Schwere des Verstoßes, zulässig (Quotelung). Die Leistungspflicht bleibt bestehen bei Nichtkausalität.
Aufwendungsersatz und Erweiterter Aufwendungsersatz
Kosten der Schadenabwehr bzw. -minderung (sog. Rettungskosten), die der VN für geboten halten durfte, muss der VR ersetzen.
In der Sachversicherung kann der VN darüber hinaus den Ersatz der Aufwendungen, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall abzuwenden (sog. Vorerstreckung), verlangen.
Anzeige des Versicherungsfalles
Die Anzeige hat unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, zu erfolgen, wobei die Schadenstelle möglichst so lange unverändert bleiben soll, bis sie durch den VR freigegeben worden ist.
Der VR soll dadurch in die Lage versetzt werden, den Versicherungsfall so schnell wie möglich festzustellen, um
-einerseits eine Ausweitung des Umfangs der Leistungspflicht infolge Beweismittelverlust zu verhindern und
-andererseits eine kostengünstige Bearbeitung und Regulierung einleiten zu können.
Der VN hat deshalb dem VR jede Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten.
Schäden durch Einbruchdiebstahl, Vandalismus oder Beraubung sind sofort der zuständigen Polizeidienststelle anzuzeigen. (
Dem VR und der zuständigen Polizeidienststelle ist ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen (sog. Stehlgutliste).
Durch die geforderte sofortige Einschaltung der Polizei soll
-zum einen der Schaden gemindert werden, indem etwa die Täter möglichst schnell verfolgt und eventuell gefasst werden können,
-zum anderen will sich der VR davor absichern, dass er durch einen vorgetäuschten Versicherungsfall in Anspruch genommen wird.
Abhanden gekommene Sparbücher und andere sperrfähige Urkunden müssen unverzüglich gesperrt werden. Für abhanden gekommene Wertpapiere ist ein Aufgebotsverfahren einzuleiten.
Die dabei entstehenden Kosten stellen Rettungskosten dar und werden als scUjiie ersetzt.
Auskunfts- und Belegpflicht
Sie unterscheidet sich von der Anzeigepflicht dadurch, dass sie nicht spontan, sondern nur auf Verlangen zu erfüllen ist.
Nach Eintritt des Versicherungsfalles kann der VR (Regulierungsbeauftragter) verlangen:
•dass der VN jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des VR erforderlich ist. Erfüllt wird diese Auskunftspflicht regelmäßig durch Ausfüllen eines vom VR übermittelten Vordruckes (Schadenanzeige).
Beispiele für auskunftspflichtige Tatsachen:
Ursachen, Hergang, nähere Umstände des Geschehens, Anschaffungspreis und Anschaffungsjahr der beschädigten Sache, frühere Versicherungen, Vorschäden, aber auch Werturteile – auf wessen Schuld das Schadenereignis zurückzuführen ist – fallen unter die Auskunftspflicht.
Der VR hat das Recht, nach allen Umständen zu fragen, selbst wenn der VN dem VR dabei eigenes strafrechtliches Verhalten, z.B. Fahren unter Alkoholeinfluss, anvertrauen muss.
•dass der VN Belege – wie z.B. Kaufbelege – insoweit beizubringen hat, als ihm die Beschaffung billigerweise zugemutet werden kann.
Obliegenheiten im Versicherungsfall Lernsituationen und Test
1. Bestimmen Sie in den nachfolgenden Fällen, welche Obliegenheit verletzt wurde:
a)Der VN macht unwahre Angaben zur Schadenhöhe.
b)Der VN unternimmt keinen Löschversuch.
c)Der VN lässt das vom VR geforderte Notdach nicht montieren.
d)Der VN legt einen falschen Kaufbeleg vor.
e)Der VN leitet nach einem Einbruch kein Aufgebotsverfahren für die gestohlenen Wertpapiere ein.
f)Den mit dem Schadenbesichtiger vereinbarten Besichtigungstermin nimmt der VN nicht wahr.
2. Der VN ist in der Nacht von Samstag auf Sonntag in einer Diskothek. Als er am Sonntagmorgen heimkehrt, muss er feststellen, dass in seine Wohnung eingebrochen und seine neue Digitalkamera gestohlen wurde. Da er sehr müde ist, ruft er nicht sofort die Polizei an sondern schläft sich erst einmal aus. Abends kommen Freunde, die ihn zum Kinobesuch abholen wollen. Von ihnen lässt er sich überreden, den Einbruch erst am Montag bei der Polizei und bei der Versicherung zu melden und dabei den Schadenzeitpunkt doch einfach auf die Nacht zum Montag zu verlegen.
Genau so verfährt der VN. Auf der Polizeiwache erfährt er noch, dass jemand am gestrigen Sonntag angerufen habe, nachdem ihm eine neue Digitalkamera von einer zweifelhaften Person zu einem Schleuderpreis angeboten worden sei.
Drei Tage später wird diese zweifelhafte Person von der Polizei gefasst. Die Digitalkamera kann dabei sichergestellt werden, sie ist jedoch durch eingedrungenes Regenwasser unbrauchbar geworden.
Die Ermittlungen des Versicherers und der Polizei ergeben, dass es sich um die Digitalkamera des VN handelt.
Der VN möchte die Digitalkamera von seinem VR ersetzt haben. Prüfen Sie die Rechtslage nach VHB 2005.