Der VR bezieht den Versicherungsvertreter in seine betriebliche Organisation ein, indem er ihn im Außenverhältnis gegenüber dem Kunden/VN regelmäßig damit betraut
– Versicherungsverträge zu vermitteln (Vermittlungsvertreter), oder sogar
– Versicherungsverträge – im Namen des Versicherers – abzuschließen (Abschlussvertreter).
Zu dem Kreis, die hier als Versicherungsvertreter von Gesetzes wegen eine Vertretungsmacht des Versicherers besitzen, gehören grundsätzlich alle Personen, die von einem VR oder einem Versicherungsvertreter mit Versicherungsvermittlungsgeschäften betraut werden, seien sie selbstständig oder im Werbeaußendienst angestellt, hauptberuflich oder nebenberuflich tätig, zur Vermittlungstätigkeit verpflichtet oder als Gelegenheitsvertreter nicht verpflichtet, Ein firmen/Konzernvertreter mit Ausschließlichkeitsbindung oder echte Mehrfachvertreter, Haupt- oder Untervertreter.
Das Gleiche gilt natürlich auch für die juristischen Personen und deren Mitarbeiter, die im Annexvertrieb tätig sind. Zu nennen sind hier insbesondere Kaufhäuser, Kreditkartenorganisationen, Autohäuser, Reisebüros und vor allem Banken.
► Versicherungsvertreter im Sinne des VVG ist, wer von einem VR oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig (und selbstständig) Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.
► Die §§69 bis 72 VVG sind auf Angestellte eines Versicherers, die mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Versicherungsverträgen betraut sind, und auf Personen, die als Vertreter selbstständig Versicherungsverträge vermitteln oder abschließen, ohne gewerbsmäßig tätig zu sein, entsprechend anzuwenden.
Die §§ 69 bis 72 VVG, die die Vertretungsmacht des Vertreters normieren, gelten also auch für den angestellten Vermittler eines Versicherers, aber auch für diejenigen selbstständigen Vermittler, die entweder entgegen ihrer Verpflichtung nicht im Handelsregister eingetragen sind, oder keiner Eintragungspflicht unterliegen, weil sie das Vermittlungsgeschäft, wie z.B. der Gelegenheitsvertreter, nicht gewerbsmäßig betreiben.
Vertretungsmacht eines Vermittlungsvertreters (Empfangsvertretungsmacht)
In der Praxis, insbesondere in der Lebens- und Krankenversicherung, herrscht immer noch der Vermittlungsvertreter vor. Aber auch der Vermittlungsvertreter hat in einem bestimmten Mindestumfang Vertretungsmacht; denn er ist nach Gesetz zur Entgegennahme von Versicherungsanträgen berechtigt.
a) Empfangsvollmacht des Versicherungsvertreters
Die gesetzliche Vertretungsmacht erfasst grundsätzlich auch die Entgegennahme von Anzeigen und sonstigen Erklärungen des Versicherungsnehmers.
Auszug aus § 69 Abs. 1 VVG: Gesetzliche Vollmacht
Der Versicherungsvertreter gilt als bevollmächtigt,
1 Anträge, die auf den Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichtet sind, und deren Widerruf sowie die vor Vertragsabschluss abzugebenden Anzeigen und sonstigen Erklärungen vom VN entgegenzunehmen,
2 Anträge auf Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsvertrags und deren Widerruf, die Kündigung, den Rücktritt und sonstige das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen sowie die während der Dauer des Versicherungsverhältnisses zu erstattenden Anzeigen vom VN entgegenzunehmen.
Die Überschrift Gesetzliche Vollmacht im WG ist unglücklich gewählt, weil Vollmacht nach der Legaldefinition des § 166 Abs. 2 BGB eine durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht ist, also im Gegensatz zur gesetzlichen Vertretungsmacht steht.
Damit ist der Vermittlungsvertreter nicht nur Willenserklärungsempfänger (Entgegennahme der Antragserklärung des Versicherungsnehmers), sondern auch Wissenserklärungsempfänger für die Entgegennahme von Anzeigen und zwar
– sowohl für die Zeit vor dem Vertragsabschluss (z.B. Angaben zum Gesundheitszustand des Versicherten bei der Beantragung einer Krankenversicherung im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflichten gemäß § 19 VVG),
– als auch für die Zeit nach Vertragsabschluss (z.B. Entgegennahme einer Schadenanzeige in der Schadenversicherung gemäß § 30 VVG).
Bei Abschlüssen von Versicherungsverträgen kann sich der VR daher nicht auf fehlende Angaben berufen, falls der VN nur gegenüber dem jeweiligen Versicherungsvertreter entsprechende mündliche Mitteilungen gemacht hat.
Beispiel:
Für die Richtigkeit der Angaben bin ich allein verantwortlich, auch wenn ich den Antrag nicht selbst ausgefüllt habe. Der Vermittler darf über die Erheblichkeit von Antragsfragen oder Erkrankungen keinen verbindlichen Erklärungen abgeben.
Diese Klausel in einem Antragsformular eines Versicherers wäre nach Gesetz und Rechtsprechung unwirksam. Denn nicht nur der Vermittler, sondern auch der VR ist aufgrund des Vertrauensverhältnisses während der Vertragsverhandlungen gegenüber dem Antragssteller zur Beratung verpflichtet. Gibt deshalb der Versicherungsvertreter als Erfüllungsgehilfe des Versicherers im Zusammenhang mit der Beantwortung von Formularfragen im Antrag unzutreffende Auskünfte und falsche Ratschläge, so kann sich der VR auch in diesem Fall nicht auf eine Verletzung der Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben – auf eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht – durch den Antragsteller berufen.
b) Beweislast für den Zugang der Anzeigen und Erklärungen des Versicherungsnehmers
Der VN trägt die Beweislast für die Abgabe oder den Inhalt eines Antrags oder einer sonstigen Willenserklärung.
Die Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht oder einer Obliegenheit durch den VN trägt der VR. Behauptet also der VN, er habe dem VR gegenüber eine mündliche Willenserklärung abgegeben, wonach der Versicherungsschutz z.B. durch eine rechtzeitige Kündigung aufgehoben sei und damit auch die Prämienzahlungspflicht, so ist der VN für diesen ihm günstigen Umstand beweispflichtig, wenn die Abgabe oder der Inhalt der Erklärung streitig ist. Behauptet hingegen der VR, der VN habe die Obliegenheit aus § 19 (1) VVG verletzt und er sei daher zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt, so muss der VR diesen ihm günstigen Umstand beweisen.
Vertretungsmacht eines Abschlussvertreters
Neben dem Vermittlungsvertreter, der nur die Empfangsvollmacht aus § 69 VVG hat, gibt es auch sogenannte Abschlussvertreter, die vom VR zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt wurden. Sie sind nicht nur nach § 69 VVG Empfangsvertreter, sondern haben auch aktive Vertretungsmacht, können also im Namen des Versicherers Angebote zum Abschluss von Versicherungsverträgen abgeben und annehmen. In der Praxis herrscht eindeutig der Typus des bloßen Vermittlungsvertreters vor. Nebenberufliche Versicherungsvertreter sind stets nur Vermittlungsvertreter und in der Personenversicherung gibt es so gut wie keine Abschlussvertreter. Aber auch in den übrigen Versicherungszweigen – mit Ausnahme der Transportversicherung – haben nur wenige Vertreter Abschlussvollmacht.
§ 71 VVG: Abschlussvollmacht
Ist der Versicherungsvertreter zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt, ist er auch befugt, die Änderung oder Verlängerung solcher Verträge zu vereinbaren sowie Kündigungs- und Rücktrittserklärungen abzugeben.
Die Reichweite der Vertretungsmacht des Abschlussvertreters ist damit gesetzlich standardisiert. Er ist danach auch bevollmächtigt, Versicherungsverträge zu ändern und zu verlängern, zu kündigen und von ihnen zurückzutreten.
Besonderheiten im Zusammenhang mit der Unabdingbarkeit der gesetzlichen Vertretungsmacht
Zum Schutz des Versicherungsnehmers ist die gesetzlich normierte Empfangs- und Abschlussvertretungsmacht des Versicherungsvertreters durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) grundsätzlich unabdingbar. Der VR könnte deshalb nur im Rahmen von Individualabreden die Vertretungsmacht des Vertreters beschränken. Individualabreden können aber im Massengeschäft mit dem Kunden/VN nicht getroffen werden, d.h. nur durch sorgfältige Auswahl seiner Vertreter hat der VR es in der Hand, sicherzustellen, dass sich sein Vertreter an den ihm vorgegebenen Rahmen seiner vertraglichen Vertretungsbefugnis hält.
§ 72 VVG: Beschränkung der Vertretungsmacht
Eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach den §§69 und 71 zustehenden Vertretungsmacht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist gegenüber dem VN und Dritten unwirksam.
Etwas anderes gilt nur für den Fall der Arglist und der Kollusion (mehrere Personen wirken unerlaubterweise zum Nachteil eines Dritten zusammen), ohne dass es hier einer ausdrücklichen Bestimmung bedarf.
Dritter – neben dem VN – i. S. v. § 72 VVG kann z.B. der Erwerber gemäß § 97 ff. VVG sein. Die Unabdingbarkeit gilt insbesondere für die Empfangsvollmacht vor Vertragsabschluss, denn der Vertreter ist bei der Antragstellung Auge und Ohr des Versicherers. Was dem Vertreter hier mit Bezug auf die Antragstellung vom VN gesagt bzw. vorgelegt wird, ist dem VR gesagt bzw. vorgelegt worden. Dies lässt sich auch nicht durch Vertragsklauseln aushebeln, wonach der Vertreter nur bevollmächtigt sein soll, schriftliche Angaben des Kunden entgegenzunehmen, bzw. mündliche Auskünfte des Kunden nur wirksam würden, wenn der VR sie schriftlich bestätigt. Trägt der VN in einem Rechtsstreit begründet vor, den Vertreter mündlich zutreffend informiert zu haben, so hat der VR zu beweisen, dass dies nicht zutrifft.
Strittig ist allerdings, ob die Empfangsvollmacht für Erklärungen nach Vertragsabschluss nicht durch Schriftformklauseln eingeschränkt werden könnte. Begründet wird dies damit, dass § 32 VVG Schriftformklauseln für Mitteilungen während der Laufzeit des Vertrages ausdrücklich gestattet. Außerdem habe der VR schon aus Gründen der Klarstellung und Beweisführung ein berechtigtes Interesse daran, dass sich der VN nicht auf mündliche Angaben gegenüber dem Vertreter berufen kann, sondern nur auf die Erklärungen gegenüber dem Vertreter, die in Schrift- bzw. Textform zu erfolgen hätten. Allerdings hat der Vertreter den VN auf seine Anzeigepflicht gegenüber dem VR hinzuweisen, z.B. bei einer mündlichen Anzeige eines Versicherungsfalles gegenüber dem Vertreter. Dazu ist er schon in seiner Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe des Versicherers verpflichtet.
Beispiel: Auszug aus den AVB für die Kraftfahrtversicherung
Alle Anzeigen und Erklärungen des Versicherungsnehmers sind schriftlich abzugeben und sollen an die im Versicherungsschein als zuständig bezeichnete Stelle gerichtet werden. Ein Vermittler ist nur dann bevollmächtigt, Anzeigen und Erklärungen des Versicherungsnehmers entgegenzunehmen, wenn er den Versicherungsvertrag vermittelt hat oder laufend betreut.
Unstrittig ist die Wirksamkeit von Schriftformklauseln, wonach bestimmte Willenserklärungen oder Anzeigen des Versicherungsnehmers gegenüber dem VR, z. B. die Änderung eines Bezugsrechts oder die Anzeige einer Abtretung, der Schriftform bedürfen.
Übersicht
Der Versicherungsvertreter | Der Abschlussvertreter |
hat nach § 69 WG folgende gesetzliche Vollmachten | hat nach § 71 VVG zusätzlich folgende gesetzliche Vollmachten |
Anträge, die auf den Abschluss eines Versicherungsvertrages gerichtet sind, und deren Widerruf sowie die vor Vertragsschluss abzugebenden Anzeigen und sonstigen Erklärungen vom VN entgegennehmen | Versicherungsverträge abschließen bzw. Deckungszusagen erteilen Änderungen von Versicherungsbeiträgen oder deren Verlängerung vereinbaren |
Anträge auf Verlängerung oder Änderung eines Versicherungsbeitrages und deren Widerruf, die Kündigung, den Rücktritt und sonstige das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen sowie die während der Dauer des Versicherungsverhältnisse zu erstattenden Anzeigen vom VN entgegenzunehmen | Kündigungs- und Rücktrittserklärungen abgeben |
Versicherungsscheine dem VN übermitteln Beiträge annehmen, die der VN im Zusammenhang mit der Vermittlung/ Abschluss eines Versicherungsbeitrages an ihn leistet. *) | Nur mit besonderer Vollmacht ist er befugt Schäden zu regulieren Versicherungsschutz anzuerkennen oder abzulehnen |
*) Eine Beschränkung dieser Vollmacht muss der VN nur gegen sich gelten lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme der Zahlung kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. |
Kenntnis gefahrenerheblicher Umstände (Wissenzurechnung)
In einzelnen Regelungen des WG geht es nicht darum, ob dem VR eine Erklärung des Kunden/VN zugegangen ist, sondern darum, ob der VR von einem bestimmten Umstand auf irgendeine Weise Kenntnis erlangt hat.
Beispiel:
Der Versicherungsvertreter Müller des Versicherers A hat Herrn Bertram beim Abschluss einer Wohngebäudeversicherung beraten. Als der Vertreter einige Monate später durch Zufall das Haus des Bertram sieht, stellt er fest, dass das Wohngebäude ein Lagerhaus für Feuerwerkskörper geworden ist. Der VR A hat jetzt Kenntnis über die Gefahrenerhöhung erlangt.
Anmerkung: Der VR hat nach den Bestimmungen des VVG ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der VN eine Gefahrenerhöhung vornimmt. Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der VR von der Gefahrenerhöhung Kenntnis erlangt hat.
Allgemein gilt der Grundsatz: Soweit es auf die Kenntnis oder das Kennen müssen bestimmter Umstände ankommt, entscheidet die Person des Vertreters und nicht die des Vertretenen.
§ 72 VVG: Kenntnis des Versicherungsvertreters
Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis des Versicherers erheblich ist, steht die Kenntnis des Vertreters der Kenntnis des Versicherers gleich. Dies gilt nicht für die Kenntnis des Versicherungsvertreters, die er außerhalb seiner Tätigkeit als Vertreter und ohne Zusammenhang mit dem betreffenden Versicherungsvertrag erlangt hat.
Im Versicherungsrecht ist grundsätzlich die Kenntnis eines Vermittlungs- oder Abschlussvertreters (z.B. über eine Gefahrenerhöhung) mit der Kenntnis des Versicherers gleichzusetzen, allerdings mit der Einschränkung, dass sich die Kenntnis auf die von ihm betreuten Versicherungsverträge bezieht und nicht auf privat Wissen – außerhalb seiner Vertretertätigkeit – und ohne Zusammenhang mit dem betreffenden Versicherungsvertrag. Wenn daher im o. a. Beispiel der Vertreter Müller für VR A zwar Versicherungsverträge vermittelt, den Gebäudeversicherungsvertrag mit dem VN Müller aber weder vermittelt hat noch diesen betreut (bestandsfremder Vertrag), so ist das vom Vertreter privat erworbene Wissen (hier: Kenntnis von der Gefahrenerhöhung) nicht dem VR A zuzurechnen.
Haftung des Versicherers für Vertretertätigkeit
a) Rechtsscheinhaftung (Anscheinsvollmacht)
Versicherungsvertreter ist grundsätzlich derjenige, dem vom VR eine Vollmacht ausdrücklich oder konkludent eingeräumt worden ist. Ist dies nicht der Fall, besteht dennoch eine Haftung des Versicherers, wenn er den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, und zwar durch ein zurechenbares
– Tun, z.B. Bereitstellung eines irreführenden Firmenschildes oder
– Unterlassen, z.B. Nichteinschreiten gegenüber eigenmächtigen Titelführen.
Beispiel:
Ein Versicherungsvertreter führt die Bezeichnung Geschäftsführer und erklärt u. a. im Zusammenhang mit einer beantragten Vertragsänderung, dem VN könne nichts passieren, denn er sei versichert.
Darin sah der BGH eine den VR bindende Zusage der vorläufigen Deckung im Zusammenhang mit der beantragten Änderung des Vertrages. Eine Haftung des Versicherers besteht allerdings nur, wenn der VN in Unkenntnis der wahren Rechtslage auf den Rechtsschein vertrauen durfte.
b) Gewohnheitsrechtliche Haftung des VR aus der Vertrauensstellung des Vertreters
Gibt der Vermittlungs- bzw. Abschlussvertreter Aufklärung über den Umfang oder den Beginn des Versicherungsschutzes oder über sonstige vertragswesentliche Punkte (z.B. über die Höhe des Rückkaufwertes in der Lebensversicherung), so darf der VN auf die Richtigkeit der Auskünfte vertrauen. Schließlich war der Vertreter auch damit betraut, den VN über den Inhalt der AVB zu belehren. Folglich muss der VR auch für die Erklärungen – aber auch für die pflichtwidrigen Unterlassungen – des Vertreters einstehen.
Durch eine Schriftformklausel, wonach mündliche Nebenabreden mit dem Vertreter unverbindlich sind, kann diese Haftung nicht abbedungen werden.
Beispiel:
Nach Besichtigung sämtlicher Räume eines Hauses bestätigt der Vertreter dem VN, dass er schon umfassenden Versicherungsschutz habe, obwohl das Anlagenrisiko eines 10 000 Liter Öltanks noch nicht versichert ist. Der VR muss sich u. U. hier so behandeln lassen, als sei eine Gewässerschaden- Haftpflichtversicherung wirksam abgeschlossen worden.
Auch der Neukunde genießt diesen Vertrauensschutz, wie der folgende Fall zeigt, über den das OLG Koblenz zu entscheiden hatte: Wünscht der Kunde gegenüber dem Vertreter, der ihn abzuwerben versucht, einen Versicherungsschutz wie er ihn bisher bei seinem alten VR hatte und ermittelt der Vertreter diesen Umfang dann nicht hinreichend mit der Folge, dass der Kunde bei dem neuen VR einen weniger weitreichenden Versicherungsschutz erhält, so haftet der neue VR auf Schadenersatz, d.h. er muss grundsätzlich Deckung gewähren, wenn ein Ereignis eintritt, das nach dem alten Vertrag versichert gewesen wäre, nach dem neuen aber nicht versichert ist (Haftungsgrundlage: Haftung für ein Verschulden – hier des Erfüllungsgehilfen – bei Vertragsanbahnung). Der Vertrauensschutz entfällt aber immer dann, wenn der klare Wortlaut der AVB die Mangelhaftigkeit der Erklärungen des Vertreters erkennen lässt und der VN damit den entstandenen Irrtum in erheblichem Maße selbst verschuldet hat.
c) Arglistige Täuschung
Hat der Vertreter den VN arglistig mit einer falschen Auskunft getäuscht und ist daraufhin der Versicherungsvertrag zustande gekommen, so kann der VN den Versicherungsvertrag anfechten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der VR die Täuschung kannte oder kennen musste, denn der Vertreter ist nicht Dritter i.S. der Anfechtungsvorschriften, sodass die Rechtslage hier so anzusehen ist, als habe der VR selbst die Täuschung verübt.
Haftung des Versicherungsvertreters
Bei Beratungsfehlern und sonstigem Fehlverhalten des Vertreters kommt auch eine persönliche Haftung des Vertreters in Betracht.
a) Haftung gemäß Gesetz
Eine Haftung und damit ein Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegenüber dem Vertreter als Versicherungsvermittler ist dann gegeben, wenn der Vertreter seine Beratungs- und Dokumentationspflichten gemäß § 61 WG verletzt hat. Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsvermittler den Nachweis dafür erbringt, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Adressat dieser Haftung/Schadensersatzpflicht ist natürlich in erster Linie der Makler als Versicherungsvermittler, der sich keinen ausreichenden Marktüberblick gem. § 60 WG verschafft hat und deswegen einen für den VN nach der Marktsituation objektiv ungünstigen oder ungeeigneten Versicherungsvertrag empfiehlt.
Aber auch ein Vertreter, der zwar nicht auf der Grundlage des § 60 VVG beraten muss, ist einer Haftung dann ausgesetzt, wenn er unrichtige Angaben über die berücksichtigten VR macht und dem VN durch Abschluss eines für ihn ungünstigen Versicherungsvertrags ein Schaden entsteht. Hinzu kommt, dass in einem Schadenersatzprozess, den der VN künftig gegen den Vertreter betreiben sollte, ein Verstoß des Vertreters gegen die Dokumentationspflichten zu erheblichen Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des VN führen wird.
b) Haftung gemäß Rechtsprechung
Eine Eigenhaftung des Vertreters ist aber auch nach der Rechtsprechung gegeben. Diese setzt allerdings voraus, dass der Vertreter
• an dem vermittelten Geschäftsabschluss ein besonderes wirtschaftliches Interesse hatte (das Povisionsinteresse allein reicht hier aber nicht aus) und
• in einem ganz besonderen persönlichen Vertrauensverhältnis zum Kunden stand.
Beispiel:
Der VN A will seinen Hausrat zum vollen Wert (Neuwert) gegen Feuer, ED, LW und Sturm/Hagel versichern. Der Vertreter B, mit dem A befreundet ist, veranlasst ihn, nur 80 % des Wertes zu versichern, weil B meint, das sei im Hinblick auf künftige Kleinschäden auch genug. Als es wenig später zu einem Totalschaden kommt, erleidet A wegen der bestehenden Unterversicherung einen Vermögensschaden.
Unabhängig von einer persönlichen Haftung des Vertreters wird der geschädigte Kunde i. d. R. direkt vom VR Schadenersatz verlangen. Der VR wird dann aber den Vertreter in Regress nehmen, wenn der Schaden auf einem grob fahrlässigen Verhalten des Vertreters beruht.
Die Mitwirkung des Versicherungsvertreters bei der Ausfüllung des Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages befreit den VN allerdings nicht von seiner Pflicht, die an ihn gestellten Fragen in eigener Verantwortung – gemäß § 19 WG – wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten.
Exkurs: Maklerhaftung
Die gewohnheitsrechtliche Haftung des VR für Erklärungen seines Vertreters finden für Erklärungen des Maklers keine Anwendung. Den Makler trifft also ein weitaus höheres Haftungsrisiko gegenüber dem Kunden als den Vertreter. Das hohe Haftungsrisiko ergibt sich aber vor allem aus der Sachwalter Tätigkeit des Versicherungsmaklers, der Verpflichtung zum best. advice (Beschaffung optimalen Versicherungsschutzes). Das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlungsrechts sieht deshalb auch den Abschluss einer Berufs-Haftpflichtversicherung vor. Die näheren Regelungen hierzu finden sich in § 34 d (2) Nr. 3 GewO und §§ 8 ff. VersVerm V. Die Berufsverbände haben den Nachweis einer solchen Versicherung von ihren Mitgliedern auch schon vor der gesetzlichen Regelung gefordert.