a)Wesen der vorvertraglichen Anzeigepflicht
Der VN ist verpflichtet
•nach WG: die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der VR in Textform gefragt hat,
•nach VVG a. F.: alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind (als erheblich gelten die Antragsfragen),
anzuzeigen.
Der VN ist nicht zu Nachforschungen und Erkundigungen verpflichtet, denn die Anzeigepflicht erstreckt sich nur auf alle ihm bekannten Umstände.
Der VR kann sich aber später – im Versicherungsfall – nicht auf eine Verletzung der Anzeigepflicht berufen, wenn er trotz offensichtlich unvollständiger, widersprüchlicher oder inkorrekter Angaben des VN bei Antragsstellung eine eingehende Risikoprüfung unterlassen und den Vertrag geschlossen hatte.
Ist der VN nicht zugleich auch der Versicherte, so hat auch der Versicherte die vorvertragliche Anzeigepflicht zu erfüllen. Weil häufig nur ihm die gefahrenerheblichen Umstände bekannt sind, hat in der Regel auch er neben dem VN – den Antrag – z. B. in der Lebens-, Kranken- und Unfallversicherung zu unterschreiben.
Für den Fall der Vertragsschließung durch Dritte, die den VN vertreten, wird der Schutz des VR durch die Vorschriften des WG erweitert, wonach auch die Kenntnis des Vertretenen (VN) in Betracht kommt.
Die vorvertragliche Anzeigepflicht ist für die Risikoprüfung von Bedeutung; denn davon hängt ab,
•ob der VR das Risiko übernehmen will oder übernehmen kann,
•wie hoch der Beitrag ist und
•welche Bedingungen und Klauseln zugrunde gelegt werden müssen.
Um das Risiko nach den vorstehend genannten Merkmalen prüfen zu können, enthalten die Anträge, je nach Sparte bzw. Branche, entsprechende Fragen, z. B. die Fragen zu den zu versichernden Personen in dem Antragsformular für eine Unfallversicherung.
b)Erfüllungszeitpunkt für die vorvertragliche Anzeigepflicht
Der Wortlaut des WG verpflichtet den Antragsteller zur Anzeige bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung (das ist in der Regel die Antragstellung). Stellt der VR nach Abgabe der Vertragserklärung des VN, aber vor Vertragsannahme, weitere Fragen zu den für ihn bedeutenden Gefahrumständen, ist der VN auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.
Nach WG a. F. war die vorvertragliche Anzeigepflicht bei Schließung des Vertrages zu erfüllen. In der Regel stellte der VN zunächst einen Antrag, nach dessen Bearbeitung es unter normalen Umständen zu einem Vertragsabschluss (Annahme durch den VR) kam. Durch den Wortlaut des WG a. F. war der VN bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu der vorvertraglichen Anzeigepflicht verpflichtet. Erfuhr beispielsweise der Antragsteller zu einer Lebensversicherung zwischen Antragstellung und Antragsannahme von einer Erkrankung, musste er diese noch anzeigen.
Ausfüllen des Antrages durch den Vermittlungsagenten
Füllt der Vermittlungsagent den Antrag aus, dann gilt Folgendes:
•Wenn es sich um Individualtatsachen (Fragen, die nur aus dem besonderen eigenen Wissen zu beantworten sind, wie z.B. Vorerkrankungen) handelt, die der VN anzuzeigen hat, dann handelt er grundsätzlich fahrlässig, wenn er den Antrag blanco unterschreibt und ihn dem Agenten zur Ausfüllung überlässt, ohne sich von der richtigen Beantwortung der einzelnen Fragen zu überzeugen.
Wenn allerdings der Agent eigenmächtig und ohne die erforderlichen Rückfragen ausfüllt und der VN anschließend den Antrag ohne Durchlesen unterzeichnet, so sind die Fragen nicht nur nicht ausdrücklich und schriftlich gestellt worden, sondern dem VN überhaupt gar nicht zur Kenntnis gelangt. Deshalb hat der VN hier seine Auskunftspflicht nicht verletzt.
Das Gleiche gilt, wenn der VN zwar Kenntnis von den Antragsfragen erlangt hat, der Agent aber dann durch einschränkende Bemerkungen zu den Fragen verschleiert, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist.
•Handelt es sich um Wahrnehmungstatsachen, z.B. ob es sich bei dem zu versichernden Betrieb um einen landwirtschafltichen oder gewerblichen Betrieb handelt, so kann sich der VN immer darauf verlassen, dass der Agent die Antragsfragen ordnungsgemäß ausgefüllt und die Fragen richtig beantwortet hat.
Alles, was dem Agenten – als Auge und Ohr des Versicherers – bekannt geworden ist, wird dem VR als eigenes Wissen zu gerechnet, sodass insoweit auch die Anzeigenobliegenheit des VN ordnungsgemäß erfüllt ist.