Das Wissen um die eigenen Ansprüche bleibt so lange Theorie, wie man sie nicht am richtigen Ort geltend macht. Die erste Frage lautet also: Welches ist meine Versicherung?
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Der wichtigste Versicherer im Bereich Unfall ist die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva). Suva-versichert sind vor allem Handwerks- und Produktionsbetriebe, während Dienstleistungs- und Bürobetriebe bei den anderen Unfallversicherern angeschlossen sind.
Tipp: Ist ein Unfall passiert, hat es meist wenig Sinn, selbst an die Unfall-versicherung zu gelangen. Wenden Sie sich stattdessen an die Personalabteilung Ihrer Firma. Dort wird man alles Nötige für Sie in die Wege leiten.
Sind Sie selbständig erwerbend, sind Sie für die Unfallmeldung selbst verantwortlich. Der Police Ihres Unfallversicherers sind die nötigen Formulare meist beigefügt. Viele Versicherer haben inzwischen auch ein Online-System für Unfallmeldungen. Da können Sie auf der Website das Formular anwählen, es am PC ausfüllen und elektronisch absenden. Wenn Sie einen Versicherungsbroker haben, können Sie sich an ihn wenden. Er wird die Unfallmeldung für Sie an den zuständigen Versicherer senden. Verschiedene Selbständige haben ihre Taggeld- und Erwerbsunfähigkeitspolicen im Baukastenprinzip bei verschiedenen Gesellschaften abgeschlossen. Dann müssen sie für jeden Versicherer einer separaten Unfallmeldung ausfüllen.
Tipps:
• Haben Sie Ihrem Versicherer den Unfall gemeldet und erhalten Sie in den nächsten drei Wochen keine Antwort oder Eingangsbestätigung, empfiehlt sich eine telefonische Nachfrage. Es kann vorkommen, dass die Meldung auf der Post oder in der Verwaltung grösser Versicherungsgesellschaften verloren geht.
• Warten Sie nicht zu lange mit der Unfallmeldung. Sonst droht die Gefahr einer Leistungskürzung: Das Gesetz Sicht Kürzungen um die Hälfte vor, wenn ein Unfall nicht innerhalb von drei Monaten gemeldet wird. Diese Kürzung entfällt, wenn die versicherte Person (oder im Todesfall ihre Hinterbliebenen) entschuldbare Gründe für die verspätete Meldung Vorbringen kann. Um Schwierigkeiten zu vermeiden, sollten Sie aber jeden Unfall rasch melden – auch beim Arbeitgeber.
Case Management: Fluch oder Segen?
Nicht bei jedem Unfall kommt ein Case Manager zum Einsatz, ganz im Gegenteil. Werden Sie mit einem Case Manager konfrontiert, wurde Ihr Unfall vom Versicherer als Spezialfall bewertet, der mit besonderer Sorgfalt geführt werden muss. Weshalb das?
Die Versicherungsstatistiken zeigen ein erstaunliches Phänomen: Eine kleine Zahl von Unfällen verursacht sehr hohe Kosten. Die Hälfte aller Versicherungsleistungen werden für weniger als ein Prozent aller Unfälle ausgerichtet; die andere Hälfte der Leistungen teilen sich über 99 Prozent der Verunfallten, in den letzten Jahren wurden deshalb Konzepte erarbeitet, um diejenigen Fälle frühzeitig zu erfassen, die möglicherweise sehr teuer werden können. Das sind vor allem schwerere Unfälle junger Menschen, aber auch bestimmte Arten von Verletzungen, beispielsweise das Schleudertrauma. In solchen Fällen wird ein Gase Manager beigezogen. Er soll die Situation der verunfallten Person umfassend beurteilen und nach Lösungen suchen, die für diesen konkreten Fall Hilfe versprechen. Beispielsweise wird der Arbeitsplatz ergonomisch optimiert, damit eine Reintegration in den Arbeitsprozess möglich ist. Meist sind solche Gase Manager psychologisch ausgebildet; bei Bedarf arbeiten sie mit anderen Spezialisten zusammen (Ärztin, Berufsberater, Therapeutin). Für die Kosten kommt natürlich der Versicherer auf. Die meisten Krankenkassen und auch die Suva beschäftigen eigene Gase Manager. Andere Versicherer ziehen externe Firmen bei. Wie aber sieht die Bilanz aus? Bringt das Gase Management den Geschädigten etwas, nützt es nur den Versicherungen – oder allenfalls keinem von beiden?
Beispiel: Synthia B., Geschäftsstellenleiterin einer Hilfsorganisation, wird auf dem Weg zur Arbeit schuldlos in eine Frontalkollision verwickelt. Ihr Auto ist total demoliert, sie selbst kommt mit leichteren äußeren Verletzungen davon. Trotz Schmerzen im Hals- und Brustwirbelbereich und einer ärztlichen Diagnose auf Schleudertrauma kehrt Frau B. nach einigen Tagen an den Arbeitsplatz zurück. Dort muss sie bald einsehen, dass es trotz allem guten Willen nicht geht. Immer wieder muss sie frühzeitig nach Hause oder kann am Morgen gar nicht erst zur Arbeit gehen. Durchschlafen kann sie seit dem Unfall auch nicht mehr. Frau B. ist einem Zusammenbruch nahe. Da schlägt der Haftpflichtversicherer der Unfallverursacherin vor, eine unabhängige Gase Managerin zu beauftragen. Synthia B. ist einverstanden. Die Case Managerin besucht sie zu Hause und am Arbeitsplatz, analysiert ihre persönliche und berufliche Situation und stellt fest, dass sie sich über-fordert. ln längeren Gesprächen hilft die Case Managerin Frau B., das Unfallereignis zu akzeptieren und sich Zeit für die Heilung einzuräumen. Auch lässt sich der Arbeitsplatz ergonomisch und organisatorisch optimieren. Das hat Erfolg: Mit Geduld und den richtigen Therapien ist Synthia B. anderthalb Jahre nach dem Unfall wieder in der Lage, ihre frühere Aufgabe voll zu meistern.
Im Idealfall führt ein gut durchgeführtes Gase Management für das Unfallopfer und den Versicherer zu einem Gewinn. Der Vorteil für den Geschädigten: Hr. hat in der Gase Managerin eine einzige Ansprechpartnerin, an die er sich mit all seinen Fragen wenden kann und die für ihn Therapien, Leistungen und alles andere koordiniert. Auch die psychologische Betreuung in der belastenden Situation einer längeren Arbeitsunfähigkeit ist hilfreich. Läuft alles richtig, führt die Unterstützung dazu, dass das Unfallopfer schneller wieder gesund wird. Das wiederum hat für den Versicherer die beabsichtigte Folge, dass er im FndeHekt weniger Leistungen erbringen muss. Nur ist bekanntlich alle Theorie grau und in der Praxis führt Case Management nicht immer zum Erfolg. Einige Einsätze haben einen positiven Effekt, andere verpuffen wirkungslos. Nach einem gewissen Anfangselan vor einigen Jahren scheinen auch die Versicherer etwas ernüchtert zu sein. Case Management wird heute eher zurückhaltend eingesetzt.
Hinweis: Keine Angst vor Case Management! Das Ziel ist es, Sie zu unterstutzen. Der Versicherer kann Ihnen die Case Managerin aber nicht aufzwingen, wenn Sie der Ansicht sind, Sie kämen ganz gut allein zurecht. Sie haben das Recht, ein Case Management abzulehnen. Auch können Sie ein begonnenes Programm jederzeit wieder abbrechen.
Verfügung: Die Versicherung hat entschieden
Wenn eine Unfallmeldung ergeht, klärt der Versicherer als Erstes ab, ob die Voraussetzungen für Leistungen gegeben sind. Oft ist beispielsweise nicht ganz klar, ob bestimmte gesundheitliche Einschränkungen auf den Unfall zurückzuführen sind. Zwar gilt nicht gerade der Grundsatz im Zweifels fall für den Versicherten, aber das Gesetz sieht doch eine Erleichterung vor: Der Versicherer darf nicht einen strikten Beweis verlangen. Es reicht, wenn der Zusammenhang zwischen Unfall und Beeinträchtigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bewiesen ist. Bestätigen die Ärzte aber bloß, dass die heutigen Beschwerden möglicherweise auf den Unfall zurückzuführen seien, reicht das für den Anspruch auf Untat Leistungen nicht aus. Es ist also von entscheidender Bedeutung, dass den Ärzten, die die medizinischen Beurteilungen vornehmen, solche spitzfindigen Unterschiede bekannt sind.
Beispiel: Die 63-jährige Petra S. wurde vor drei Jahren auf dem Fußgänger- Streifen angefahren. Sie musste an der linken Hüfte operiert werden und konnte sich drei Monate lang nur mit Gehstöcken fortbewegen. Die Schmerzen ist sie nie ganz losgeworden. Freunde und Bekannte sagen auch immer wieder, dass sie auf der linken Seite etwas hinke. Eine neue Röntgenaufnahme zeigt nun in der linken Hüfte Anzeichen einer beginnenden Arthrose. Frau T. meldet sich bei der Unfallversicherung und verlangt Kostengutsprache für zusätzliche Abklärungen, Therapien und allenfalls das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks. Die Versicherung verweigert die Kostengutsprache: Laut Vertrauensarzt handle es sich um eine in diesem Alter normale Abnützungserscheinung. Ein Zusammenhang zwischen der beginnenden Arthrose und dem Unfall sei deshalb höchstens möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich.
Zum Glück kennt Frau T.s Arzt die rechtlichen Folgen der Unterscheidung zwischen möglich und überwiegend wahrscheinlich. In einem Bericht widerspricht er der Ansicht des Versicherungsarztes: Die Patientin habe vor dem Unfall keine Anzeichen einer Arthrose gehabt. Dass diese nun bereits drei Jahre nach dem Unfall aufträten, sei für eine normale Degeneration ungewöhnlich. Zudem liege der Zustand der linken Hüfte deutlich unter dem Altersdurchschnitt und sei auch deutlich schlechter als derjenige der rechten Seite. Die Arthrose sei deshalb vorzeitig eingetreten, der Kausalzusammenhang zum Unfall überwiegend wahrscheinlich. Nach längerem Hin und Her einigen sich Petra S. und die Versicherung schließlich darauf, ein Gutachten bei einem neutralen Spezialarzt einzuholen.
Hat sie genügend Angaben, entscheidet die Versicherungsgesellschaft, ob Leistungen zugesprochen werden oder nicht. Sie kann aber nicht einfach schalten und walten, wie es ihr beliebt. Als Teil der Sozialeres
Beispiel einer Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Verfügung kann innert 30 Tagen seit ihrem Empfang Einsprache erhoben werden. Die Einsprache ist schriftlich mit einer kurzen Begründung oder durch persönliche Vorsprache bei der folgenden Stelle einzureichen:
Suva, Abteilung Einsprachen
Fluhmattstrasse 1
6002 Luzern
Schweiz
Scherung muss sie sich an bestimmte Verfahrensregeln halten. Das gilt nicht nur für die Suva, sondern auch für die privaten Versicherer, die UVG-Versicherungen anbieten .Ihre Entscheide müssen die Unfallversicherer in einer Verfügung mitteilen; ein bloßer Brief genügt nicht. Eine solche Verfügung erlassen die Versicherer insbesondere dann, wenn Meinungsverschiedenheiten mit dem Versicherten über Art und Höhe der Leistungen bestehen oder wenn über Taggelder, Renten und Integritätsentschädigungen entschieden wild. Die Mitteilung trägt den Titel Verfügung und teilt mit, welche Leistung zugesprochen oder verweigert wird. In eine Verfügung gehört zudem eine kurze Begründung des Entscheids und eine Rechtsmittelbelehrung. Darin wird der Versicherte aufgeklärt, welche Art Rechtsmittel er ergreifen kann, wo er das Rechtsmittel einlegen und welche Listen er einhalten muss (siehe Kasten).