► Magisches Viereck
Die Bemühungen des Staates, alle Ziele in einen wirtschaftspolitischen Zustand harmonischer Verträglichkeit zu bringen, verlangen von der deutschen Regierung ein gleichsam zauberisches (magisches) Geschick. Besonders die im Stabilitätsgesetz genannten Ziele nach Stabilität des Preisniveaus, hohem Beschäftigungsstand, außenwirtschaftlichem Gleichgewicht und Wirtschaftswachstum stellt man deswegen auch gern im magischen Viereck der Wirtschaftspolitik zusammen.
Die Darstellung im Bild ist zum magischen Sechseck erweitert, weil die Zielsetzungen für eine lebenswerte Umwelt sowie eine sozialverträgliche Einkommens- und Vermögensverteilung als gleichgewichtige und gleichberechtigte Ziele der Wirtschaftspolitik einzuschließen sind.
► Häufig auftretende Zielkonflikte – Magisches Viereck
Für die Wirtschaftspolitik können sich also Zielkonflikte ergeben. Von einem Zielkonflikt wird gesprochen, wenn die Verfolgung eines Zieles die Erreichung eines oder mehrerer anderer wirtschaftspolitischer Ziele gefährdet.
Besonders schwerwiegende Zielkonflikte können sich ergeben aus den gleichzeitigen Forderungen nach
✓ Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität,
✓ Wirtschaftswachstum und lebenswerter Umwelt,
✓ Preisniveaustabilität und Wirtschaftswachstum,
✓ Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum.
► Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität – Magisches Viereck
Bei Hochkonjunktur und damit verbundener Vollbeschäftigung gibt es praktisch keine Arbeitslosen, wohl aber offene Stellen. Auf dem Arbeitsmarkt besteht zwar Nachfrage, das Angebot ist jedoch ausgeschöpft. Die Gewerkschaften als Vertreter des Produktionsfaktors Arbeit haben bei Tarifverhandlungen eine starke Position. Sie können die Aufnahme größerer Lohnsteigerungen in die Lohntarife durchsetzen. Die höheren Löhne führen zu Kostendruck und Nachfragesog. Damit setzen sie die Lohn-Preis- Spirale in Bewegung, d. h., die Löhne treiben die Preise, die Preise wiederum die Löhne in die Höhe. Zwischen den beiden wirtschaftspolitischen Zielen Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität besteht also eine grundsätzliche Konfliktsituation.
► Wirtschaftswachstum und lebenswerte Umwelt – Magisches Viereck
Wirtschaftswachstum im herkömmlichen Sinne bedeutet, dass das reale Bruttoinlands-produkt einer Volkswirtschaft innerhalb eines Jahres zunimmt. Es ist die Voraussetzung dafür, dass sich der Lebensstandard in der Gesellschaft erhöht. Wachstum lässt sich dabei erzielen durch
• Erhöhung der bisher produzierten Mengen,
• Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte und Produktionsverfahren.
Die Steigerung der bisherigen Produktionsmengen in den Industrieländern führt dazu, dass Rohstoff- und Energiequellen ausgebeutet werden. Viele Produkte und Produktionsverfahren, insbesondere auch in den Entwicklungsländern, führen zu einer überproportionalen Zunahme der Schadstoffbelastung in der Umwelt, zur Verminderung des lebensnotwendigen Waldes, zur Erosion der Böden und Einengung bzw. Zerstörung der tierischen und pflanzlichen Lebensräume. Gleichzeitig wachsen die Probleme bei der Entsorgung ausgedienter Produkte und Produktionsanlagen. Diese Konsequenzen eines stetig zunehmenden Wachstums gehen in erster Linie zulasten der nachfolgenden Generationen (unserer Kinder).
Die Natur kann verbrauchte Rohstoffe nicht kurzfristig nachliefern. Entstandene Schäden führen zu dauerhaften und teilweise irreparablen Schäden an und in der Natur. Die Lebensgrundlage für Mensch, Tier und Pflanze ist zumindest gefährdet.
Zwischen den beiden Zielen (quantitatives) Wirtschaftswachstum und lebenswerte Umwelt besteht somit ein Zielkonflikt. Wachstum kann aber auch in eine andere Richtung zielen. Es können Produkte und Produktionsverfahren entwickelt werden, die die Schadstoffemissionen vermindern, bestenfalls sogar beenden und den Rohstoffverbrauch einschränken. In diesem Fall kann qualitatives Wirtschaftswachstum mit dem Ziel der lebenswerten Umwelt in Einklang gebracht werden (Zielharmonie).
► Preisniveaustabilität und Wirtschaftswachstum – Magisches Viereck
Stabile Preise fördern die Investitionsbereitschaft der Unternehmungen und auch der privaten und öffentlichen Haushalte. Man kann sicher kalkulieren und erhält für sein Geld auch die entsprechenden Güter. Sparen bringt keinen Inflationsverlust, sondern Zinsgewinn. Langfristige Anlageprojekte können geplant werden. Optimismus belebt die Konjunktur, das Nettonationaleinkommen steigt. Es entsteht Wirtschaftswachstum. Die beiden wirtschaftspolitischen Ziele stehen bis zum Erreichen der Vollbeschäftigung in keinem Gegensatz zueinander.
Ein Zielkonflikt zwischen Preisniveaustabilität und Wirtschaftswachstum entsteht dann, wenn
• Sich die Beschäftigung hin zur Überbeschäftigung entwickelt und durch die Lohn- Preis-Spirale die Preisniveaustabilität gefährdet wird,
• Übergroße Preissteigerungen für importierte Rohstoffe die Investitionsneigung verringern und damit zur Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen,
• Die erforderlichen Umweltschutzinvestitionen (Reinigungs-, Entsorgungs- und Wiederaufbereitungsanlagen) die Preise für die Güter bestimmter Industrien in wettbewerbsfeindliche Höhen treiben.
Das Wirtschaftswachstum steht hier also in Konkurrenz mit der Preisniveaustabilität.
► Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum
Vollbeschäftigung ist vornehmlich in Zeiten kräftigen Wirtschaftswachstums möglich. Steigendes Wirtschaftswachstum zieht die Erhöhung des Beschäftigungsstandes mit sich. Beide Zielgrößen sind also auf proportionalem Wege miteinander verbunden. Ein Konflikt kann sich ergeben, wenn das Wachstum von rein quantitativer Art ist. Das Mehr an materiellen Gütern und an Einkommen geht zulasten der allgemeinen Lebensqualität durch umweltfeindliche Produktionsanlagen und -verfahren, Kahlschlag der Natur, Vermehrung der Luft-, Erd- und Wasserschadstoffe.
► Harmonische Zielverwirklichung – Magisches Viereck
Dem Stabilitätsgesetz liegt die Forderung zugrunde, Ungleichgewichten und Zielkonflikten entgegenzusteuern und auf eine harmonische Zielverwirklichung (Zielharmonie) hinzuwirken. Von Zielharmonie wird gesprochen, wenn einzelne wirtschaftspolitische Ziele gleichzeitig erreicht werden können. Ein Beispiel für die harmonische Zielverwirklichung ist das gleichzeitige Streben und Erreichen von Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung. Vollbeschäftigung ist nur in Zeiten kräftigen Wirtschaftswachstums möglich. Steigendes Wirtschaftswachstum zieht eine Zunahme des Beschäftigungsstandes mit sich. Beide Zielgrößen sind also miteinander verbunden.