Eine Versicherungsagentur gründen
Ziel:
Die Schülerinnen und Schüler wählen eine Unternehmensform für die Gründung der Versicherungsagentur aus und ermitteln einen geeigneten Standort. Sie bahnen Kundenbeziehungen an und nutzen dabei kommunikationspolitische Instrumente. Sie beurteilen die möglichen vertraglichen Bindungen zu Versicherungsunternehmen als Grundlage ihrer späteren Tätigkeit, dabei unterscheiden sie auch deren Rechtsformen. Die Schülerinnen und Schüler planen die bedarfsgerechte Sachausstattung unter Berücksichtigung ökologischer Erfordernisse. Sie vergleichen Zahlungsbedingungen, Finanzierungsalternativen und beurteilen Möglichkeiten der Kreditsicherung. Sie schließen Kaufverträge ab und reagieren angemessen auf Vertragsstörungen. In der Finanzbuchhaltung dokumentieren sie die Gründung der Agentur.
Schritte in die Selbstständigkeit
Beispiel:
Jonny Hildebrand hat nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung in der Versicherungswirtschaft einige Zeit als Untervertreter in einer Versicherungsagentur und später bei einem Versicherungsmakler gearbeitet. Aufgrund der Erfahrungen, die er bisher sammeln konnte, ist in ihm der Wunsch gewachsen, eine eigene Versicherungsagentur zu betreiben. Gerne würde er eine bestehende Agentur übernehmen und er schaut daher ständig in den Inserats Teil der Fachzeitschriften aber auch nach Angeboten im Internet. Im Internet findet er unter der Bezeichnung Stellenangebot di& Anzeige, auf die er schon lange gewartet hat:
Stellenangebot: Agenturinhaber/in | ||
Referenznummer: | Einsatzland: | Berufsgruppe: |
632k9 | Deutschland | Dienstleistung |
Veröffentlichung: | Einsatzregion: | Vertragsart: |
26. März 20 . . . | Südlicher Schwarzwald | Provisionsbasis |
Branche: | Einsatzort: | Funktion: |
Versicherungen | Großraum Freiburg | Selbstständiger Vertreter |
• Eintrittsdatum | ||
ab sofort | ||
• Firmenbeschreibung | ||
Die Proximus Versicherungs-AG ist ein großer Kompositversicherer in Deutschland. Unser Vertrieb hat seine Kernkompetenz in intelligenten und beratungsintensiven Komplettangeboten rund um den Kunden. | ||
• Stellenbeschreibung | ||
Wir suchen Sie, den Vertriebsprofi, als kompetenten Ansprechpartner für unsere Kunden. Sie sollen eine Agentur übernehmen und weiter ausbauen. Was wir brauchen sind zuverlässige Partner, die zielorientiert und selbstständig arbeiten. | ||
• Wir bieten: | ||
– Attraktive Abschlussprovisionen | ||
– Bestandsbetreuungs-Provision | ||
– Bedarfsgerechte Produkte | ||
– Schulungen und Vertriebsunterstützung | ||
• Kontaktadresse | ||
Proximus Versicherungs-AG | ||
Bezirksdirektion Südwest | ||
Bayernstr. 1 | ||
79100 Freiburg | ||
Hier können Sie sich sofort online bewerben. |
Jonny Hildebrand, der seinen Weg in die Selbstständigkeit schon länger gründlich durchgeplant hat, bewirbt sich sofort online. Schon zwei Tage später hält er eine Einladung zum Vorstellungsgespräch in Händen.
a) Beratung
Jeder, der den Weg in die Selbstständigkeit wählt, sollte sich zunächst beraten lassen; denn Beratung ist Entscheidungshilfe. Informationsdefizite sind eine häufige Ursache für Fehlstarts in die Selbstständigkeit. Kostenlose Beratungen bzw. Informationsmaterial für Existenzgründer bieten insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Kreditinstitute, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Beratungszentren der KfW Mittelstandsbank, Verbände (z. B. der BVK), Beratungsstellen für Existenzgründer und die Agenturen für Arbeit. Ggf. ist auch professionelle Hilfe einzuholen, z.B. bei Rechtsanwälten für Rechtsfragen oder bei Steuerberatern für steuerrechtliche Belange.
b) Unternehmenskonzept
Im Businessplan (Konzept) wird festgelegt, wie man seine Ideen erfolgreich in die Tat umsetzen kann. Ein aussagekräftiges Konzept ist auch Voraussetzung, um potenzielle Geldgeber (z. B. Banken) davon zu überzeugen, dass die Geschäftsideen kreditwürdig sind. Ein Agenturgründer wird insbesondere seine Konkurrenz einschätzen und nach Markt-lücken sowie besseren Vertriebsstrategien suchen müssen.
c) Wege zum eigenen Unternehmen
Für die Gründung einer Versicherungsagentur kommen grundsätzlich folgende Wege in Frage:
• Neugründung
Der Markt muss erst noch erobert und die Position im Markt gefestigt werden. Kundenbeziehungen und ein guter Ruf sind unter Umständen mühsam aufzubauen. Den damit verbundenen Risiken steht aber die Chance gegenüber, den Betrieb nach eigenen Vorstellungen völlig neu am Markt zu installieren.
• Kleingründung
Unter Kleingründungen fasst man derzeit Existenzgründungen mit einem Investitionsvolumen von max. 60000,00 € und einer Kreditaufnahme von nicht mehr als 5 000,00 €. Sie bietet in der Regel nur dem Gründer selbst einen Arbeitsplatz. Häufig ist sie als Nebenerwerbsgründung (z.B. nebenberuflicher Vertreter) anzutreffen.
• Teamgründung
Viele Vorteile sprechen dafür, die Agentur mit einem Partner zu gründen. Fehlendes Know-how wird ergänzt, Verantwortung und Risiken werden geteilt, die Eigenkapitalbasis wird erweitert, die Kreditbonität wird wegen der größeren Sicherheit höher bewertet. Die Verantwortungs- und Aufgabenteilung kann aber auch zu Konflikten führen, weshalb es im Vorfeld schon klarer Regelungen bedarf.
• Agenturübernahme
Die Vorteile hegen auf der Hand: Kundenbeziehungen sind aufgebaut, die Agentur ist eingeführt, eine Organisation ist vorhanden. Unter Umständen ist jedoch ein großer Kapitalbedarf erforderlich, um den Kaufpreis finanzieren zu können.
d) Wahl der Rechtsform
Mit der Wahl der Rechtsform sind rechtliche, steuerliche und finanzielle Konsequenzen verbunden. Die infrage kommenden Rechtsformen von Agenturen sind in Abschnitt B 1.3 dargestellt.
e) Kapitalbedarf und Finanzierung
Eine solide Finanzierung ist Grundvoraussetzung für das Gelingen der Unternehmens Gründung gerade in der Anfangsphase. Viele Neugründungen scheitern an einer zu kurzen Kapitaldecke. In der Regel ist nur ein geringes Eigenkapital vorhanden und die Finanzierungskosten werden durch die schmalen Gewinne in der Anfangsphase nicht vollständig erwirtschaftet. Der Gründer muss auch bedenken, dass das Finanzamt mit Steuerforderungen an ihn herantreten kann.
f) Erlaubniserteilung und Registrierungspflicht für Versicherungsvermittler
Beispiel:
Beim Vorstellungsgespräch kommt auch die Erlaubniserteilung und Registrierungspflicht als Versicherungsvermittler zur Sprache. Jonny Hildebrand wird darüber informiert, dass er bei einer Agenturübernahme als gebundener Vermittler (Ausschließlichkeitsvertreter) für die Proximus Versicherungs-AG tätig werden soll. Die Proximus Versicherungs-AG wird seine Registrierung als Versicherungsvermittler bei der zuständigen IHK beantragen und für ihn die uneingeschränkte Haftung aus der Vermittlertätigkeit übernehmen. Eine spezielle Erlaubniserteilung für die Tätigkeit als Versicherungsvermittler ist nach den gesetzlichen Bestimmungen unter diesen Voraussetzungen entbehrlich.
► Vorbetrachtung
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts am 22. Mai 2007 wurde eine Erlaubniserteilung und Registrierungspflicht für Versicherungsvermittler und -berater eingeführt. Das neue Vermittlerrecht ist durch eine Änderung der Gewerbeordnung (GewO), des Versicherungsvertragsgesetzes (WG), des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und einer eigenständigen Versicherungsvermittlerordnung (VersVermV) geregelt worden. Zuvor war der Berufsstand des Versicherungsvermittlers ungeregelt. Für den Beginn der Tätigkeit genügte eine Anzeige bei der zuständigen Gewerbebehörde. Berufszugangsvoraussetzungen fachlicher Art bestanden nicht. Gleichwohl überprüften die VR aufgrund aufsichtsrechtlicher Anordnung die Zuverlässigkeit ihrer Vermittler und setzten für die Zusammenarbeit voraus, dass die Ausbildung als Versicherungsfachmann/-frau nach dem Standard des Berufsbildungswerkes der deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) erfolgreich abgeschlossen wurde.
► Arten von Versicherungsvermittlern
Das Gesetz unterscheidet:
• Ungebundene Vermittler
Hierzu zählen sowohl Versicherungsmakler als auch Versicherungs-vertreter, die für mehrere VR oder für andere Versicherungsvertreter bzw. -makler gewerbsmäßig den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln.
• Produktakzessorische Vermittler
Sie vermitteln Versicherungen als Ergänzung der im Rahmen der Haupttätigkeit gelieferten Waren und Dienstleistungen.
Beispiele:
Vermittlung einer Risiko-Lebensversicherung im Zusammenhang mit einem Darlehen
Vermittlung einer Kraftfahrtversicherung im Zusammenhang mit dem Autokauf
• Gebundene Vermittler
Sie üben ihre Tätigkeit unmittelbar oder mittelbar über einen Versicherungsvermittler ausschließlich im Auftrag eines oder, wenn die Produkte nicht in Konkurrenz stehen, mehrerer im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen aus
• Versicherungsberater
Als Versicherungsberater gilt, wer gewerbsmäßig Dritte über Versicherungen beraten will, ohne vertraglich an ein Versicherungsuntemehmen gebunden zu sein. Versicherungsberater dürfen keine Provision von Versicherungsunternehmen entgegennehmen (Provisionsannahmeverbot).
►Erlaubnisverfahren
Ungebundene Versicherungsvermittler und Versicherungsberater benötigen eine Erlaubnis gemäß § 34 d bzw. § 34 e GewO. Die Erlaubnis muss vorab zusammen mit der Registrierung bei der zuständigen IHK (Bezirk des Betriebssitzes) beantragt werden. Dabei ist anzugeben, ob die Erlaubnis als Versicherungsvertreter oder -makler oder -berater beantragt wird, da die IHK den Erlaubnisbescheid entsprechend ausstellt.
Bei der Antragstellung sind nachzuweisen:
• Persönliche Zuverlässigkeit
Der Nachweis erfolgt u. a. durch:
– ein polizeiliches Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde,
– Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt.
An der persönlichen Zuverlässigkeit fehlt es, wenn in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens, eines Vergehens oder wegen Diebstahls, Erpressung, Betrug, Untreue, Unterschlagung, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wucher, Insolvenzstraftat erfolgte.
• Geordnete Vermögensverhältnisse
Sie sind regelmäßig gegeben, wenn über das Vermögen kein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und keine Eintragung in dem vom Insolvenzgericht zu führenden Verzeichnis (Insolvenz mangels Masse) oder in der Schuldnerliste nach § 915 ZPO (Eidesstattliche Versicherung oder Haftanordnung) besteht.
• Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
Diese muss bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungs-unternehmen abgeschlossen werden und für das gesamte Gebiet der EU-Mitgliedsstaaten und der Vertragsstaaten, die zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum zählen, gelten. Die Mindest-VS muss nach derzeitigem Stand 1 Mio. € für jeden Versicherungsfall und 1,5 Mio. € für alle Versicherungsfälle eines Jahres betragen.
• Sachkundeprüfung
Durch eine vor der IHK abzulegenden Sachkundeprüfung muss der zukünftige Versicherungsvermittler den Nachweis erbringen, dass er über die erforderlichen fachspezifischen Produkt- und Beratungskenntnisse verfügt. Der Nachweis der Sachkunde und eine damit verbundene Befreiung von der Sachkundeprüfung kann auch durch andere gleichgestellte Berufsqualifikationen erbracht werden.
Beispiele:
Abschlusszeugnis als Versicherungskaufmann oder -kauffrau oder Kaufmann oder -frau für Versicherungen und Finanzen. Abschluss als Bank- oder Sparkassenkaufmann oder -frau, wenn zusätzlich eine mindestens zweijährige Berufserfahrung im Bereich Versicherungsvermittlung oder -beratung nachgewiesen wird.
Gebundene Versicherungsvermittler (sog. Ausschließlichkeitsvertreter) benötigen keine gesonderte Erlaubnis durch die IHK, wenn das Versicherungsunternehmen, für das sie ausschließlich tätig werden, die uneingeschränkte Haftung aus der Vermittlertätigkeit übernimmt. Für gebundene Versicherungsvermittler, die keine uneingeschränkte Haftungsfreistellung erhalten oder diese nicht in Anspruch nehmen wollen, gilt das Verfahren für ungebundene Versicherungsvermittler. Produktakzessorische Vermittler können sich unter bestimmten Voraussetzungen von der Erlaubnispflicht befreien lassen. Versicherungsberater bedürfen ebenfalls der Erlaubniserteilung durch die zuständige IHK.
► Registrierung
Registerbehörden sind die Industrie- und Handelskammern, die bei ihrer Dachorganisation, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin ein bundes-weit zentrales Register führen. Für die Registrierung gilt: Ungebundene Versicherungsvermittler, produktakzessorische Vermittler und Versicherungsberater müssen selbst den Antrag auf Registereintragung bei ihrer zuständigen IHK beantragen. Produktakzessorische Vermittler müssen auch dann registriert werden, wenn sie von der Erlaubnispflicht befreit sind. Gebundene Versicherungsvermittler sind ebenfalls registrierungspflichtig. Sie können über eine entsprechende Mitteilung der Versicherungsunternehmen, mit denen sie ausschließlich Zusammenarbeiten, registriert werden.
g) Informationspflichten für Versicherungsvermittler
Der Vermittler muss vor Abschluss des ersten Vertrages mit dem Kunden diesem seinen Namen und Anschrift mitteilen und angeben, ob er als Vermittler (z. B. eine Bank) eine direkte oder indirekte Beteiligung von über 10 % an einem bestimmten VR hält oder umgekehrt. Der Vermittler muss auch mitteilen, in welchem Register er – als Makler oder als Vertreter – eingetragen ist und bei welcher Einrichtung der Kunde ein Schlichtungsverfahren (zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten) anstreben kann bzw. bei welcher Stelle der Kunde sich über den Vermittler beschweren kann.
Hinweis:
Im Zusammenhang mit der Beratung hat der Versicherungsvermittler weitere Beratungs- und Dokumentationspflichten zu erfüllen, die in Band 2, Abschnitt A 3.2, der Buchreihe dargestellt sind.