Rund zwei Prozent der Bundesbürger brauchten vor 1994 regelmäßige tägliche Pflege. 660 000 Menschen leben in Alten- und Pflegeheimen, 1,2 Millionen noch zu Hause oder in der Familie. Ihnen sollte die staatliche Pflegeversicherung helfen – und noch vielen mehr: Nach einer Studie von Infratest ist jeder fünfte Bundesbürger potentiell pflegebedürftig. Die Pflegeversicherung soll finanzielle Hilfe schaffen und vor allem auch die Kommunen entlasten, die über die Sozialhilfe eine steigende Pflegelast zu tragen hatten. Die Pflegeversicherung ist eine Zwangsversicherung. Sie folgt der Krankenversicherung: Wer gesetzlich krankenversichert ist, wird dort pflegeversichert. Die umstrittene Pflegeversicherung wurde in zwei Schritten eingeführt: Ab 1. April 1995 gab es Leistung für die ambulante Betreuung zu Hause, seit 1. Juli 1996 wird auch die stationäre Pflege finanziert.
Leistungen. Die Leistungen richten sich nach der Pflegebedürftigkeit. Es gibt drei Stufen der Pflegebedürftigkeit:
Stufe I: Die Person braucht täglich Hilfe bei mindestens drei Verrichtungen (Körperpflege, Ernährung, Mobilität, darunter Aufstehen, Gehen, An- und Auskleiden).
Stufe II: Der Person muss mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten – Beispiel: morgens, mittags, abends – geholfen werden. Mehrmals in der Woche besteht hauswirtschaftlicher Versorgungsbedarf.
Stufe III: Die Person braucht ständige Versorgung, also rund um die Uhr. Mehrmals in der Woche besteht hauswirtschaftlicher Versorgungsbedarf.
In der häuslichen Pflege erhalten erheblich Pflegebedürftige Sachleistungen bis zu 750 € monatlich, Schwerpflegebedürftige bis zu 1 800 € und Schwerstpflegebedürftige bis zu 2 800 € in besonderen Härtefällen sogar bis zu 3 750 €. Das Pflegegeld beträgt monatlich 400, 800 und 1 300 €. Ist die Pflegeperson verhindert, übernimmt die Pflegekasse einmal jährlich die Kosten für eine Ersatzpflegekraft bis zu 2 800 €. Wer häusliche Pflege leistet, ist nicht nur unfallversichert, die Pflegeversicherung zahlt auch Beiträge zur Rentenversicherung: Je nach Pflegestufe und Umfang der Pflege sind es zwischen 200 und 600 € je Monat. Die Leistungen werden nur auf Antrag gewährt. Seit Juli 1996 übernimmt die Pflegekasse auch einen Teil der Kosten für die stationäre Betreuung in rund 8300 deutschen Alten- und Pflegeheimen. Auch hier gilt eine Stufenregelung, die sich nach der Pflegebedürftigkeit des Patienten richtet: In der niedrigen Stufe I gibt es 2 000, in der Stufe II 2 500 und in der Stufe III 2 800 €. Schwerstpflegebedürftige erhalten zur Vermeidung von Härtefällen ausnahmsweise bis zu 3 300 € im Monat. Das Geld wird aber nur für Pflegeleistungen gezahlt. Alle Kosten für Unterkunft und Verpflegung muss der Heimbewohner selbst zahlen. Dieser Eigenanteil beträgt durchschnittlich rund 1 500 € im Monat. Verlangen die Heime höhere Pflegekosten, muss der Pflegebedürftige ebenfalls in die eigene Tasche greifen. Die Pflegeversicherung bietet also nur eine Grundversorgung.
Beiträge. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen je die Hälfte des Beitrages von 1,7 Prozent. Dies gilt jedoch nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (2 000: 6 450 € pro Monat; im Osten 5 325 €). Dafür wurde den Arbeitnehmern ein Feiertag gestrichen, der stets auf einen Wochentag fällt: In den meisten Bundesländern ist dies der Buß- und Bettag.