Voraussetzungen der Verschuldenshaftung
Die grundlegende Bestimmung der Verschuldenshaftung enthält § 823 Abs. 1 BGB:
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Der Ersatzanspruch eines Geschädigten setzt folgende Tatbestände voraus:
•Der Schädiger hat schuldhaft (vorsätzlich/fahrlässig) gehandelt. Verschulden
setztauch Deliktsfähigkeit voraus.
•Ein geschütztes Rechtsgut wurde verletzt (Personen-/Sachschaden).
•Die schädigende Handlung muss rechtswidrig gewesen sein.
•Die Verletzungshandlung war ursächlich für den Schaden.
Der Geschädigte hat nachzuweisen, dass die Voraussetzungen der Verschuldenshaftung gegeben sind (Beweislast).
Eine umgekehrte Beweislast im Rahmen der Verschuldenshaftung gilt bei der Verletzung von Schutzgesetzen nach § 823 Abs. 2 BGB und der Haftung aus vermutetem Verschulden.
Verschuldensarten
Schadenersatzpflichten wegen unerlaubter Handlung treten nur ein, wenn der Verantwortliche schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt hat.
– Vorsatz
Vorsätzlich handelt,
• wer bewusst und gewollt schädigt (bewusster Vorsatz) bzw.
• wer bei seinem rechtswidrigen Tun oder Unterlassen zumindest irgendeinen
Schaden voraussieht und diesen billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz).
Ein auf dem Hause beschäftigter Dachdecker wirft einen unbrauchbaren Dachziegel vom Dach,
• um seinen Kollegen, mit dem er Streit hat, zu treffen = bewusster Vorsatz (er will
schädigen!).
• obwohl er einen anderen Kollegen auf der Straße sieht. Er hat zwar nicht die
Absicht, ihn zu verletzen, nimmt aber die Möglichkeit seiner Verletzung in Kauf =
bedingter Vorsatz (na, wenn schon!).
– Fahrlässigkeit
• Leichte Fahrlässigkeit
Wer die im Verkehr erforderliche (nicht die übliche) Sorgfalt außer Acht lässt, handelt fahrlässig, weil er das Verhalten eines gewissenhaften Durchschnittsmenschen vermissen lässt.
Manchmal sind auch die Fähigkeiten eines bestimmten Berufsstandes entscheidend. So hat z.B. der Meyer im Rahmen seines Handelsgewerbes eine strengere Sorgfaltspflicht zu beachten als eine beliebige Privatperson.
Beispiel: Fahrlässigkeit (leichte Fahrlässigkeit)
Dem Dachdecker fällt ein Dachziegel aus der Hand, weil er ihn nicht fest genug angefasst hat.
• Grobe Fahrlässigkeit
Wer die im Verkehr erforderliche (nicht die übliche) Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, handelt grob fahrlässig, weil er einfachste, in der gegebenen Situation jedermann ohne weiteres einleuchtende Überlegungen und Sicherheitsvorkehrungen missachtet.
Beispiel:
Grobe Fahrlässigkeit (rücksichtsloses Verhalten)
Der Dachdecker wirft die alten Dachziegel in den Vorgarten des Hauses, ohne den Garten zuvor für diesen Zweck abgesperrt zu haben.
– Bedeutung des Verschuldensgrades im Haftpflichtrecht
Lediglich bei der Festsetzung eines Schmerzensgeldes und in den Fällen des Mitverschuldens des Geschädigten berücksichtigt die Rechtsprechung den Verschuldensgrad. Sonst haben Vorsatz und Fahrlässigkeit im Deliktshaftungsrecht (unerlaubte Handlung) die gleichen Folgen. Der Schädiger haftet, und zwar unbegrenzt (Verschuldenshaftung).
Im Rahmen der Haftung aus Gefälligkeiten und der Vertragshaftung sind im Zusammenhang mit dem Verschuldensgrad gewisse Haftungserleichterungen vorgesehen
Rechtsgutverletzung gemäß § 823 Abs. 1 BGB
Für die Anwendung der o. a. Vorschrift ist ferner erforderlich, dass ein Persönlichkeitsrecht (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit), das Eigentumsrecht oder ein sonstiges Recht von der Schädigung betroffen ist. Man bezeichnet diese Rechte als absolute Rechte.
a) Verletzung von Persönlichkeitsrechten Beispiele:
• Tötung eines Menschen bei einem Verkehrsunfall (Leben)
• Verletzung eines Menschen (Körper, Gesundheit)
• Fesseln, Einsperren, Bewachen durch bissigen Hund (Freiheit)
Darüber hinaus wurde durch die Rechtsprechung in Anlehnung an die Verfassungsgrundsätze der Menschenwürde und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein Allgemeines Persönlichkeitsrecht herausgebildet.
Bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich im Wesentlichen um Ehrverletzungen (z.B. Verwendung der Fotografie einer Sängerin für Zahnprothesen) bzw. um ein unbefugtes Eindringen in die Privatsphäre (heimliche Bild- oder Tonaufzeichnungen). Soweit durch derartige Handlungen Vermögensschäden hervorgerufen werden, besteht u.U. auch für diese ein Schadenersatzanspruch in Geld. Daneben kann auch ein angemessenes Schmerzensgeld verlangt werden
b) Verletzung des Eigentumsrechts
Das Eigentumsrecht kann
• durch Beschädigung, Zerstörung, Eigentumsentzug (z. B. Veräußerung durch den
Nichteigentümer) oder
• durch eine sonstige Störung des Sachgebrauchs/Beeinträchtigung der
Nutzungsfähigkeit (z.B. Belästigung durch einen benachbarten Gewerbebetrieb, Luft
aus dem Reifen lassen) verletzt werden.
c) Verletzung von sonstigen Rechten
Dazu zählen neben dem Namensrecht (Diplom, Wappen, Firma) auch das Besitz-, Patent- und Urheberrecht.
Schließlich hat die Rechtsprechung als sonstiges Recht das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anerkannt. Verletzt wird dieses Recht durch einen unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff (z.B. Versperren der freien Zufahrt zum Betrieb durch Falschparken oder durch Demonstration/wilden Streik).
Das Vermögen einer Person als solches ist kein sonstiges Recht. Fällt beispielsweise in einem Betrieb der Strom aus, weil ein Bagger bei Straßenarbeiten das Hauptstromkabel durchtrennt hat, entsteht ein Schaden durch Produktionsausfall. Nach dem BGB würde es sich um einen reinen Vermögensschaden handeln, denn der Betrieb hat keinen Sachschaden erlitten, und es wurde auch nicht unmittelbar und betriebsbezogen in das Recht am Gewerbebetrieb eingegriffen.
– Vermögensschäden sind nur dann nach § 823 Abs. 1 BGB ersatzpflichtig, wenn sie sich als unmittelbare Folge der Verletzung eines absoluten Rechtsgutes ergeben (Vermögensfolgeschäden).
Rechtswidrigkeit der Handlung
Entscheidend für die Schadenersatzpflicht aus einer unerlaubten Handlung ist auch, dass der Schädiger den Schaden widerrechtlich verursacht hat. Grundsätzlich ist jede Schädigung eines anderen widerrechtlich.
Ausnahmen (Rechtfertigungsgründe):
– Einwilligung des Verletzten (Rechtsprechung)
Beispiel: Ärztlicher Eingriff
Ein Patient unterzieht sich einer Magenoperation. Der Arzt hat ihn aber zuvor über die typischen Gefahren des Eingriffs ausreichend aufgeklärt, weil die Einwilligungserklärung auf zutreffenden Vorstellungen des Patienten beruhen muss.
Beispiel: Sportverletzungen
Der Fußballspieler oder Boxer begibt sich freiwillig in Gefahr. Er hat deshalb auch mögliche Folgen selbst zu tragen, soweit nicht ein schwerwiegender Regelverstoß (vorsätzliches oder grob fahrlässiges Foul des Dritten) vorliegt.
Handeln im Interesse eines Dritten (Geschäftsführung ohne Auftrag)
Wer z.B. das Türschloss zur Nachbarwohnung aufbricht, weil dort ein Wasserrohr geplatzt ist und der Nachbar sich in Urlaub befindet, muss das Türschloss nicht ersetzen.
– Notwehr
Das ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren.
– Verteidigungsnotstand
Eine fremde Sache wird beschädigt oder zerstört, weil von ihr eine drohende Gefahr ausgeht.
Beispiel:
Wehrt ein Radfahrer einen Hund durch Fußtritt ab, der ihn kläffend angreift, so handelt der Radfahrer nicht rechtswidrig. Wird der Hund dabei verletzt, ist der Radfahrer nicht schadenersatzpflichtig.
Der Hund wird in diesem Zusammenhang als Sache behandelt.
Trotz aller Rechtfertigungsgründe muss grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleiben. Beim Angriff eines kleinen Hundes, der mit einem Fußtritt abgewehrt werden könnte, wäre der Einsatz einer Schusswaffe beispielsweise unverhältnismäßig (Notwehrexzess).
Abgrenzung
Angriffsnotstand hegt vor, wenn auf eine Sache zugegriffen wurde, von der selbst keine Gefahr ausgeht, die aber zur Abwehr einer Gefahr benötigt wird.
Reißt jemand z. B. eine Latte von einem Zaun, um einen Hund abzuwehren, so hat der Betreffende nicht rechtswidrig gehandelt. Dennoch ist er gegenüber dem Eigentümer des Zaunes schadenersatzpflichtig, zwar nicht nach § 823 BGB, wohl aber nach § 904 BGB.
– Selbsthilfe
Hierzu gehört auch die Vereitelung eines Fluchtversuchs (z.B. des Zechprellers) mit Schadenfolge. Selbsthilfe ist allerdings nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein Anspruch sonst nicht mehr durchgesetzt werden könnte.
Besonderheit: Zurechenbare Handlung
Eine Person kann ein absolutes Recht eines anderen durch eine Handlung verletzen.
Wird jemand bei einem Streit durch einen unerwarteten Stoß derart gegen eine Schaufensterscheibe gestoßen, dass diese bricht, so hat nicht er bewusst und damit zurechenbar gehandelt, sondern derjenige, der ihn gestoßen hat.
Als zurechenbare (schadenersatzpflichtige) Handlung kommt aber nicht nur ein aktives Tun des Schädigers in Betracht. Auch Nichtstun (Unterlassen) kann Schaden verursachen und zum Schadenersatz verpflichten, wenn jemand ein an sich gebotenes Handeln zur Schadenabwendung unterlässt.
Wer Freunde zu einer Gartenparty eingeladen hat, kann u. U. aus diesem vorangegangenen Tun gehalten sein, sie am anschließenden Autofahren unter Alkoholeinfluss zu hindern.
Ursächlichkeit der Handlung für eingetretene Schäden
Voraussetzung des Schadenersatzanspruchs ist weiter, dass zwischen dem Haftungsgrund (z.B. Handlung des Schädigers) und dem entstandenen Schaden ein ursächlicher (kausaler) Zusammenhang besteht.
Die Voraussetzung der Ursächlichkeit besteht im Übrigen für das gesamte Haftpflichtrecht.
Beispiele:
1. Wegen mangelhafter Instandhaltung löst sich von einem Balkon eines Gebäudes
ein Geländerprofil (Einwirkung einer Sache). Der Fußgänger B blickt nach oben,
erkennt die Gefahr und springt vor Schreck auf die Straße. Er gerät unter ein Auto
und wird schwer verletzt (Folgeschaden).
2. Weil sein Pkw von X beschädigt wurde, fährt Y mit der Bahn und wird bei einem
Zugunglück schwer verletzt (Folgeschaden).
– Kausalität
Sowohl in Beispiel 1 als auch in Beispiel 2 besteht zwischen dem Schaden und der Schadenursache ein ursächlicher Zusammenhang. Das eine hätte sich ohne das andere nicht ereignet (naturwissenschaftliche Kausalität).
– Adäquate Kausalität
Trotzdem besteht wohl nur im Beispiel 1 eine Schadenersatzpflicht des Schädigers, da im Zivilrecht nur für adäquat verursachte Schäden gehaftet wird (juristische Kausalität).
Viele Fußgänger würden beim Herabfallen von Gebäudeteilen, ohne sich umzuschauen, erschreckt auf die Fahrbahn ausweichen. Dieser Zusammenhang liegt innerhalb der Lebenserfahrung; er ist adäquat-ursächlich.
Nach der juristischen Kausalität ist ein ursächlicher Zusammenhang nur gegeben, wenn die vom Schädiger vollzogene Handlung nach der allgemeinen Lebenserfahrung generell geeignet war, den infrage stehenden Schaden herbeizuführen (adäquate Kausalität).
Besonders eigenartige und nach der Lebenserfahrung ganz unwahrscheinliche Umstände bleiben außer Betracht.
Im Beispiel 2 dürfte die Schadenfolge außerhalb aller Lebenserfahrung hegen.
Wenn jemand mit einem Zug statt mit einem Auto ein Ziel zu erreichen versucht, so ist es nach menschlichem Ermessen oder dem gewöhnlichen Lauf der Dinge keine mögliche Folge, dass er dann ausgerechnet mit dem Zug verunglückt.
Deliktsfähigkeit
Verschulden setzt Deliktsfähigkeit (= Schuldfähigkeit) voraus. Erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres haftet grundsätzlich jeder für seine Handlungen.
– Deliktsunfähigkeit
Generell deliktsunfähig, also nicht schadenersatzpflichtig, sind Kinder unter 7 Jahren. Das Gleiche gilt für Geisteskranke und Bewusstlose, aber nicht, wenn der Zustand durch Alkohol/Drogen verschuldet herbeigeführt wurde.
Beispiel:
A wird bewusstlos, stürzt auf die Fahrbahn und zwingt einen Autofahrer zum Ausweichen. Der stößt mit einem entgegenkommenden Pkw zusammen.
A ist hier genauso wenig schadenersatzpflichtig wie ein noch nicht 7-jähriges Kind, vorausgesetzt, die Bewusstlosigkeit ist hier nicht auf (selbst verschuldete) Trunkenheit zurückzuführen, andernfalls wäre A in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele.
– Bedingte Deliktsfähigkeit
Bedingt deliktsfähig sind Minderjährige vom 7. bis zum 18. Lebensjahr, d.h., der Minderjährige haftet nur dann für einen angerichteten Schaden, wenn er bei Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Die Frage der erforderlichen Einsicht muss allerdings im Einzelfall geprüft werden, wobei individuelle Beurteilung und Erfahrungssätze zugrunde gelegt werden.
Zwei Minderjährige (8 und 15 Jahre) verbrannten in der Nähe eines Sägewerks in einem selbst angelegten Feuer herumliegende Baumrinden. Bevor der 15-jährige die Feuerstelle später verließ, der 8-jährige war inzwischen nach Hause gegangen, trat er das Feuer aus, das jedoch weiterglomm. Ein Windstoß entfachte einen folgenschweren Brand. Es kam zu einem Schaden von mehreren hunderttausend Euro, da das Sägewerk total niederbrannte. Der Feuer-VR entschädigte und verlangte von den Minderjährigen Ersatz.
Ob hier der 8-Jährige das Einsichtsvermögen in sein fehlerhaftes Verhalten besaß, ist fraglich. Bei normaler geistiger Entwicklung ist das aber auch in diesem Alter durchaus zu bejahen. Dagegen wusste der 15-Jährige – altersbedingt mit seiner höheren Verstandesreife – zweifellos von der Gefährlichkeit seines Tuns. Er hat auch mögliche schlimme Folgen erkannt, schließlich hat er versucht, das Feuer auszutreten. Es wird also kaum mangelnde Einsichtsfähigkeit unterstellt werden können. Der Minderjährige haftet deshalb in voller Höhe (unbegrenzte Verschuldenshaftung). Besitzt er keine Vermögenswerte und ist er nicht haftpflichtversichert (über die Eltern), so ist der Schadenersatz aus künftigen Verdienst- und Vermögenswerten zu erbringen.
Das Beispiel zeigt, dass die unbegrenzte Haftung zu einer Existenzvernichtung des Minderjährigen führen kann. Das OLG Celle sah sich deshalb in einem ähnlichen Fall, in dem keine Haftpflichtversicherung schützte, der Geschädigte aber feuerversichert war, dazu veranlasst, eine Haftung des Minderjährigen dann als zu hart zu erachten, wenn dem Minderjährigen lediglich leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Ein Erwachsener könnte sich schließlich gegen Haftpflicht versichern, Minderjährigen fehlten die Mittel und die Einsicht dazu. Da das BGB in § 828 (2) eine solche Differenzierung nicht vorsieht, steht es nach Ansicht des OLG im Widerspruch zu wesentlichen Grundrechten. Deshalb wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen.
– Heraufsetzen der Deliktsfähigkeit für Kinderunfälle im Straßen- und Bahnverkehr
Kinder sind erst ab dem vollendeten 10. Lebensjahr für Schäden verantwortlich, die sie bei der Teilnahme am motorisierten Straßen- und Bahnverkehr verursachen. Hier gilt auch für die Sieben- bis Zehnjährigen ein grundsätzlicher Ausschluss der Eigenhaftung und des Mitverschuldens, soweit sie nicht vorsätzlich gehandelt haben.
Damit wird neueren Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie Rechnung getragen, nach denen Kinder frühestens ab Vollendung des 10. Lebensjahres imstande sind, die besonderen Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen oder sich den Erkenntnissen entsprechend zu verhalten, insbesondere weil die Fähigkeit zur richtigen Einschätzung von Entfernungen und Geschwindigkeiten fehlt sowie kindliche Eigenheiten einem verkehrsgerechten Verhalten entgegenstehen.
Vorsatztaten sind aber bewusst in der Haftung belassen worden, weil sie nichts damit zu tun haben, dass das Kind im Straßenverkehr überfordert sein könnte. Deshalb ist der Neunjährige, der z. B. von einer Autobahnbrücke Steine auf fahrende Autos wirft, nicht Opfer eines altersbedingten Defizits bei der Teilnahme am Straßenverkehr.
– Billigkeitshaftung
Hat ein nicht Deliktsfähiger eine unerlaubte Handlung begangen, so haftet er u. U. auf Schadenersatz aus Billigkeit. Voraussetzung ist.
• dass der Geschädigte keinen Ersatzanspruch gegen einen aufsichtspflichtigen
Dritten hat und
• dass dem Schadenstifter nicht die Mittel entzogen werden, deren er zu seinem
angemessenen Unterhalt bedarf.
Verletzt ein 5-jähriges vermögendes Kind beim Spielen ein anderes Kind so schwer, dass dieses Kind einseitig erblindet, so muss der Fünfjährige aus seinem Vermögen eine Entschädigung leisten, wenn kein Ersatz von einem aufsichtspflichtigen Dritten erlangt werden kann und das verletzte Kind selbst mittellos ist.
Vermögen bedeutet hier nicht: Vermögen der Eltern; auch eine bestehende Haftpflichtversicherung ist nicht entscheidend für den Anspruch an sich, höchstens für die Frage der Bewertung der Anspruchshöhe.
Exkurs: Abgrenzung der Deliktsfähigkeit von der Straffähigkeit
Die Deliktsfähigkeit befasst sich nur mit den zivilrechtlichen Folgen einer Schädigung (Wiedergutmachung des Schadens z. B. durch Geldersatz). Die Bestrafung für die widerrechtliche Handlung ist dagegen eine Frage der Straffähigkeit. Strafrechtliche Folgen sind z. B. Freiheitsstrafe/Geldbuße.
• Straffähigkeit setzt das 18. Lebensjahr voraus.
• Bedingt straffähig ist, wer zur Tatzeit über 14 Jahre, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.
Der bedingt Straffähige ist dann strafrechtlich verantwortlich und wird nach dem
Jugendstrafrecht bestraft, wenn er fähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen.
• Strafunfähig ist, wer zur Tatzeit noch keine 14 Jahre alt war.
Eine fahrlässige Sachbeschädigung, wie im obigen Beispiel des total abgebrannten Sägewerks, ist jedoch generell nicht strafbar.