Rechtzeitig vor der Urlaubssaison gehen die deutschen Versicherer regelmäßig mit ihrem Schutzbrief-Service in die Offensive. Es geht gegen den ADAC, der den Schutzbrief-Markt dominiert. Zwar sind die Leistungen von ADAC und der Versicherungswirtschaft in der sogenannten Verkehrs-Service-Versicherung weitgehend identisch, für viele Autofahrer jedoch gilt der ADAC als führend in punkto Service und konkrete Hilfe. Gerade die organisatorische Hilfe erspart dem Versicherten im Schadenfall viel Ärger: Eine Not-rufzentrale kann Pannenhilfsdienste oder Abschleppunternehmen nennen und direkt eine Reparaturwerkstatt oder ein Mietwagenunternehmen ausfindig machen. Vorwahl 0180, und dann siebenmal die 2, so wird in der Münchener ADAC-Zentrale schlicht für den Notrufdienst geworben. Seit 25 Jahren sei hier nicht mehr das Licht ausgegangen, wird versichert: 60 Mitarbeiter arbeiten im Dreischichtendienst rund um die Uhr. Hinzu kämen noch die von 6 bis 20 Uhr besetzten Fachtelefone für konkrete Sonderdienste wie den Ersatzteilversand und die 19 Notrufstationen im Ausland. Eine so einprägsame Rufnummer kann der größte private Konkurrent des ADAC, die Münchener D.A.S. Deutscher Automobil Schutz Allgemeine Rechtsschutz-Versicherungs-AG mit seiner 089/22 14 11 nicht vorweisen. Doch der Service ist ähnlich: 30 Mitarbeiter wechseln sich rund um die Uhr ab. Jedes Jahr erhalten sie 80 000 Anrufe. Zusätzlich gibt es 10 Anlaufstellen im Ausland. Erfunden haben den Schutzbrief die Automobilclubs, als in den fünfziger Jahren die Devisenbewirtschaftung in der Bundesrepublik mit Rationierung viele Auto-Urlauber im Ausland dazu zwang, ihre reparaturbedürftigen Wagen nicht im Ausland reparieren zu lassen, sondern wieder zurückzutransportieren. Seit 1958 ist er auf dem Markt. Die privaten Versicherer bieten erst seit 1978 Schutzbriefe an – als Rache am ADAC. Denn der größte deutsche Automobilclub mit mehr als 11 Millionen Mitgliedern hatte jahrelang Rechtsschutzversicherungen für den D.A.S. vermittelt und war dann selbst in dieses einträgliche Geschäft eingestiegen.
Die Versicherer zogen vor Gericht mit dem Argument, dass diese Leistung nicht zur normalen Dienstleistung eines Automobilclubs gehöre. Als das Gericht dem nicht zustimmte, kopierten die Versicherer den Schutzbrief. Um dem Service des ADAC Paroli zu bieten, hat die Schutzbrief- Branche eine Reihe von Assistance-Töchtern gegründet. Dieses Wort aus dem Französischen bedeutet Hilfestellung. Assistance ist keine Versicherung mehr mit bloßer Kostenerstattung, sondern will dem Kunden in einer Notlage unmittelbar helfen. Dies gechieht durch den Aufbau einer rund um die Uhr besetzten Not- rufzentrale, verbunden mit einem internationalen Netz von Partnerunternehmen. Dort soll der Kunde in Not Hilfe bekommen. Ob der Kunde einen Schutzbrief kaufen soll, entscheidet der mögliche Schaden: Wer nicht ins Ausland fährt, kann getrost darauf verzichten. Wer dagegen viel fährt oder regelmäßig ins Ausland reist, sollte einen Schutzbrief vor allem dann abschließen, wenn er mit der ganzen Familie fährt, ein altes Auto hat und die fremde Sprache nicht beherrscht. Inzwischen bieten Autoversicherer abgespeckte Schutzbriefe (zumeist nur für fahrzeugbezogene Leistungen) als Bestandteil der Kfz-Haftpflicht- bzw. Kaskoversicherung an. Die sind meist sehr preisgünstig (oft unter 20 €); da sollte jeder zugreifen. Geholfen wird nicht nur bei Panne und Unfall; bei Bedarf wird auch der Autorücktransport organisiert, ein Mietwagen bezahlt und der Ersatzteilversand in die Wege geleitet. Zudem werden einige personenbezogene Leistungen übernommen, darunter Übernachtungskosten, Krankenrücktransport, Rückholung von Kindern sowie Hilfe im Todesfall. Alle Leistungen der neuen Schutzbrief-Extras in der Autoversicherung gelten für Reisen mit dem versicherten Auto, unabhängig davon, ob es sich um eine Privat- oder Dienstreise handelt und ob es den Privat- oder Firmenwagen trifft. Der Zweitwagen der Familie bräuchte jedoch eine eigene Police. Allerdings steckt der Teufel wie so oft im Detail des Kleingedruckten.
Denn der Begriff Reise wird unterschiedlich ausgelegt: Zwar wird Pannen- und Unfallhilfe, Abschleppen und gegebenenfalls Bergung des Autos praktisch überall gewährt, doch alle anderen Leistungen wie Krankenrücktransport gelten nicht am Zulassungsort der Versicherung, also auch nicht am Wohn- oder Arbeitsort des Versicherten. Einige Versicherer springen nur ein, wenn das Malheur mindestens 50 Kilometer entfernt vom Wohnort passiert. Aufgepasst: Wenn im kleinen Schutzbrief Krankheit oder schwerer Unfall im Ausland nicht mitversichert sind, brauchen Sie unbedingt eine Auslandsreise-Krankenversicherung. Wichtig ist auch der Vergleich der Leistungen. Neben den Standardleistungen bieten fast alle Versicherer unterschiedliche Extras an:
– Bei Fahrzeugausfall wird auch ein Flugticket bezahlt.
– Die Erstattungen für Übernachtungen und Ersatzfahrer sind höher.
– Mallorca-Police: Die Police ergänzt die im Ausland oft sehr niedrigen Haftpflichtsummen, wenn dort ein Wagen gemietet wird. Als selbständige Police kostet der Schutz 30 bis 40 €. Seit 1998 ist die Mallorca-Police Teil der meisten Auto-Haftpflichtversicherungen – in aller Regel sogar kostenlos.
Die meisten Schutzbriefe können für ein Jahr oder mehrere, kombiniert oder getrennt für In- und Ausland, abgeschlossen werden. Außerdem gibt es Kurzzeitverträge, zum Beispiel für nur einen Monat. Eindeutiger Marktführer ist der ADAC mit einem Marktanteil von 60 Prozent; jedes dritte ADAC-Mitglied kauft auch den Schutzbrief. Unter den privaten Versicherern ist die D.A.S. der größte Anbieter. Dahinter folgen Roland Schutzbrief Versicherung, Arag, Allianz und HUK-Coburg. Die Preise der Anbieter für den großen Schutzbrief liegen zwischen 80 und 200 €. Günstig sind für alle Autos der Familie ACE (kostet samt Mitgliedsbeitrag 87 €), Alte Leipziger (84,90 €), Agrippina (95 €) und Concordia (98,10 €). Der ADAC verlangt für seinen inhaltlich hochwertigen Euro-Schutzbrief 139 € Jahresbeitrag. Kurzlaufende Briefe lohnen nicht, es sei denn, bei sehr günstigen Versicherern: Sie kosten zwischen 20 und 66 €. Wichtig: Der Schutzbrief gehört ins Handschuhfach. Denn der Versicherte braucht die Service-Telefonnummer und die Versicherungsschein-Nummer.