Die Rahmenbedingungen zur Pflegeversicherung
Am 1. Januar 1995 wurde die letzte große Lücke in der sozialen Versorgung geschlossen: Seither gibt es die Pflegeversicherung. Sie wird im Rahmen einer sozialen Pflegeversicherung als eigenständiger Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung und im Rahmen einer privaten Pflegepflichtversicherung als 5. Säule bezeichnet. Damit haben die Bürger einen Versicherungsschutz bei Pflegebedürftigkeit erhalten, den es vorher nicht gab. Zuvor kümmerten sich um die Finanzierung der Pflege von älteren und bedürftigen Menschen fast ausschließlich die Angehörigen.
Die Einführung dieses Schutzes erhöhte allerdings auch die Abgabelast für die gesamte Gesellschaft, vor allem für den Faktor Arbeit, wie man nun sagt. Dabei gilt der Grundsatz: Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, gehört der sozialen Pflegeversicherung an. Wer in einer privaten Krankenversicherung mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert ist, muss seitdem eine private Pflegeversicherung abschließen. Die soziale Pflegeversicherung schützt auch die Rentner vor dem Risiko der Pflegebedürftigkeit. Versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung sind alle Rentner, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig oder freiwillig versichert sind.
Der Beitrag zur Pflegeversicherung bestimmt sich nach einem Prozentsatz der Rente, beispielsweise für das Jahr 2003 betrug dieser 1,7 Prozent. Die Rentner, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit und Pflege Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, zahlen auch Beiträge, die direkt von der Rente einbehalten werden. Rentner, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, müssen den Beitrag zur Pflegeversicherung selbst zahlen. Zu diesem Beitrag erhalten sie aber vom Rentenversicherungsträger einen Zuschuss. Er ist so hoch wie der Beitragsanteil bei einem versicherungspflichtigen Rentner. Das Gleiche gilt für die Rentner, die bei einem privaten Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit abzuschließen haben.
Die Alterung der Gesellschaft und ihre Folgen
Die Anzahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden zwanzig Jahren von zwei auf über vier Millionen Menschen steigen, wie die Bevölkerungsstatistiken zeigen. Die Zahl der Kinder wird aber kontinuierlich sinken. Daran lasst auch kaum noch etwas ändern, denn die Kinder, die Eltern hätten werden können, sind in der deutschen Gesellschaft gar nicht erst geboren worden. Das bisherige Umlagesystem für die Absicherung des Pflegerisikos wird daher die Kosten so wie bisher kaum decken können. Laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) steigt die Zahl der zu Pflegenden bis 2010 auf 2,38 Millionen und im Jahr 2050 gar auf 4,73 Millionen. Die Überalterung der Bevölkerung ist aber nur eines der Probleme der Pflegeversicherung. Auch der Trend, immer mehr Menschen im Heim versorgen zu lassen, treibt die Kosten in die Höhe, weil die Pflegeversicherung in diesem Fall einen höheren Satz als für ambulant versorgte Pflegebedürftige zahlt.
Die Kosten laufen davon
Im Jahr 2002 beliefen sich die Einnahmen der Pflegeversicherung auf 16,98 Mrd. Euro, die Ausgaben betrugen 17,36 Mrd. Euro. Zwar verfügte die gesetzliche Pflegeversicherung über eine Rücklage in Höhe von 4,93 Mrd. Euro, diese Finanzreserve sollte jedoch erst ab 2010 langsam aufgebraucht werden. Damit sollten die Probleme der demografischen Entwicklung abgefedert werden. Wegen der Konjunkturkrise sind die Einnahmen der Pflegeversicherung im Jahr 2002 nur um ein Prozent oder 170 Mio. Euro gestiegen. Die Ausgaben hingegen stiegen um 2,9 Prozent oder 490 Mio. Euro. Hauptgrund für den Ausgabenüberschuss ist, dass immer mehr Leistungsempfänger die teureren Sachleistungen in Anspruch nehmen. Allein 2002 sind die Aufwendungen für die stationäre Pflege um 3,2 Prozent hinaufgeklettert. Daher sind gesetzliche Korrekturen an der Einnahmen-, aber auch auf der Leistungsseite der Pflegeversicherung höchst wahrscheinlich. Alle Aussagen in diesem Versicherungsratgeber stehen also unter dem Vorbehalt gesetzlicher Änderungen.
Alte werden überwiegend von Angehörigen gepflegt
Die meisten pflegebedürftigen alten Menschen wurden im Jahr 2001 von ihren Angehörigen allein versorgt. Es zeichnete sich jedoch im Vergleich zu den Vorjahren eine Entwicklung ab, wonach die Angehörigen etwas häufiger die Hilfe professioneller Pflegedienste und Altenheime in Anspruch nahmen. Das geht aus der „Pflegestatistik 2001“ des Bundesamts für Statistik hervor. Ende 2001 waren 2,04 Millionen Menschen pflegebedürftig, gut zwei Drittel von ihnen waren Frauen.
1,44 Millionen Pflegebedürftige – das sind 70 Prozent – wurden 2001 zu Hause versorgt. Von ihnen erhielten laut Statistik eine Million Pflegefälle ausschließlich Pflege-geld, was bedeutet, dass sie in der Regel zu Hause nur von ihren Angehörigen gepflegt wurden. Weitere 435.000 Menschen wurden ebenfalls zu Hause versorgt, allerdings mit Hilfe oder ganz von ambulanten Pflegediensten. Ein knappes Drittel der Pflegebedürftigen (30 Prozent) war in Heimen untergebracht. Die Mehrheit aller Pflegefälle (81 Prozent) war 65 Jahre und älter. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) war sogar 85 Jahre und älter.
Der Vergleich mit 1999 zeigt nach Darstellung der Statistiker einen Trend zur professionellen Pflege in Heimen oder mit Hilfe ambulanter Dienste. In diesen zwei Jahren sei die Zahl der ambulant versorgten Pflegebedürftigen um 4,7 Prozent gestiegen, die der in Heimen Versorgten um 5,4 Prozent. Gleichzeitig nahm die alleinige Pflege in der Familie um 2,6 Prozent ab. Der Anteil der zu Hause Gepflegten ging von 1999 bis 2001 von 71,6 auf 70,4 Prozent zurück.
Mangel an Pflegepersonal durch Berufsausstieg verschärft
Der Mangel an Pflegepersonal wird sich nach einer neuen Studie in den nächsten zehn Jahren europaweit verschärfen. Vor allem der vorzeitige Ausstieg aus dem Pflegeberuf und fehlender Nachwuchs verstärkten das Problem, heißt es in einer Untersuchung, die in Brüssel veröffentlicht wurde. Berücksichtigt wurden Daten aus zehn europäischen Ländern. In Deutschland erwägt danach fast jeder fünfte Beschäftigte im Pflegebereich, den Beruf zu verlassen. Zumeist betreffe dies jüngere und besser qualifizierte Pflegekräfte. Noch höher sei der Ausstiegswunsch in Großbritannien.
Als Hauptgründe für Überlegungen, aus der Pflege auszusteigen, nannten die Befragten in der Bundesrepublik Unvereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Unzufriedenheit mit dem Arbeitsklima. Deutschland schneide im europäischen Vergleich auch bei den Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals eher ungünstig ab, heißt es in der Studie weiter. Von den Befragten äußerten sich 40 Prozent unzufrieden, etwa über die Arbeitszeiten.
Große Unterschiede ergaben sich der Studie zufolge hinsichtlich der Attraktivität der Pflegeeinrichtungen. So schwanke der Anteil derjenigen, die den Pflegeberuf verlassen wollen, je nach Einrichtung zwischen 5 und 50 Prozent. Zum Nachwuchs heißt es, immer weniger junge Leute strebten einen Pflegeberuf an.
Für die Studie zur Entwicklung der Pflegeberufe wurden europaweit 40.000 Angehörige von Pflegeberufen aus 585 Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie ambulanten Pflegediensten in zehn europäischen Ländern befragt. In Deutschland nahmen 3.565 Pflegekräfte aus 75 Einrichtungen teil. Im jüngsten Bericht zur sozialen Lage in Europa hatte die EU-Kommission ebenfalls auf Engpässe beim Pflegenach-wuchs hingewiesen. Wegen des sinkenden Angebots an Arbeitskräften sei Pflegepersonal künftig noch stärker gefragt. Erhebliche Engpässe zeichneten sich bei Krankenschwestern ab. In sieben der 15 EU-Staaten seien 40 Prozent der Krankenschwestern über 45 Jahre alt. In fünf weiteren Mitgliedsländern sei schon jede zweite Krankenschwester älter als 45.
Welche Personen in der Pflegeversicherung versichert sind
In der sozialen Pflegeversicherung sind die gesetzlich Krankenversicherten versichert. Darüber hinaus werden bestimmte Personengruppen, die weder gesetzlich noch privat krankenversichert sind und ihre Ansprüche auf Leistungen bei Krankheit aus so genannten Sondersystemen herleiten, in die soziale Pflegevorscherung eingebunden. Es handelt sich im Einzelnen um folgende Personengruppen:
■ Personen mit Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz,
■ Bezieher von Kriegsschadenrente oder vergleichbaren Leistungen,
■ Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Kriegsopferfursorge,
■ Bezieher von laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt und Leistungen der Krankenhilfe im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe,
■ Krankenversorgungsberechtigte nach dem Bundesentschädigungsgesetz,
■ Soldaten auf Zeit.
Privat Krankenversicherte sind verpflichtet, einen privaten Pflegeversicherungsvertrag bei einem privaten Versicherungsunternehmen abzuschließen. Der private Pflegeversicherungsvertrag muss dabei für die Versicherten selbst und deren Angehörige Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung entsprechen.
Private Pflegepflichtversicherung
Die Prämien zur privaten Pflegepflichtversicherung richten sich nicht nach dem Einkommen, sondern sind vom Lebensalter beim Eintritt in die Versicherung abhängig. Die Höchstprämie ist gesetzlich festgelegt. Sie darf nicht höher sein als der Höchstbeitrag in der sozialen Pflegeversicherung. Für Personen, die erst nach dem 1.1.1995 Mitglied eines privaten Krankenversicherungsunternehmens wurden, ist die Prämie auch vom Gesundheitszustand abhängig; die Begrenzung auf die Höchstprämie gilt erst nach einer Vorversicherungszeit von fünf Jahren in der privaten Kranken- oder Pflegeversicherung. Beamte, die im Pflegefall auch Anspruch auf Beihilfeleistungen haben, zahlen nicht mehr als die Hälfte dieses Höchstbetrages. In den neuen Bundesländern gilt entsprechend der dort niedrigeren Beitragsbemessungsgrenze auch ein niedrigerer Höchstbeitrag.
Die Beiträge gelten einheitlich für Männer und Frauen. Für Verheiratete, bei denen nur ein Ehepartner erwerbstätig ist oder ein Ehepartner mit seiner Erwerbstätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet, darf der Beitrag zur privaten Pflegeversicherung nicht mehr als 150 vom Hundert des Höchstbeitrages zur sozialen Pflegeversicherung betragen. Diese Beitragslimitierung gilt allerdings nur, wenn mindestens ein Ehegatte am 1.1.1995 bereits versicherungspflichtig geworden ist. Kinder sind wie in der sozialen Pflegeversicherung beitragsfrei mitversichert.
Familienmitversicherung
Unter den gleichen Voraussetzungen wie in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung für Familienangehörige eine beitragsfreie Familienversicherung. Erhaltenes Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung führt nicht zum Verlust dieser beitragsfreien Familienversicherung, da es beim Gesamteinkommen nicht berücksichtigt wird. Die Familienversicherung besteht auch für die Dauer des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes weiter. Während also der Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für die Zeit der Dienstpflicht ruht, besteht in der sozialen Pflegeversicherung für diese Personen ein Versicherungsschutz. Die private Pflegeversicherung sieht ebenfalls eine beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen vor, aber nur für mitzuversichernde Kinder.
Befreiung von der sozialen Pflegeversicherung
Freiwillig krankenversicherte Personen haben die Wahl, sich für den Fall der Krankheit gesetzlich oder privat zu versichern. Daher soll ihnen auch freigestellt werden, wo sie sich für den Fall der Pflegebedürftigkeit absichern möchten. Sie können sich damit für die soziale Pflegeversicherung oder auch für einen privaten Pflegeversicherungsvertrag entscheiden. Voraussetzung für die Befreiung ist der Nachweis eines gleichwertigen Versicherungsschutzes bei einer privaten Versicherung inklusive für die Angehörigen. Der Antrag auf Befreiung ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung zu stellen.
Zuständige Pflegekasse
Für die Pflegeversicherung ist die Pflegekasse zuständig, bei der die Krankenversicherung besteht. Wählen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung eine andere Krankenkasse, wird auch die andere Pflegekasse zuständig. Personen, die ihre Leistungen aus einer Sonderversorgung, nicht aber über eine Krankenkasse erhalten, können ihre Pflegekasse frei wählen.