a)Inhaltliche Kontrolle der Allgemeinen Versicherungsbedingungen
Kontrolle durch staatliche Versicherungsaufsicht
Die Aufsichtsbehörde hat die Aufgabe, Missstände zu vermeiden, die eine Gefährdung der Versicherteninteressen darstellen. Die AVBen und Klauseln werden deshalb von Fall zu Fall durch das BaFin überprüft (Missbrauchsaufsicht). Die Aufsicht ist allerdings auf Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften beschränkt (Rechtskontrolle), d. h., nur bei Rechtsverstößen (z. B. gegen das WG, die Verbraucherschutzbestimmungen des BGB) kann das BaFin auf eine Änderung hinwirken.
Da eine Vielzahl von Bedingungen am Markt sind, ist Markttransparenz nicht gegeben. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Muster-AVB auf Verbandsebene aufzustellen. Dies hat aber in unverbindlicher Form zu erfolgen. Die Muster-AVB dürfen auch keine Angaben über die Versicherungssummen und Selbstbehalt-Beträge enthalten. Kein VU darf verpflichtet werden, die gemeinsam entwickelten Muster-AVB zu verwenden. Außerdem sollen diese nur eine gemeinsame Grunddeckung (Mindeststandards) sicherstellen, die als Maßstab für Abweichungen dient. Der Kunde ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass abweichende Klauseln (Wahlbausteine) vereinbart werden können; denn ein lebhafter Produkt- bzw. Bedingungswettbewerb – zumindest auf der Ebene von Zusatz-, Besonderen Bedingungen und Klauseln – soll gewährleistet sein.
Schutzvorschriften des BGB
Da dem VN die festgelegten AVB einseitig vom VR (Verwender) auferlegt werden, ohne dass sie zuvor im Einzelnen ausgehandelt wurden, handelt es sich bei den AVB um Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 ff. BGB. Insbesondere gilt:
- Überraschungsklausel
Ungewöhnliche Bestimmungen in den AVB, mit denen der VN insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages nicht zu rechnen braucht, haben keine Gültigkeit.
- Unangemessene Benachteiligung
Bestimmungen in den AVB, die den VN entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, sind unwirksam.
Beispiel:
In den AVB einer Reisekrankenversicherung war geregelt, dass keine Leistungspflicht für solche Krankheiten besteht, die bereits vor Reisebeginn akut behandlungsbedürftig waren. Ein Versicherter, der während der Reise erstmals von der Krankheit erfährt, hätte danach keinen Versicherungsschutz.
Der BGH sah in der beschriebenen Vertragsklausel eine unangemessene Benachteiligung, die gegen das Gebot von Treu und Glauben verstößt, da sie dem Grundgedanken einer Reisekrankenversicherung, bei Reisen im Krankheitsfall versichert zu sein, widerspricht.
- Transparenzgebot und Bestimmtheitsgebot
Die AVB bzw. Klauseln müssen klar und verständlich sein. Die Rechte und Pflichten des VN müssen klar bestimmt sein.
- AVB-Bestimmungen als Vertragsbestandteil
AVB-Bestimmungen werden dann Bestandteil des Versicherungsvertrages, wenn der VN bei Vertragsabschluss auf die AVB ausdrücklich hingewiesen wurde und die Möglichkeit hat, von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und wenn weiter der VN mit der Geltung der AVB für den Versicherungsvertrag einverstanden ist. In der Versicherungspraxis wird diese Voraussetzung in der Weise erfüllt, dass
(1)im Antragsformular auf die AVB hingewiesen wird,
(2)der VN sich mit ihrer Geltung einverstanden erklärt und
(3)die AVB ausgehändigt werden.
Ausnahmeregelungen für Versicherungsverträge
Für Versicherungsverträge gilt nicht das Verbot des Preiserhöhungsvorbehalts, d.h., der vereinbarte Beitrag kann auch schon innerhalb von 4 Monaten nach dem Vertragsabschluss erhöht werden (Beitragsanpassungsklauseln in AVB).
Versicherungsverträge sind auch ausgenommen von der Regelung der maximalen Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen.
b)Inhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)
Der VN soll aus den AVB seine Rechte und Pflichten vollständig ersehen können. Deshalb nennt das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) diejenigen Informationen, die zwingend in den AVB genannt sein müssen. Danach müssen die AVB Bestimmungen aufweisen
- über die Ereignisse, bei deren Eintritt der VR zu einer Leistung verpflichtet ist, und die Fälle, in denen aus besonderen Gründen diese Pflicht ausgeschlossen oder aufgehoben sein soll (z. B. wegen unrichtiger Angaben im Antrag);
- über die Art, den Umfang und die Fälligkeit der Leistung des VR;
- über die Fälligkeit des Beitrages und die Rechtsfolgen eines Verzugs;
- über die vertraglichen Gestaltungsrechte des VN und des VR sowie die Obliegenheiten und Anzeigepflichten vor und nach Eintritt des Versicherungsfalles;
- über den Verlust des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag, wenn die Fristen versäumt werden;
- über die inländischen Gerichtsstände;
- über die Grundsätze und Maßstäbe, wonach die Versicherten an den Überschüssen teilnehmen.
Bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (WaG) und öffentlichen Versicherern können die AVB auch in den Satzungen enthalten sein.
Auf die sog. Großrisiken und die Rückversicherung findet § 10 VAG keine Anwendung. Bei der Rückversicherung sind AVB auch nicht üblich.
In der Kfz-Haftpflichtversicherung ist der Umfang des erforderlichen Versicherungsschutzes speziell durch die Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsordnung von 1994 geregelt.
Rechtsgrundlagen des Versicherungsvertrages Test
- a) Erläutern Sie, wie die Vorschriften des VVG unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit eingeteilt werden können, und nennen Sie je ein Beispiel.
- b) In den Versicherungsbedingungen zu einem Versicherungsvertrag wird gegen eine zwingende VVG-Norm verstoßen. Welche Rechtsfolgen hat das?
- c) Für welche Versicherungszweige sind die VVG-Normen
c1) unanwendbar (mit Begründung),
c2) zwar anwendbar, aber durch entsprechende AVBen abdingbar (mit Begründung)?
2) Neben dem VVG kommen noch andere Rechtsquellen – u. a. die AVB – infrage.
- a) Nennen Sie diese Rechtsquellen, und zwar in der Rangfolge, in der sie im Versicherungsbereich anzuwenden sind.
- b) Erklären Sie, was man unter Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) versteht und welchem Zweck sie dienen.
- c) Nennen Sie fünf Punkte, die in AVB zu regeln sind.
- d) Unter welcher Voraussetzung werden AVB Bestandteil des einzelnen Versicherungsvertrages?
- e) Nehmen Sie zu der folgenden Aussage Stellung: Auch Klauseln stellen rechtlich AVB dar.
- f) Sven Müller möchte folgende Versicherungen abschließen.
– Hausratversicherung mit Einschluss von Fahrraddiebstahl, Überspannungsschäden durch Blitz, Versicherung von Elementarschäden sowie eine separate Glasversicherung
– Kapital-Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung sowie Unfall-Zusatzversicherung
-Privat-Haftpflichtversicherung
Prüfen Sie anhand der Proximus-Versicherungsbedingungen, welche vertraglichen Rechtsgrundlagen den Versicherungen voraussichtlich zugrunde gelegt werden.