Umgang mit Risiken
a) Subjektiver und immaterieller Schaden, die Eintrittswahrscheinlichkeit korreliert mit der Fähigkeit zu angemessener Vorsorge.
Inkaufnahme: Unproblematisch
Vorsorge: Tägliche Inspektion von Kühlschrank und Getränkekeller
Vermeidung: Ausreichende Vorräte anlegen
Verminderung: Einkaufsgemeinschaft mit Nachbarn, kann das Risiko bei schwacher Disziplin aber auch erhöhen
Versicherung: Unsinnig
b)
Inkaufnahme: Bei geringwertigem Hausrat akzeptabel
Vorsorge: Alarmanlage, Sicherungsanlagen an Türen und Fenstern, Safe
Vermeidung: Vollständig nur durch Verzicht auf Hausrat und Wohnung zu erreichen, ansonsten Intensivierung der Verfahren zur Vorsorge
Verminderung: Siehe Vorsorge
Versicherung: Meistens sinnvoll, wenn man sich dagegen
entschieden hat, das Risiko in Kauf zu nehmen
c) Typisches Elementarrisiko, Eintrittswahrscheinlichkeit regional sehr verschieden, Schadenhöhe korreliert vielfach mit Eintrittswahrscheinlichkeit.
Inkaufnahme: Gerade in unterentwickelten Weltgegenden oft einzige Option
Vorsorge: Maßnahmen in der Baustatik, Entwicklung von Frühwarnsystemen
Vermeidung: Individuell durch Wohnsitzwechsel
Verminderung: Siehe Vorsorge
Versicherung: In Risikogebieten sinnvoll, gerade dort aber auch teuer
Schadenverteilung
In derartigen Fällen (viele verschiedene Einzeldaten) ist eine Zusammenfassurig der Daten in Klassen sinnvoll, deren Häufigkeiten tabelliert und zum Beispiel in einem Histogramm dargestellt werden. Bei sehr vielen verschiedenen Daten (ab ~100) kann man die diskrete Schaden Verteilung oft durch eine Dichtefunktion annähern. Die Klasseneinteilung stellt immer einen Kompromiss zwischen Informationsverlust und Übersichtlichkeit dar, möglich ist Beispiels weise dies:
Klassennr. | Schadenhöhe von … bis unter… GE | Anzahl Schadenfälle |
I | 0 – 100 | 3 |
2 | 100 – 200 | 7 |
3 | 200 – 300 | 11 |
4 | 300 – 400 | 5 |
5 | 400 – 500 | 1 |
6 | 500 – 1.000 | 1 |
7 | 1.000 – 1.500 | 2 |
Die Fläche der einzelnen Rechtecke ist proportional zur Anzahl der jeweiligen Repräsentanten, die der Klasse angehören, deshalb ist Klasse 6 zugleich breiter und flacher als Klasse 5 dargestellt. Es zeigt sich die größte Häufung bei Schäden zwischen 200 und 300 GE.
Als Mittelwert eignet sich beispielsweise der arithmetische Mittelwert, der dem Schadenwert entspricht, der bei Einzelschäden identischer Höhe zur gleichen Schadensumme führt wie die gegebene Schadenverteilung. Dies entspricht, auf Basis der Einzelschäden, dem Wert
S = (S1 + S2 + … + Sn) / n = (129 + 1.471 + … + 47) / 30 = 9.540 / 30 = 318.
Infolge der beiden hohen Schadenwerte fällt nicht in Klasse 3, die Klasse mit der größten Zahl an Repräsentanten, sondern ist größer. Der Median, der die Daten in die Hälfte kleinerer und größerer Werte teilt, wäre als Mittelwert weniger geeignet: er berücksichtigt die großen Schäden kaum.
Die Streuung (Standardabweichung) kann laut Histogramm auf eine Größenordnung von etwa 200 GE geschätzt werden, wobei noch ein deutlicher Aufschlag für die hohen Schadenwerte hinzuzurechnen ist. Die formale Berechnung liefert den Wert
Die Verteilung ist unsymmetrisch und, typischen Schaden Verläufen vergleichbar, rechtsschief (linkssteil).
Risikokategorien
Operationelle Risiken:
• Falsche Kontonummer bei der Vertragsdatenerfassung
• Fehlerhafte Buchung von Inkassobeiträgen
• Diebstahl von Hardwarekomponenten
• Fingierte Schadenabrechnung im Innendienst
• Ausfall der Telefonanlage
• Schadhafte Antennenanlage durch Gewittersturm
Versicherungstechnische Risiken:
• Falsche Leistungsbarwertformel (führt zu unzureichend kalkuliertem Risikobeitrag)
• Erhöhte Todesfallrate in der Lebensversicherung durch Grippeepidemie
• Kumulschaden in der Hagelversicherung
• Unzureichende Rückstellungen für die Zahlung von Unfallrenten
• Anhäufung schlechter Risiken in der Kaskoversicherung
Marktrisiken:
• Starker Zinsanstiegam Anleihenmarkt
• Wertverlust von Dollaranleihen durch Kursanstieg des Euro
• Fälligkeit von Hochzinsanlagen in einer Niedrigzinsphase (Wiederanlageproblem)
• Hoher Anteil von Aktienanlagen in südostasiatischen Unternehmen
Kreditrisiken:
• Ausfall einer Unternehmensanleihe infolge Insolvenz des Emittenten
• Rückstufung der Kreditwürdigkeit durch eine Ratingagentur
Liquiditätsrisiken:
• Vorzeitiger Veräußerungsbedarf bei Zinstiteln zur Regulierung eines Großfeuerschadens
• Zu hoher Kassenbestand
Operationelle Risiken
Vorteile:
• Ursachenbezogene Definition
• Positivdefinition durch Festlegung konkreter Risikofelder
• Berücksichtigung der herausragenden Bedeutung von EDV-Aspekten
• Explizite Trennung interner und externer Risikofelder
Nachteile:
• Großer Interpretationsspielraum
• Mangelnde Spezifizierung nach Auswirkungen operationeller Risiken
• Keine explizite Unterscheidung finanzieller und nicht-finanzieller Risikofolgen
• Keine Abgrenzung kalkulatorisch berücksichtigter (erwarteter) Risiken von außerordentlichen Verlusten
Die nachfolgenden Beispiele können infolge unscharfer Abgrenzung der Risikofelder teilweise auch anders zugeordnet werden. Eine fingierte Schadenabrechnung deutet beispielsweise auch auf unzureichende Kontrollprozesse hin. Wichtig ist aber in jedem Fall eine konsistente Einordnung, damit ähnlich gelagerte Risiken gleich eingeordnet werden.
Prozessrisiken:
• Falsche Kundendaten im Antragsformular
• Fehlerhafte Buchung von Inkassobeiträgen
• Einreichung unvollständiger Antragsdaten durch die Vermittler
• Unzureichende Harmonisierung von Geschäftsabläufen nach Fusionen
• Engpässe in der Zusammenarbeit mit Outsourcing-Partnern
Personenabhängige Risiken:
• Diebstahl von Hardwarekomponenten
• Fingierte Schadenabrechnung im Innendienst
• Mobbing gegen eine Mitarbeiterin in Erziehungsteilzeit
• Bestechung
• Sabotage
Systemrisiken:
• Stromausfall
• Schwelbrand in der Pförtnerloge
• Systemabsturz durch Datenbankfehler
• Ausfall der Telefonanlage
• Ausfall des firmeninternen Netzwerks
• Komplexitätsrisiko von EDV-Anwendungen
Externe Risiken:
• Hackerangriff auf das Firmencomputernetz
• Versicherungsbetrug
• Schadhafte Antennenanlage durch Gewittersturm
• Terroristischer Angriff
• Änderung versicherungsspezifischer Gesetzesvorschriften
Finanzierung der Sozialversicherung
Einnahmensituation:
• Erhöhung der Beitragssätze oder Beitragsbemessungsgrenzen
• Erweiterung der Bemessungsgrundlagen (zum Beispiel durch Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf Kapitalerträge)
• Konjunkturpolitik
• Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitsplatzsuchende
• Beitragspflicht auch für nicht erwerbstätige Personen (etwa Abschaffung der Familienmitversicherung in der Krankenversicherung)
• Erhöhte Zuwanderung
Ausgabensituation:
• Leistungskürzungen (vor allem Kranken- und Pflegeversicherung), Änderung der Rentenformel
• Erhöhung des Renteneintrittsalters in der gesetzlichen Rentenversicherung
• Erhöhung der Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt in der gesetzlichen Rentenversicherung
• Streichung von Zurechnungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung
• Reduzierte Zuwanderung
Bewertung: Generell ist – mehr aus politischen als aus versicherungstechnischen Gründen – auf Ausgewogenheit bei den Auswirkungen auf Leistungsfinanzierer und Leistungsempfänger zu achten, besonders in der gesetzlichen Rentenversicherung, in der beide Personengruppen überschneidungsfrei sind. Manche Maßnahmen (zum Beispiel Beitragserhöhungen) betreffen die Einnahmen- oder Ausgabenseite direkt; andere wie etwa Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitsplatzsuchende nur indirekt, was die Messung der Wirksamkeit erschwert. Wieder andere Maßnahmen sind in ihrer Wirkung ambivalent. Sozioökonomische Parameter von Zuwanderern (Ausbildungsstand, soziale Folgekosten etc.) entscheiden zum Beispiel maßgeblich darüber, ob die Finanzierungssituation der Sozialversicherung dadurch tendenziell verbessert oder verschlechtert wird.
Schadentarifierung
SA= (1.100+ 1.500+ 2.200+ 3.200)/50= 160
SB = (800 + … + 3.300) / 100 = 90
SAB =(1.100 + … +3.200+ 800+… + 3.300)/ 150= 113,33
D(Sa) = [(1.100 – 160) + (1.500 – 160) + (2.200 – 160) + (3.200 – 160) + 46 x (160 – 0)] / 50 = 294,40
D(Sb) = [(800 – 90) + … + (3.300 – 90) + 94 x (90 – 0)] / 100 = 169,20
D(Sab) = [(1.100 – 113,33) + … + (3.200 – 113,33) + (800 – 113,33) + … + (3.300 -113,33) + (46 + 94) x (113,33 – 0)] / 150 = 211,55
BBA = 160 + 0,5 X 294,40 = 307,20 €
BBB = 90 + 0,5 X 169,20 = 174,60 €
BBAB = 113,33 + 0,5 X 211,55 = 219,11 €
Bei getrennter Tarifierung orientiert sich der Bruttobeitrag entsprechend an der unterschiedlichen Schadenerwartung (hier: Mittelwert der beobachteten Schäden). Bei Gesamttarifierung wird die unterschiedliche Schadensituation der Teilbestände geglättet und es ergibt sich ein zwischen BBA und BB0 liegender Einheitsbeitrag BBab. Bei realen Beständen eines Kraftfahrzeugversicherers reduziert sich der Sicherheitszuschlag durch die Größe des Kollektivs, dafür kommen Kosten- und Rückversicherungsanteile zum Beitrag hinzu.
Vertriebsvergütungen
Grundsätzlich sind die nominalen Größen zu verschiedenen Zeitpunkten fälliger Zahlungen nicht direkt miteinander vergleichbar, sondern nur die auf einen Referenzzeitpunkt bezogenen Barwerte. Die Barwertbestimmung hängt vor allem vom verwendeten Diskontierungszinssatz ab. Kalkulatorisch wird der (konstante) Rechnungszins verwendet, der in der Regel unterhalb der (variablen) Marktzinssätze liegt.
Einmalige Abschlussvergütung: aus Sicht des Unternehmens Sicherheiten erforderlich, solange Beitragszahlungen geringer sind als gezahlte Vergütung; Auswirkungen auf Tarifkalkulation und Bilanz (keine Aktivierung noch nicht durch Beiträge gedeckter Abschlusskosten nach VVG-Reform); Förderung des Neugeschäfts, demgegenüber geringer Anreiz für Vermittler zu langfristiger Bestandspflege und daher erhöhte Stornoquoten; aus Vermittlersicht wirtschaftlich vorteilhafter, da die Vergütung bereits nach wenigen Jahren (so genannte Haftungszeit) verdient ist und dann bei Vertragsstorno keine Rückzahlungen an das Unternehmen mehr erforderlich sind.
Laufende Abschlussvergütung: aus Sicht des Versicherungsunternehmens in gleichem Maße anfallend wie die Beitragseingänge, daher kein Bedarf an Sicherheiten; Vermittler werden zu intensiverer Bestandspflege motiviert, da die gesamte Vergütung erst nach Zahlung aller Beiträge verdient ist, daher stabile Bestände und reduzierte Stornoquoten; wegen weiter Verbreitung einmaliger Abschlussvergütung bedeutet die Umstellung auf laufende Vergütung in der Übergangsphase häufig Einkommensverluste für den Vermittler.
Rechnungsgrundlagen in der Lebensversicherung
a) Die Sterblichkeit erhöht sich um 9,7 %, der neue Risikobeitrag RB(q40 = 0,00283) ist bei unverändertem Rechnungszins gleich (200.000 : 1,0225) x 0,00283 = 553,55. Der einjährige Risikobeitrag ändert sich im gleichen Verhältnis wie die Sterblichkeit, diese einfache Beziehung gilt jedoch bei mehrjährigen Versicherungen nicht mehr.
b) Der Rechnungszins erhöht sich um einen halben Prozentpunkt, das entspricht 22,2 %. Der Risikobeitrag sinkt auf (200.000 : 1,0275) • 0,00257 = 500,24 €, also um knapp ein halbes Prozent. Ein Anstieg des Rechnungszinses wirkt sich demnach in entgegengesetzter Richtung wie ein Anstieg der Sterblichkeit aus. Bei Verträgen mit langer Laufzeit wirken Zinsveränderungen allerdings deutlich stärker.
Äquivalenzprinzip
Nach dem versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzip muss der Beitragsbarwert mit dem Leistungsbarwert übereinstimmen.
Beiträge: Der erste Jahresbeitrag der Höhe B wird sicher gezahlt. Der zweite Jahresbeitrag wird nur gezahlt, wenn die versicherte Person zu Beginn des zweiten Jahres noch lebt; die Wahrscheinlichkeit hierfür ist gerade 1 – q40. Zudem ist noch mit dem Rechnungszins zu diskontieren. Insgesamt ergibt sich für den Beitragsbarwert
Leistung: Bei Tod im ersten Jahr gilt genau wie bei der Kalkulation der einjährigen Risikoversicherung, dass die Versicherungssumme am Ende des ersten Jahres fällig ist für den Barwert ist also über ein Jahr zu diskontieren:
Die Leistung wird zum Ende des zweiten Jahres fällig, wenn die versicherte Person das erste Jahr überlebt hat und während des zweiten Jahres stirbt; die Wahrscheinlichkeit hierfür beträgt (1 – q40) x q41. Die Diskontierung muss nun aber über zwei Jahre hinweg erfolgen:
Das Äquivalenzprinzip lautet damit
BBW = LBW (Tod im 1. Jahr) + LBW (Tod im 2. Jahr).
Setzt man obige Formeln ein und löst nach dem Jahresbeitrag B auf, ergibt sich zusammenfassend
Einsetzen der gegebenen Werte liefert:
Demgegenüber beträgt der Beitrag B40 der einjährigen Versicherung zum Eintrittsalter 40 502,69 €, der Beitrag B41 zum Eintrittsalter 41 gemäß Aufgabe 8 a) dagegen 553,55 €. Der Beitrag der zweijährigen Versicherung liegt also zwischen diesen beiden Werten, was man auch so erwartet.
Vertragsdatenhaltung
Beispiel: Betreuender Vermittler zu einem Vertrag
Vermittler | Bearbeitungsdatum | gültig ab | gültig bis |
K. Müller | 23.07.2006, 10:43 | 01.08.2006 | 31.12.2006 |
W. Schmidt | 03.01.2007, 14:37 | 01.01.2007 | – |
Vermittler | Bearbeitungsdatum | gültig ab | gültig bis |
K. Müller | 23.07.2006, 10:43 | 01.08.2006 | 31.12.2006 |
W. Schmidt | 03.01.2007, 14:37 | 01.01.2007 | 31.12.2007 |
J. Klein | 27.12.2007, 10:45 | 01.01.2008 | – |
Die obere Tabelle zeigt in einem Ausschnitt aus der Vertragsvermittlerdatenbank an, dass der betrachtete Vertrag zwischen dem 1. August und dem 31. Dezember 2006 von K. Müller betreut wurde. Am 3. Januar 2007 erfolgte eine Änderung, durch die die Vertragsbetreuung ab 1. Januar 2007 auf W. Schmidt überging. Die Tabelle dokumentiert den Vertragszustand vor der nächsten Änderung, die am 27. Dezember 2007 vorgenommen wurde.
Die untere Tabelle zeigt den Zustand nach dieser erneuten Änderung, durch die der betreuende Vermittler erneut gewechselt hat (ab 1. Januar 2008 J. Klein). Dabei wurde der Gültigkeitszeitraum des zu W. Schmidt gehörenden Eintrags mit dem Vortag, dem 31. Dezember 2007, abgegrenzt.
Gründe für die Historisierung von Daten: Wiederherstellbarkeit früherer Vertragszustände, zum Beispiel bei Bearbeitungsfehlern oder wenn der Kunde automatischen Vertragsänderungen widerspricht (etwa Dynamikerhöhungen in der Lebensversicherung); Nachweispflichten, zum Beispiel bei Beschwerden über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin); Provisionsabrechnungen für Verträge, deren betreuender Vermittler gewechselt hat, usw.
Mindestens drei Arten der Terminabgrenzung sollten vorgenommen werden: Erstens ein technisches Bearbeitungsdatum, das bei der Erzeugung eines neuen Vertragszustandes vergeben wird, und zweitens ein Wirkungsdatum, das den Beginn der fachlichen Gültigkeit des geänderten Vertragszustandes festlegt. Beide Daten können natürlich übereinstimmen. Dritte Abgrenzung ist der Termin, zu dem die fachliche Gültigkeit eines Vertragszustandes endet. Er liegt beim aktuellen Vertragszustand nicht fest und wird gesetzt, wenn ein neuer Vertragszustand in Kraft tritt.
Vertragsbeendigung
Wichtige Punkte finden sich in diesem Versicherung-Artikel, lohnend ist bei dieser Aufgabe auch ein Blick in den Text des VVG. Die folgende Aufzählung beschränkt sich daher auf die wichtigsten Aspekte und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
• Befristete Versicherungsverträge enden mit Ablauf des letzten Tages der vereinbarten Vertragslaufzeit (§ 10 VVG). Befristete Verträge mit vereinbarter Laufzeit von mehr als drei Jahren können vom Versicherungsnehmer zum Ende des dritten oder jedes folgenden Jahres gekündigt werden (§ 11 (4) VVG).
• Unbefristete Verträge können zum Ende der Versicherungsperiode vom Versicherungsnehmer wie auch vom Versicherungsunternehmen mit einer für beide Parteien gleich langen Frist von mindestens einem Monat und höchstens drei Monaten gekündigt werden (§ 11 (2) und (3) VVG).
• Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten:
– Hat der Kunde seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt und hätte der Versicherer den Vertrag bei Kenntnis der dadurch verborgen gebliebenen Umstände nicht abgeschlossen, kann der Versicherer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vom Vertrag zurücktreten, andernfalls mit einer Frist von einem Monat den Vertrag kündigen (§ 19 (2) und (3) VVG); er muss aber den Kunden auf diese Rechtsfolgen in geeigneter Textform hingewiesen haben und durfte bei Vertragsabschluss nicht anderweitig Kenntnis von den nicht angezeigten Umständen erlangt haben (§ 19 (5) VVG).
– Hätte der Versicherer den Vertrag hingegen trotzdem abgeschlossen und setzt dafür gemäß § 19 (4) VVG einen Gefahrenausschluss oder eine deutlich erhöhte Prämie fest, kann der Kunde seinerseits innerhalb eines Monats fristlos kündigen (§ 19 (6) VVG).
– § 21 (1) und (3) VVG regeln, dass der Versicherer seine Rechte innerhalb eines Monats geltend machen muss, und setzen Verjährungsfristen fest.
• Gefahrerhöhung:
– Im Falle der Gefahrerhöhung kann der Versicherer den Vertrag mit nach Grad des Verschuldens seitens des Versicherungsnehmers unterschiedlichen Fristen kündigen (§ 24 (I) und (2) VVG), eine Beitragserhöhung vornehmen oder die höhere Gefahr von der Absicherung ausschließen (§ 25 (1) VVG).
– In den beiden letztgenannten Fällen hat wiederum der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats ein fristloses Kündigungsrecht (§ 25 (2) VVG).
– Das Kündigungsrecht des Versicherers nach § 24 VVG gilt nicht für die Transportversicherung (§ 132 (3) VVG).
• Zahlt der Versicherungsnehmer durch eigenes Verschulden den Einlösebeitrag nicht rechtzeitig, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten (§ 37 (1) VVG). Wird ein Folgebeitrag nicht gezahlt, darf der Versicherer nach einer Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen kündigen (§ 38 (1) und (3) VVG); in der Krankenversicherung ist eine Frist von mindestens zwei Monaten einzuhalten (§ 194 (2) VVG).
• Der Versicherungsnehmer hat ein auf einen Monat befristetes Kündigungsrecht, wenn der Versicherer aufgrund einer Anpassungsklausel bei gleichbleibender Leistung den Beitrag erhöht oder bei gleichbleibendem Beitrag den Versicherungsschutz reduziert (§ 40 VVG).
• In der Sachversicherung steht beiden Seiten nach Eintritt des Versicherungsfalls das Recht zur Vertragskündigung zu, das aber innerhalb eines Monats nach Ende der Entschädigungsverhandlungen ausgeübt werden muss. Der Versicherer hat dabei eine Frist von einem Monat einzuhalten (§ 92 VVG).
• In der Haftpflichtversicherung besteht innerhalb eines Monats nach Anerkennung oder zu Unrecht erfolgter Ablehnung des Freistellungsanspruchs für beide Seiten ein Kündigungsrecht mit sofortiger Wirkung (§111 VVG).
• In der Lebensversicherung endet das Versicherungsverhältnis üblicherweise mit dem Tod der versicherten Person während der Laufzeit, es sei denn, die Versicherung wurde auf mehrere Personen abgeschlossen (verbundene Leben) oder mit einer Hinterbliebenenversicherung verknüpft.
• Vorzeitige Vertragsbeendigung in der Lebensversicherung:
– In der Lebensversicherung endet der Vertrag mit der Zahlung des Rückkaufswertes, wenn der Kunde die Beitragsfreistellung verlangt hat, die beitragsfreie Mindestversicherungssumme aber nicht erreicht ist (§ 165 (1) VVG).
– Kündigung durch den Versicherer führt normalerweise zur Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung und nur bei Nichterreichen der beitragsfreien Mindestsumme oder, wenn während des Zahlungsverzugs von Folgebeiträgen der Leistungsfall eintritt, zur Beendigung des Vertrages und zur Zahlung des Rückkaufswertes (§ 166 (1) und (2) VVG).
– Der Versicherungsnehmer darf nach § 168 (1) und (2) VVG jederzeit zum Ende der laufenden Versicherungsperiode kündigen, wenn der Vertrag gegen laufende Beitragszahlung geschlossen wurde oder wenn, bei Einmalbeiträgen, der Eintritt der Verpflichtung zur Leistung gewiss ist (zum Beispiel bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung).
• Kündigungsrechte in der privaten Krankenversicherung vor dem 1. Januar 2009:
– In der Krankenversicherung gilt das Kündigungsrecht des Versicherers bei einer (weder vorsätzlichen noch grob fahrlässigen) Anzeigepflichtverletzung nur, wenn der Versicherungsnehmer die Pflichtverletzung auch selbst zu vertreten hat (§ 194 (1) VVG).
– Zum Ende eines Versicherungsjahres kann der Versicherungsnehmer ein Krankenversicherungsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten ganz oder für einzelne Personen kündigen (§ 205(1) VVG).
– Bei nachgewiesenem Eintritt einer gesetzlichen Versicherungspflicht für eine versicherte Person ist innerhalb von drei Monaten auch eine rückwirkende Kündigung durch den Versicherungsnehmer zulässig (§ 205 (2) VVG).
– Beitragserhöhungen und Leistungskürzungen aufgrund einer Anpassungsklausel eröffnen dem Versicherungsnehmer ein Kündigungsrecht für die betroffene versicherte Person innerhalb eines Monats, nachdem er über die Änderung informiert wurde (§ 205 (4) VVG).
– Durch den Tod des Versicherungsnehmers endet ein Krankenversicherungsverhältnis.
• Kündigungsrechte in der privaten Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2009:
– Unter anderem können private Krankheitskostenversicherungen auf Grundlage der allgemeinen gesetzlichen Versicherungspflicht seitens des Versicherungsnehmer nur noch gekündigt werden, wenn er gleichzeitig den Neuabschluss einer entsprechenden Versicherung bei einem anderen Versicherer nachweist (§ 205 (6) VVG).
– Der Versicherer darf derartige Krankheitskostenversicherungen überhaupt nicht mehr kündigen (§ 206 (1) VVG); bei Zahlungsverzug des Versicherungsnehmers darf er den Vertrag lediglich in ein ruhendes Versicherungsverhältnis überführen (§ 193 (6) VVG).
Unfallversicherung
Nach § 178 VVG liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein „plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung “ erleidet.
• „plötzlich“: zum Beispiel bei Schnittverletzungen erfüllt, nicht aber bei Verletzungen infolge von Abnutzung oder Ermüdung
• „von außen auf den Körper“: zum Beispiel Knochenbruch durch einen Sturz, nicht aber Verletzungen des Verdauungstraktes durch Einnahme ätzender Flüssigkeiten (diese müssen daher ausdrücklich durch AVB Unfallereignissen gleichgestellt werden)
• „unfreiwillig“: bezieht sich auf das die Gesundheitsschädigung auslösende Ereignis; zum Beispiel erfüllt bei Verletzungen durch Steinschlag oder bei einer Schnittverletzung durch unsachgemäßen Gebrauch von Werkzeugen (Fahrlässigkeit), nicht aber bei Selbstverstümmelung (Vorsatz)
• „Gesundheitsschädigung“: zum Beispiel Verletzungen durch Hagelschlag, nicht aber durch den selben Hagelschlag verursachte Sachschäden
Demutualisierung
Argumente, die für Demutualisierungen von VVaG sprechen:
• Verbesserter Zugang zum Kapitalmarkt (Möglichkeit einer Erhöhung der Eigenkapitalbasis durch Aktienemissionen; dieser Vorteil ist vor allem dann von Bedeutung, wenn der VVaG größere Investitionen tätigen möchte)
• Verbesserung der Konzernbildungsmöglichkeiten (VVaG können in der Organisationsstruktur von Konzernen nur auf der obersten Führungsebene auftreten)
• Probleme mit der praktischen Umsetzbarkeit des Gegenseitigkeitsgedankens, speziell in überregional agierenden VVaG mit hohen Mitgliederzahlen
Argumente, die gegen Demutualisierungen sprechen:
• Möglicher Verlust der VVaG-typischen Identität (vor allem bei berufsständisch ausgerichteten VVaG mit Nischenstrategie)
• Möglicher Verlust der Eigenständigkeit (Gefahr einer feindlichen Übernahme durch Erwerb einer Aktienmehrheit)
• Neu aufkommende Interessenskonflikte zwischen Anteilseignern und Versicherungsnehmern (soweit die neue Versicherungs-Aktiengesellschaft nicht mehrheitlich im Besitz der ehemaligen VVaG-Mitglieder verbleibt)
Stille Lasten
Aktivseite: Der Zeitwert der Kapitalanlagen fällt unter den Buchwert. In diesem Falle wären die Kapitalanlagen bei einer Veräußerung weniger wert, als in der Bilanz ausgewiesen, und häufig nicht mehr in der Lage, bestehende Verbindlichkeiten auf der Passivseite zu bedecken. Die Ursachen für einen Werteinbruch der Kapitalanlagen können vielfältig sein. Besonders hervorzuheben sind Kurseinbrüche an den Aktienbörsen, die vor allem Versicherer mit hohen Aktienquoten treffen, oder starke Änderungen des internationalen Zinsniveaus. Ebenso können Zahlungsschwierigkeiten bei den Emittenten festverzinslicher Wertpapiere stille Lasten auf der Aktivseite einer Versicherungsbilanz nach sich ziehen.
Passivseite: Hier wäre hauptsächlich eine Erhöhung der versicherungstechnischen Verbindlichkeiten zu nennen, wie sie zum Beispiel in der Rentenversicherung durch einen Anstieg der allgemeinen Lebenserwartung entstehen kann. Die in der Bilanz dargestellten Verbindlichkeiten (vor allem die Deckungsrückstellung bei einem Lebensversicherer oder einem Krankenversicherer (Alterungsrückstellung)) würden die wahren künftigen Verbindlichkeiten dann nicht mehr abbilden, die Aktivwerte könnten diese Verbindlichkeiten nicht mehr vollständig bedecken.
Nischenstrategie
Nischenversicherer zeichnen sich durch eine hochgradig spezialisierte Produktpalette aus, die auf die besonderen Bedürfnisse einer begrenzten, meist homogenen Personengruppe zugeschnitten ist. Denkbar wäre zum Beispiel:
• Beschränkung auf eine Berufsgruppe. Diese Wettbewerbsstrategie findet sich vor allem bei VVaG mit historisch bedingter berufsständischer Ausrichtung (Beamte, Handwerker, Kaufleute, Künstler, Landwirte etc.).
• Beschränkung auf eine bestimmte soziale Gruppe in der Gesellschaft. Besonders beliebt sind hier Gruppen mit hohem Einkommen oder hohem Einkommenspotenzial wie etwa (angehende) Akademiker oder Selbstständige. Denkbar ist auch eine Spezialisierung auf ältere Menschen und deren Versicherungsbedarf.
• Beschränkung auf eine Region. Diese Strategie findet sich besonders bei öffentlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Versicherern (Territorialprinzip).
• Im weiteren Sinne kann speziell in der Schaden- und Unfallversicherung eine Spezialisierung auf Privatkunden oder gewerbliche Kunden ansatzweise als Nischenstrategie interpretiert werden.
Es liegt nahe, sich auf eine relativ kleine Marktnische zu spezialisieren. Je größer eine anvisierte Marktnische ausfällt, umso schwerer fällt es dem Versicherer naturgemäß, dieser Marktnische den individuellen Mehrwert der eigenen Produkte glaubhaft zu vermitteln.
Stabsstellen im Versicherungsinnendienst
Vorteile von Stabsstellen im Versicherungsinnendienst:
• Stabsstellen profitieren von ihrer räumlichen Nähe zu relevanten Entscheidungsträgern im Unternehmen. Durch die Zusammenführung der Legitimationsmacht dieser Entscheidungsträger mit der Expertenmacht einer Stabsstelle können sinnvolle Entscheidungen effizient gefällt und umgesetzt werden.
• Stabsstellen sind selbst nicht mit Führungsaufgaben betraut, können sich daher vollständig der Sacharbeit widmen.
• Die räumliche Ferne von Stabsstellen zu Linienstellen im Haus schafft Möglichkeiten einer unparteiischen Perspektive in Sachfragen.
Nachteile von Stabsstellen im Versicherungsinnendienst:
• Die räumliche Ferne zu anderen Abteilungen im Unternehmen kann Stabsstellen schaden, sich zum Beispiel in sachlich falschen Entscheidungen niederschlagen.
• Stabsstellen leiden oftmals unter einem Mangel an Eigenautorität, da für die Durchsetzung eigener Ideen immer die Legitimationsmacht der übergeordneten Stelle benötigt wird.
• Schließlich stellen Stabsstellen auch eine Zusatzbelastung der übergeordneten Stelle mit personellen Führungsaufgaben dar.
Öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen
Viele öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen haben sich in Versicherungs-Aktiengesellschaften umgewandelt, die Aktien werden dabei in der Regel von öffentlich-rechtlichen Trägem gehalten (Sparkassenverbände etc.). Langfristig ist ein vollständiges Verschwinden der öffentlich-rechtlichen Rechtsform in der deutschen Versicherungswirtschaft wahrscheinlich.
Mitarbeiterstruktur im Versicherungsunternehmen
Innendienst: Betriebswirte (in allen Bereichen anzutreffen), Juristen (Rechtsabteilung, teilweise auch Schadenbearbeitung und Risikoprüfung), Mathematiker (Aktuariat, Produktentwicklung, Tarifierung, stellenweise auch im Controlling, Marketing und der DV-/IT-Abteilung anzutreffen), Informatiker sowie eine große Zahl an Versicherungskaufleuten (seit 2007 gibt es den Ausbildungsberuf des/der Kaufmanns/Kauffrau für Versicherungen und Finanzen, zuvor Versicherungskaufmann/-kauffrau).
Außendienst: Überwiegend Versicherungskaufleute, daneben einzelne Quereinsteiger (vor allem in Sonderorganisationen anzutreffen; etwa Mediziner in einer Ärzte-Sonderorganisation [„Ärzteorga“]). Hinzu kommen nebenberufliche Vertreter, die zumeist Mitglieder ihrer eigenen Berufsgruppe betreuen (verbreitet zum
Beispiel bei einigen Versicherern mit Zielgruppe öffentlicher Dienst)
Rechtliche Grundsätze für Versicherungsunternehmen
Das Spartentrennungsgebot des § 8 (la) VAG besagt im Wesentlichen, dass die wichtigsten Versicherungssparten nur von separaten Unternehmen betrieben werden dürfen. Besonders wichtig ist dabei die Trennung der Versicherungssparten Leben, Kranken und Schaden/Unfall. In der Folge kommt es zur Bildung von Versicherungskonzernen, die mehrere Sparten nebeneinander in getrennten Unternehmen betreiben.
Das Verbot versicherungsfremder Geschäfte in § 7 (2) VAG untersagt Versicherungsunternehmen das Betreiben geschäftlicher Aktivitäten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Versicherungsgeschäften stehen. Beispielsweise darf ein Versicherungsunternehmen neben seinem Versicherungsgeschäft selbst keine Bankdienstleistungen oder Fondsprodukte anbieten. Die Bildung von Finanzdienstleistungskonzernen ist eine direkte Folge des Verbots versicherungsfremder Geschäfte, da nur so Versicherungs- und Nichtversicherungsgeschäfte „aus einer Hand“ angeboten werden können.
Aufgrund beider Regelungen können Versicherungsunternehmen immer nur als reine Versicherer auf dem Markt auftreten und müssen sich darüber hinaus auf eine Versicherungsspalte spezialisieren. Der Gesetzgeber möchte damit sicherstellen, dass die von einem Versicherer gemachten langfristigen Deckungszusagen nicht durch anderweitige Geschäfte gefährdet werden und Quersubventionierungen unterbleiben. Vielmehr sollen sich Versicherungsbestände langfristig selbst finanzieren können.
Beide Regelungen sind somit im weiteren Sinne Ausprägungen eines schutztheoretischen Verständnisses von Versicherungsaufsicht, das Versicherungsrecht primär als ein Schutzrecht des Versicherungsnehmers und seiner wirtschaftlichen Interessen ansieht.
Dezentralisierung im Außendienst
Vorteile einer starken Dezentralisierung im Versicherungsaußendienst:
• Mehr Entscheidungskompetenz auf lokaler Ebene, dadurch in der Regel höhere Mitarbeiterzufriedenheit.
• Mehr Kundennähe durch kurze Entscheidungswege. Insbesondere bedeutet eine Dezentralisierung von Aufgaben meist auch, dass dem Kunden vor Ort eine breitere Palette an Dienstleistungen angeboten werden kann, zum Beispiel im Bereich der Risikovermeidung oder der Schadenbearbeitung.
• Bessere Möglichkeit einer ertragsorientierten Vertriebssteuerung durch Herstellung einer nahezu vollständigen Ergebnisverantwortlichkeit (Einrichtung regionaler Profit Center).
Nachteile einer starken Dezentralisierung im Versicherungsaußendienst:
• Häufig Einführung zusätzlicher Hierarchieebenen, was zentrale Entscheidungsprozesse und deren operative Umsetzung im Außendienst verlangsamt.
• Gefahr einer „Verselbstständigung“ einzelner Filialbetriebe zu Lasten des allgemeinen Erscheinungsbildes des Unternehmens in der Öffentlichkeit (Unterlaufen der Corporate Identity oder regional unterschiedliche Annahmerichtlinien in der Risikoprüfung etc.).
Eine klare Wirkungsrichtung bei den Kosten ist schwer anzugeben. Einerseits erschwert eine Dezentralisierung die unternehmensweite Umsetzung zentraler Vorgaben der Unternehmensführung (kostensteigernd), andererseits kann eine stärkere Ergebnisverantwortlichkeit vor Ort auch kostensenkende Wirkung haben.
Kapitalanlage im Versicherungsunternehmen
Ein sinkendes Zinsniveau würde zunächst die Kapitalerträge reduzieren, was sich direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen würde. Bei weitgehend unveränderten Beitragseinnahmen und Versicherungsleistungen würde sich ein geringerer Jahresüberschuss oder ein Verlust ergeben. Um dem vorzubeugen, würde ein betroffener Lebensversicherer zum Beispiel seine Überschussbeteiligung absenken. Ebenso könnte der Lebensversicherer notgedrungen Teile seiner Kapitalanlagen auf den Finanzmärkten veräußern, um kurz- und mittelfristig liquide zu bleiben.
Hält die Niedrigzinsphase länger an, droht folglich ein Missverhältnis zwischen Aktiv- und Passivseite in der Bilanz, da unverändert hohen Verbindlichkeiten auf der Passivseite nun eine „schrumpfende“ Aktivseite gegenübersteht. Da eine anhaltende Niedrigzinsphase jedoch die ganze Branche betreffen würde, ist in einem solchen Falle mit einer Absenkung der Garantieverzinsung für Neuverträge durch das Bundesfinanzministerium zu rechnen (wie in der Lebensversicherung zwischen 2000 und 2007 mehrmals geschehen).
Gesundheitsprüfung
Durch einen generellen Verzicht auf vorvertragliche Gesundheitsprüfungen in der privaten Krankenversicherung würden auch zahlreiche schlechte Risiken in die Versichertenkollektive gelangen, was zu steigenden Versicherungsleistungen und damit langfristig zu Beitragssteigerungen führen würde. Dies würde die Wettbewerbssituation der privaten Krankenversicherer gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung verschlechtern. Daneben könnte ein Verzicht auf jedwede vorvertragliche Gesundheitsprüfung auch die gesundheitliche Eigenvorsorge der Versicherten negativ beeinträchtigen. Dieser Entwicklung könnten die privaten Krankenversicherungsunternehmen zum Beispiel mit Hilfe von Karenzzeiten entgegenwirken. Wird eine solche Karenzzeit vertraglich vereinbart, bleibt ein Versicherungsvertrag trotz Eintreten eines Versicherungsfalls zunächst leistungsfrei, was Antragsteller mit schlechtem gesundheitlichen Allgemeinzustand von einem Vertragsabschluss abhalten würde.
Multichannelvertrieb
Werden im Rahmen einer Multichannelstrategie eines Versicherers Produkte parallel über mehrere Vertriebswege angeboten (etwa über Ausschließlichkeitsagenten, Makler und das Internet), stehen diese Vertriebswege naturgemäß miteinander im Wettbewerb, was die Marktposition des Versicherers nachhaltig schwächen kann. Beispielsweise könnten Antragsteller zunächst die Beratungsdienstleistungen von Ausschließlichkeitsagenten oder Maklern nutzen, den Vertragsabschluss dann aber kostengünstiger über das Internet tätigen („Kannibalisierung“ der Vertriebswege). Unabhängige Vermittler würden in diesem Falle mittelfristig von einer weiteren Zusammenarbeit mit diesem Versicherer absehen.
Daneben kann eine Multichannelstrategie in der Vertriebsunterstützung zu einer Belastung werden, da gleichzeitig mehrere konkurrierende Vertriebswege mit strategischen Vertriebskonzepten und den zugehörigen Verkaufshilfen versorgt werden müssen.
Um solchen Problemen vorzubeugen, bietet sich generell eine Beschränkung der einzelnen Vertriebswege auf klar voneinander abgegrenzte Produkte oder Kundengruppen (Marktsegmente) an. Beispielsweise könnte der Internetvertrieb auf preisgünstige Standardprodukte eingeschränkt werden (Auslandsreisekrankenversicherung, Haftpflichtversicherung, Reisegepäckversicherung etc.), die für Ausshliesslichkeitsagenten oder Makler ohnehin nur wenig attraktiv sind (niedrige Provision bzw. Courtage). Bei einer Aufteilung der Vertriebswege nach Marktsegmenten könnte der Maklervertrieb zum Beispiel bei anspruchsvollen Kunden mit hohem Einkommen oder im gewerblichen Bereich zum Einsatz kommen, die Ausschließlichkeitsorganisation hingegen im übrigen Privatkundengeschäft.
Direktvertrieb
Versicherungsprodukte sind immaterielle Güter und hochgradig erklärungsbedürftig, weshalb viele Antragsteller den direkten Kontakt zu einem Ansprechpartner (Agent, Bankmitarbeiter, Makler) suchen. Weitere Gründe, die den schleppenden Internetabsatz von Versicherungsprodukten zumindest teilweise erklären, sind Unsicherheiten im Umgang mit dem Medium Internet, speziell in Fragen der Datensicherheit. Besonders deutlich dürften diese Probleme in der Lebens- und Krankenversicherung auftreten, wenn die Beitragshöhe gewisse psychologische Schwellenwerte überschreitet.
Für den Direktvertrieb von Versicherungsprodukten legen diese Probleme eine Beschränkung auf einfache Standardprodukte mit hohem Verbreitungsgrad und eher niedrigem Beitragsniveau nahe. Damit sind beispielsweise die Auslandsreisekrankenversicherung, die gewöhnliche Hausratversicherung oder die Risikolebensversicherung für den Vertrieb über das Internet wie auch den Direktvertrieb allgemein geeignet. Hinzu kommt, dass das relativ niedrige Beitragsniveau diese Produkte für Ausschließlichkeitsagenten oder Makler ohnehin verhältnismäßig uninteressant macht.
Customer Lifetime Value
Die private Rentenversicherung versichert das Langlebigkeitsrisiko, folglich sind vor allem Einflussgrößen interessant, die über die Lebenserwartung des Versicherten Auskunft geben.
• Rauch- und Alkoholkonsumverhalten
• Betreiben von (Extrem-)Sportarten
• Body-Mass-Index
• Blutdruck und Blutfettwerte
• Beruf
• Einkommen
• Wohnort
Eine Einflussgröße erhöht dabei den Customer Lifetime Value in der Rentenversicherung, wenn sie die Lebenserwartung des Versicherten verkürzt. Beispielsweise haben Raucher eine verkürzte Lebenserwartung, folglich besitzen sie aus Sicht des Rentenversicherers ein erhöhtes Ertragspotenzial (in der Risikolebensversicherung wäre dies genau umgekehrt). Die sozio-ökonomischen Einflussfaktoren Beruf, Einkommen und Wohnort korrelieren meist stark miteinander: Je „besser“ der Beruf, desto höher ist tendenziell das Einkommen und desto „besser“ auch die Wohngegend. In allen Fällen erhöht sich dadurch statistisch gesehen die Lebenserwartung. Besonders komplex kann sich die Situation bei Sportarten gestalten: Während eine gute körperliche Konstitution die Lebenserwartung erhöht, wird sie durch das Betreiben gefährlicher Extremsportarten wie Bungee-Jumping eher verkürzt. Da „Sportlichkeit“ als solche ohnehin kaum quantifizierbar ist, wird daher zum Beispiel in der Praxis bei Risikolebensversicherungen manchmal lediglich danach gefragt, ob der Antragsteller Extremsportarten betreibt.
Bancassurance
Probleme des Vertriebs von Versicherungsprodukten über den Bankschalter sind:
• Kannibalisierungseffekte zwischen Bank- und Versicherungsprodukten, vor allem bei Versicherungsprodukten mit Sparanteil wie kapitalbildenden Lebensversicherungen und Rentenversicherungen. Beide stehen in direkter Konkurrenz zu Banksparplänen und etwa Investmentfonds, die ebenfalls häufig von Banken vertrieben werden. Diese Problematik kann zum Beispiel bei Fragen der Altersvorsorge und der Immobilienfinanzierung auftreten.
• Die Außendarstellung von Bank und Versicherung muss normalerweise aufeinander abgestimmt werden, das heißt, die Corporate Identity beider Partner sollte einen erkennbaren gemeinsamen Kern aufweisen. Dies zeigt sich insbesondere in einem gemeinsamen Corporate Design, das die enge Verbindung beider Partner betont.
• Die Beratung am Bankschalter kann darunter leiden, dass Bankangestellte generell die ihnen vertrauteren Bankprodukte bevorzugen. Einige Versicherer versuchen, diesem Problem mit Hilfe spezieller Agenturen in den Bankfilialen zu begegnen, in denen angestellte Vertriebsmitarbeiter oder Ausschließlichkeitsagenten des Versicherers arbeiten.