Tarifverhandlungen und Schlichtung
a) Tarifverhandlungen
Tarifverhandlungen werden notwendig, wenn eine der Vertragsparteien den noch laufenden Tarifvertrag kündigt. Danach treten die Tarifkommissionen der Vertrags-parteien zu Verhandlungen zusammen. Meist steht den Maximalforderungen der Gewerkschaften das Minimalangebot der Arbeitgeberverbände gegenüber. Ziel der oft wochenlangen Verhandlungen ist es, einen Kompromiss zu finden, bei dem beide Seiten dieses Verhandlungsergebnis als Erfolg darstellen können.
Können sich die Vertragsparteien einigen, so kommt es zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages
Zur Gültigkeit des Tarifvertrages ist Schriftform nötig. Der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung der Tarifverträge werden in die Tarifregister eingetragen, die bei den Arbeitsministerien geführt werden. Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien, also die organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit wird meist nicht mehr gestellt, da die Arbeitgeber den nicht organisierten Arbeitnehmern die gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen einräumen wie den organisierten, um den Betriebsfrieden nicht zu stören.
Können sich die Tarifpartner bei den Verhandlungen nicht einigen, so kommt es zum Arbeitskampf
b) Schlichtung
Zur Verhütung oder Beilegung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeit-nehmern oder deren Verbänden bei Vertragsverhandlungen wurde eigens ein Schlichtungswesen geschaffen. Es ist nur für solche Streitigkeiten anwendbar, die nicht der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unterliegen. Seine Aufgabe ist es, eine vertragliche Grundlage zu schaffen, während die Arbeitsgerichte das bestehende Recht auslegen und über Streitigkeiten nach bestehendem Recht entscheiden. Das Ausgleichsverfahren wird von Schlichtungsstellen durchgeführt, deren Besetzung im Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung festgelegt ist. Sie sollen angerufen werden, um Meinungsverschiedenheiten zu klären. Wird keine Einigung erzielt, so können Behörden oder anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingeschaltet werden.
►Streik und Aussperrung
a) Arbeitskampfrecht – Streik
Das Kampfmittel der Arbeitnehmer zur Erreichung arbeitsrechtlicher Ziele ist der Streik. Man versteht darunter die gemeinsame, planmäßige Arbeitsniederlegung der Arbeitnehmer. Ein Streik kann unter folgenden Voraussetzungen geführt werden:
• Auslauf des Tarifvertrages bzw. Scheitern der Schlichtungsverhandlungen.
• Urabstimmung, d.h., 75% der Abstimmungsberechtigten Gewerkschaftsmitglieder eines Tarifbezirks müssen sich für den Streik entscheiden. Oft muss der Hauptvor-stand der Gewerkschaft diesen Beschluss noch genehmigen.
• Organisation des Streiks durch die Gewerkschaft (Tarifvertragspartei).
Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, spricht man von wildem Streik.
Arten des Streiks:
• Voll- oder Flächenstreik. Alle Arbeitnehmer eines Tarifgebiets legen die Arbeit nieder.
Mini-Max-Streik (Schwerpunktstreik). Die Gewerkschaft bestreikt mit minimalem Aufwand die Zulieferindustrie eines größeren Wirtschaftsbereichs, um eine maximale Wirkung zu erzielen.
Beispiel:
Bestreikung der Hersteller von Autobatterien und -kühlem, um die Automobil-industrie stillzulegen.
• Flexi-Streik: Dabei werden tageweise abwechselnd Betriebe des Fahrzeugbaus, dann der Metall- und Elektroindustrie und schließlich Betriebe des Mittelstandes bestreikt. Die Gewerkschaft will mit diesen Kurzstreiks verhindern, dass es zu einer kalten Aussperrung kommt. Zugleich will sie ihre Streikkosten so gering wie möglich halten.
• Warnstreik. Kurzfristige Arbeitsniederlegung, um die Streikentschlossenheit zu demonstrieren. Dieser Streik kann auch während der Friedenspflicht stattfinden.
►Aussprerung
Das Kampfmittel der Arbeitgeber ist die Aussperrung, d. h. die vorübergehende Auf-hebung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer bestimmter Betriebe oder aller Betriebe einer Branche. Die Aussperrung ist rechtlich nur gültig als Kampfmittel der Arbeitgeber gegen Schwerpunktstreiks der Gewerkschaften. Die Aussperrung ist nur zulässig in einem Umfang, der sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit richtet (Übermaßverbot). Das Mittel der Aussperrung ist nicht unumstritten. So verbietet die Landesverfassung von Hessen die Aussperrung. Auch haben die Gewerkschaften versucht, durch Verfahren vor dem Bundesarbeits- und Bundesverfassungsgericht die Aussperrung für unzulässig erklären zu lassen. Bei der kalten Aussperrung stellen die Arbeitgeber die Arbeit ein und sperren die Arbeitnehmer ohne Bezahlung aus, da eine Weiterarbeit wegen Arbeitskämpfen in den Zuliefer- oder Abnehmerbetrieben nicht möglich ist.
b) Wirksamkeit von Arbeitskämpfen
Streik und Aussperrung sind nur wirksam, wenn die jeweiligen Interessenverbände geschlossen und entschlossen für ihre Ziele kämpfen. Außerdem hängt die Wirksamkeit der Arbeitskampfmaßnahmen von der Arbeitsmarktsituation und der Ertragslage der Unternehmen ab. Ist das Angebot an Arbeitskräften knapp und stehen die Arbeit-nehmer geschlossen hinter ihrer Gewerkschaft, so werden sie (bei guter Auftrags- und Ertragslage der Unternehmen) ihre Forderungen leicht durchsetzen. Ist dagegen die Auftrags- und Ertragslage der Unternehmen schlecht und herrscht Arbeitslosigkeit, so können hohe Forderungen nicht durchgesetzt werden.
c) Auswirkungen von Arbeitskämpfen
– Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis
Die Arbeitsverhältnisse der streikenden oder ausgesperrten Arbeitnehmer sind während des Arbeitskampfs unterbrochen. Deshalb erhalten diese keine Arbeitsentgelte. Die Gewerkschaft zahlt an ihre Mitglieder Streikunterstützung, die sich nach der Beitragshöhe und der Mitgliedsdauer richtet. Arbeitswillige haben Anspruch auf Entlohnung. Er entfällt, wenn sie wegen des Streiks nicht beschäftigt werden können. Um auch privatrechtliche Folgen für einzelne Arbeitnehmer zu vermeiden, bemühen sich die Gewerkschaften, jeden Streik durch einen Vergleich zu beenden, der ein Verbot der Maßregelung und ein Gebot der Wiedereinstellung aller Arbeitnehmer enthält.
►Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft
Allgemein gesehen können bei einem Arbeitskampf wegen seiner Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte negative Reaktionen der Öffentlichkeit erfolgen. Streiks und Aussperrungen verursachen hohe Kosten für die Wirtschaft. Die Gewerkschaften müssen für die streikenden und ausgesperrten Mitgehender Streikgelder bezahlen. Die Unternehmen erleiden Verluste, da keine Erzeugnisse produziert und verkauft werden und Kunden sich eventuell anderweitig eindecken. Mit den Tariferhöhungen soll das Einkommen der Arbeitnehmer gesteigert werden. Da bei einer Tarifsteigerung von brutto 100,00 € jeweils etwa 40,00 € für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge aufzuwenden sind, bleiben für den Arbeitnehmer nur etwa 60,00 €. Werden Forderungen durchgesetzt, welche die Unternehmen nicht auffangen oder als zusätzliche Kosten über die Preise abwälzen können, so besteht die Gefahr, dass teurer gewordene Arbeitskräfte durch Maschinen ersetzt werden oder die Produktion ins Ausland verlagert wird. Können Unternehmen die erhöhten Arbeitskosten auf die Preise abwälzen, so wird das gewerkschaftliche Ziel, die Realeinkommen der Arbeitnehmer zu erhöhen, nicht erreicht. Dies kann zu neuen Forderungen führen.