Finanzdienstleistungsprodukte sind, wie auch Versicherungsprodukte, erklärungsbedürftige Produkte, da der Kunde (Interessent) häufig über kein oder ein nur unzureichendes Fachwissen verfügt. Der Kunde ist deshalb in der Regel auf die Beratung angewiesen und muss ihr auch vertrauen können.
Der Gesetzgeber hat daher klare Richtlinien für die Beratung geschaffen, damit der Kunde geschützt ist. Im Versicherungsbereich sind dies die Beratungs- und Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers.
Grundlage für Wertpapierberatungen ist das Wertpapierhandelsgesetz.
Pflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz
a) Begriffliche Abgrenzungen
– Wertpapiere
Wertpapiere im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) sind:
• Aktien,
• mit Aktien vergleichbare Anlagewerte und Zertifikate, die Aktien vertreten,
• Schuldtitel (z.B. Inhaberschuldverschreibungen, Orderschuldverschreibungen), soweit sie an einem Markt gehandelt werden.
Zu den Wertpapieren zählen auch Anteile an Investmentvermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden.
• Wertpapiere als Gegenstand von Finanzdienstleistungen
Das WpHG unterscheidet zwischen Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen und fordert, dass die gesetzlichen Bestimmungen u. a. bei der Erbringung solcher Leistungen anzuwenden sind.
Wertpapierdienstleistungen | Wertpapiernebendienstleistungen |
• Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und Derivaten – im eigenen Namen und für fremde Rechnung, – im Wege des Eigenhandels für andere sowie – im fremden Namen und für fremde Rechnung. • Vermittlung von Anlagen • Vermögensverwaltung | Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen erbracht werden, sind insbesondere: • Verwahrung und Verwaltung für andere, sofern das Depotgesetz keine Anwendung findet, • Kredit- oder Darlehensgewährung an andere für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen durch das Unternehmen, das den Kredit gewährt hat, • Anlageberatung im Zusammenhang mit Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und Derivaten. |
Finanzdienstleister im Zusammenhang mit Wertpapieren
Wertpapiere zählen nach dem Kreditwesengesetz zu den Finanzinstrumenten. Dienstleistungen im Zusammenhang mit so verstandenen Finanzinstrumenten werden nach der Systematik des Kreditwesengesetzes u.a. erbracht durch:
• Kreditinstitute
-Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für
fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft)
-Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft)
• Finanzdienstleistungsinstitute
-Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von
Finanzinstrumenten oder deren Nachweis (Anlagevermittlung)
-Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im fremden Namen für
fremde Rechnung (Abschlussvermittlung)
Sofern sich die Finanzdienstleistung des Unternehmens ausschließlich auf Anteile an Investmentvermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft ausgegeben werden, oder auf ausländische Investmentanteile, die nach dem Investmentgesetz öffentlich vertrieben werden dürfen, beschränkt und die Unternehmen nicht befugt sind, sich bei der Erbringung dieser Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Anteilen von Kunden zu verschaffen, gelten diese Unternehmen nicht als Finanzdienstleistungsinstitute.
• Finanzunternehmen
-andere bei der Anlage in Finanzinstrumenten beraten (Anlageberatung)
Versicherungsagenturen, die auch Anlageberatungen zu Finanzinstrumenten durchführen, sind Finanzunternehmen nach dem KWG mit der Maßgabe, dass Bestimmungen des WpHG zu beachten sind.
b) Wertpapieranlagenberatung nach dem Wertpapierhandelsgesetz
Ziel des Gesetzes ist es, bei Wertpapierberatungen einen angemessenen, den Belangen des Anlegerschutzes genügenden Ausgleich zwischen Kundeninteressen auf der einen Seite und Beraterinteressen auf der anderen Seite sicherzustellen. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber Verhaltensregeln definiert.
Die Einhaltung dieser gesetzlichen Verhaltensregeln wird durch die BaFin überwacht.
• Allgemeine Verhaltensregeln
Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist verpflichtet, Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen im Interesse seiner Kunden mit der erforderlichen Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Sachkenntnis zu erbringen. Dabei hat es sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen. Bei unvermeidbaren Interessenkonflikten hat es dafür zu sorgen, dass der Kundenauftrag unter der gebotenen Wahrung des Kundeninteresses ausgeführt wird.
Um Leistungen im Zusammenhang mit Wertpapieren im Interesse des Kunden erbringen zu können, ist es erforderlich,
– kundenrelevante Daten abzufragen und
– dem Anleger zweckdienliche Informationen zu geben.
Der Anleger muss über Chancen und Risiken von Anlageentscheidungen aufgeklärt werden, damit er die wirtschaftliche Tragweite von Entscheidungen erkennen kann.
Befragen des Kunden | Erteilung zweckdienlicher Informationen |
Um den Kunden richtig einschätzen zu können, ist es für den Berater zwingend erforderlich, folgende Auskünfte vom Kunden zu bekommen: • Anlageziele des Kunden • Bisherige Erfahrungen mit Wertpapieren Die mit dem Kunden erarbeiteten Daten werden aufgrund der gesetzlichen Aufzeichnungspflicht in einem Beratungsbogen schriftlich festgehalten und bei Veränderungen auf Kundenseite aktualisiert. | Der Kunde erhält zweckdienliche Informationen sowohl auf dem schriftlichen als auch auf mündlichem Wege. Die Berater händigen den Kunden grundsätzlich beim ersten Kontakt mit Wertpapieranlagen die Broschüre Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren aus. Daneben halten sie weitere Broschüren und Informationsblätter zu speziellen Themen der Geld- und Vermögensanlage bereit. |
– Insidertatbestand
Nach dem Wertpapierhandelsgesetz ist eine Insiderinformation eine Tatsache, die
1. nicht öffentlich bekannt ist und
2. sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf
Insiderpapiere selbst bezieht und
3. geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der
Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.
Insider kann jedermann werden, der Kenntnisse über relevante Informationen erlangt.
Primärinsider sind alle Personen, die berufsbedingt Insiderinformationen erlangen, zB. Vorstände, Aufsichtsräte, Mitarbeiter in Abteilungen Finanzen, Recht, Controlling, Bankmitarbeiter, Unternehmensberater, Anwälte. Dieser Personengruppe ist es untersagt, einem anderen eine Insidertatsache unbefugt mitzuteilen oder eine Empfehlung zum Kauf- oder Verkauf der betreffenden Wertpapiere zu geben.
Sekundärinsider sind alle Personen, die zufällig Kenntnis von einer Insiderinformation haben.
Beiden Personengruppen ist es verboten, die von der Information betroffenen Insiderpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet.
– Ad-hoc-Publizität
Dem verbotenen Insiderhandeln soll vor allem mit der Ad-hoc-Publizität vorgebeugt werden. Danach hat der Emittent von Wertpapieren Insidertatsachen unverzüglich zu veröffentlichen. Damit verliert die Tatsache ihre Eigenschaft als Insidertatsache und die Chancengleichheit am Wertpapiermarkt wird geschützt. Die BaFin kann den Emittenten allerdings von der Veröffentlichung befreien, wenn die Veröffentlichung der Tatsache geeignet ist, den berechtigten Interessen des Emittenten zu schaden. Eine häufige Ad-hoc-Mitteilung ist z.B. eine Gewinnwarnung, d.h. dass der eigentlich ( erwartete Gewinn im laufenden Jahr nicht erzielt werden kann bzw. sogar ein Verlust zu befürchten ist.
Dokumentation der Beratung
Die Finanzdienstleister kommen der Pflicht zur Erfüllung der gesetzlichen Anweisungen mit dem Einsatz eines Beratungsbogens nach. Aufgrund der Dokumentationspflicht sind folgende Punkte zwingend:
Anlagekenntnisse und -erfahrungen
Mit welchen Arten von Wertpapieren hatte der Kunde bisher schon Kontakt und wie lange tätigt er schon Anlagen in Wertpapiere.
Einige Kreditinstitute teilen die Wertpapiere in Risikoklassen ein, wobei das Risiko von Klasse zu Klasse steigt. Sollte ein Kunde erkennbare und deutliche Wissensdefizite bei bereits erworbenen Wertpapieren haben, so ist er in dieser Kategorie erneut aufzuklären.
Mögliche Klassifizierungen von Wertpapieren:
– Klasse 1: Bundeswertpapiere, Geldmarktfonds, Euro-Anleihen sehr guter Bonität
– Klasse 2: Euro-Anleihen guter Bonität, geldmarktnahe
Euro-Rentenfonds
– Klasse 3: Euro-Rentenfonds, internationale Rentenfonds
– Klasse 4: gemischte Fonds (Aktien, Renten), Wandel- und
Optionsanleihen, Währungsanleihen mit guter Bonität,
– Klasse 5: Euroland-Standardaktien, Euroland-Aktienfonds,
internationale Aktienfonds
– Klasse 6: Euroland-Aktien Nebenwerte, ausländische
Aktien, Regional- und Branchenfonds
– Klasse 7: Emerging Markets Fonds, Börsentermingeschäfte
Anlageziele | Kundenbedürfnisse stehen immer im Mittelpunkt der Beziehung zwischen Berater und Kunde. In einer optimalen Beratung orientiert sich die Anlagestrategie immer an den Kundenzielen. Ziele können sein: – Altersvorsorge – Wohnungseigentum – Konsumwünsche – Vermögensanlage und Vermögensaufbau – Familienvorsorge – Steuerersparnis (Quelle: Deutsche Bundesbank) |
Finanzielle Lage | Hier macht der Kunde Angaben zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation. In den letzten Jahren wurden insbesondere Kunden mit geringem Einkommen bzw. Vermögen von der Rechtsprechung besonders geschützt. Verweigert der Kunde Angaben zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation, wird ein entsprechender Vermerk auf dem Beratungsbogen vorgenommen. |
Anlagementalität, -Strategie und -dauer | In diesem Teil des Gespräches soll der Kunde aufgrund seiner Aussagen einer maximalen Wertpapier-Risikoklasse zugeteilt werden. Er soll sich möglichst auch selber einer Risikoklasse zuordnen. Hierbei kann man dem Kunden dadurch unterstützen, dass man ihm anhand von Grafiken und Tabellen aufzeigt, wie sich ein bestimmtes Anlageverhalten in der Vergangenheit Jahr für Jahr ausgewirkt hätte. |
Beratungsbogen
Beraterhaftung
Wenn ein Vermittler falsch beraten hat, kann der geschädigte Anleger Schadenersatz verlangen. Das kommt nach herrschender Rechtspraxis unter anderem dann infrage, wenn
– der Vermittler den Kunden nicht vollständig und unmissverständlich auf alle
wesentlichen Risiken der Anlage hingewiesen hat,
– der Vermittler die Risiken nicht konkret anhand nachvollziehbarer Zahlen dargestellt
hat,
– er nicht über in der Branche bekannte Risiken informiert hat,
– der Vermittler Negativinformationen aus Presseberichten verschwiegen hat.
Der Vermittler muss sich davon überzeugen, dass der Anleger alle Risiken genau verstanden hat. Dass die Anleger oft große Wissenslücken über den umfangreichen Markt der Geld- und Vermögensanlagen haben, zeigen Umfragen von Meinungsforschern, Verbänden und Verbraucherschützern. So konnten z.B. Anfang 2004 von 15,2 Millionen Fondsbesitzern in Deutschland nur wenige unterschiedliche Fondstypen benennen. Nur vier Prozent fielen Geldmarktfonds ein, nur ein Prozent der Befragten nannte den Begriff Garantiefonds. Als Vorteile einer Fondsanlage erwähnten lediglich 15 Prozent die Risikostreuung.
Quelle: BVI und GfK
Prospektmängel
Prospekte für Anleger, bei denen es sich meist um Laien handelt, dürfen nicht fehlerhaft sein. Laut Bundesgerichtshof (BGH) ist ein Prospekt immer ein Haftungsgrund, auch wenn er nicht der Grund für das Scheitern der Anlage war. Wichtig für Anleger ist, dass der Begriff Prospekt auch Zeitungsanzeigen und andere Werbeschriften umfasst. Für Prospektfehler haften Herausgeber, wenn der Prospekt unter anderem
– Anleger nicht realistisch und vollständig über die wirtschaftlichen Grundlagen,
Chancen und Risiken informiert,
– Risikohinweise versteckt oder Risiken relativiert,
– nicht auf einen möglichen Totalverlust zum Beispiel bei Optionen, Futures oder
stillen Gesellschaftsbeteiligungen hinweist,
– Renditen bei Immobilienbeteiligungen nicht richtig berechnet,
– mit unrealistischen Renditen wirbt.
Kann der Anleger einen Fehler im Prospekt nachweisen, hat er Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Er wird finanziell so gestellt, als hätte er die Anlage gar nicht abgeschlossen.