Den Versicherern gehören neuerdings die Notrufsäulen. Wer diese nach einem Unfall benutzt, ist – wie die Branche meint – ein Schadenkunde für Abschlepper, Autovermieter, Gutachter und andere, die die Branche unter Vertrag hat. Lassen Sie sich also nicht zu irgendwelchen Erklärungen oder Unterschriften überreden. Bestehen Sie auf einer Benachrichtigung Ihres Automobilclubs und – wenn’s kritisch wird – Ihres Anwalts. Bei einem Unfall auf jeden Fall am Schadenort bleiben, Spuren und Zeugenaussagen sichern und möglichst umgehend das Versicherungsunternehmen benachrichtigen. In Zweifelsfällen keine Erklärungen über die Haftung abgeben. Wenn Sie für den Schaden aufkommen müssen, sichern Sie die Beweise für den Schadenumfang an dem fremden Fahrzeug – möglichst durch Fotos oder Zeugen.
Sie können Ihrer Gesellschaft keine Weisungen erteilen, ob und wie viel sie einem Geschädigten zahlen soll. Geschädigte haben einen zweiten (direkten) Anspruch gegen die Versicherungsgesellschaft, die von sich aus verpflichtet ist, den Schaden zu regulieren. Nur wenn Ihre Gesellschaft einen von Ihnen (mit-)verursachten Schaden schuldhaft falsch reguliert, haben Sie einen Schadenersatzanspruch gegen Ihre Versicherungsgesellschaft. Hier gibt es außerdem oft Missverständnisse. Autofahrer, die in einem Bußgeldverfahren freigesprochen worden sind, meinen oft, sie seien dann auch nicht mehr für den angerichteten Schaden verantwortlich.
Bei Kfz-Unfällen geht es aber nicht nach Schuld, sondern nach der so genannten Gefährdungshaftung – das heißt, jeder Fahrzeughalter haftet grundsätzlich für jeden von ihm verursachten oder mitverursachten Schaden, wenn er nicht nachweisen kann, dass der beste und um sichtigste Autofahrer der Welt den Schaden auch nicht hätte vermeiden können. Das Gleiche gilt für die Frage der Mitverursachung eines Unfalls: Wer auf einer Vorfahrtstraße nicht – wie der beste Autofahrer der Welt – sofort bremst, wenn ein Fahrzeug aus der Nebenstraße kommt, sondern sich die Vorfahrt erzwingen will, der erhält bei einem Unfall nur einen Teil seines Schadens ersetzt (möglicherweise sogar nur 20 Prozent seines Schadens) und muss dem Unfallgegner teilweise dessen Schaden bezahlen.
Welche Ansprüche haben Sie als Geschädigter?
Wer einen Schadenersatzanspruch hat, kann – außer bei Bagatellschäden (bis etwa 500 oder 750 Euro) – einen eigenen Gutachter beauftragen, der die Reparaturkosten (bis zu 30 Prozent über dem Wert des Wagens), Reparaturzeit, Nutzungsausfall (oder Mietwagenkosten) und den merkantilen Minderwert berechnet, die – zusammen mit den Gutachter- und evtl. Rechtsanwaltskosten und einer Kostenpauschale von 20 Euro – von der gegnerischen Versicherung bezahlt werden. Dadurch, dass sich jeder Geschädigte – außer bei Bagatellschäden – auf Kosten der gegnerischen Versicherung einen Anwalt nehmen kann, wird die Kfz-Versicherung auch für Geschädigte zu einer Art Rechtsschutzversicherung.
Dabei muss man aber wissen: Rechtsanwälte erhalten recht ordentliche Gebühren auch dann, wenn sie – ohne große Arbeit und ohne einen aufwändigen Prozess zu führen – einen außergerichtlichen Vergleich zustande bringen. Es könnte also sein, dass einige Anwälte zu einem Vergleich mit einem Versicherungsunternehmen raten, der nicht unbedingt im Interesse des Mandanten liegt. Bei einem Haftpflichtschaden kann der Geschädigte verlangen, dass nach Schätzgutachten abgerechnet wird. Man hat Anspruch auf den vollen Geldbetrag, der sich aus dem Gutachten ergibt. Man spricht hier von der fiktiven Abrechnung. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, AZ: VI ZR 226/91) haben Sie Anspruch auf den im Gutachten ermittelten Betrag inklusive Mehrwertsteuer, sofern Sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Hier kommt aber wohl Ende 2001 eine neue gesetzliche Regelung (in § 249 BGB), dass die Mehrwertsteuer nur gegen Vorlage einer Werkstattrechnung erstattet wird.
Mietwagenkosten werden voll ersetzt, wenn man einen kleineren Fahrzeugtyp wählt, aber nur für die notwendige Reparaturdauer, bei Totalschaden so lange, wie dies zur Anschaffung eines Ersatzwagens nötig ist (steht im Gutachten). Man sollte auf jeden Fall den Tages-Entschädigungsbetrag bei der gegnerischer Gesellschaft erfragen und da-nach ein Auto mieten. Bei längerer Reparatur: Langzeittarife der Autovermieter beachten. Bei Personenschäden kann evtl. ein Schmerzensgeld gefordert werden, das von Fall zu Fall nach Art und Umfang der Verletzung und der Dauer der Arbeitsunfähigkeit – notfalls durch ein Gericht – festgesetzt wird. Hier sollte sich keiner mit Entschädigungen abspeisen lassen, die Gerichte früher einmal zugesprochen haben, so OLG Köln (19 U 13/ 92): Zugunsten des Geschädigten ist die seit früheren Entscheidungen eingetretene Geldentwertung ebenso in Rechnung zu stellen wie die in der Rechtsprechung zu beobachtende Tendenz, bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nach gravierenden Verletzungen großzügiger zu verfahren. Mehr als eine Million Mark hat im Jahre 2000 das Landgericht München einem Autofahrer zugesprochen, der nach einem Unfall den Rest seines Lebens im Pflegeheim verbringen muss.
Die Kfz-Versicherer haben seit 1995 angefangen, bei Kfz-Schäden zu knausern. Bis 1995 durften sie nach dem Gesetz nur drei Prozent der Prämien als Gewinne vereinnahmen. Der Überschuss musste an die Versicherten zurückerstattet werden. Seit Mitte 1994 können die Gesellschaften also so viel Gewinne erwirtschaften, wie sie wollen. Und plötzlich beklagt die Branche das legale Mäntelchen der Rechtsprechung, die den Geschädigten einen in Europa einzigartig hohen Schadenersatz zugespielt habe. Es sei höchste Zeit, dass man die Gerichte zu einer Revision bringe. Das Zauberwort heißt Schadensmanagement. Die Unternehmen gründeten ein eigenes Mietwagenunternehmen (carpartner), um in diesem Bereich weniger zahlen zu müssen (auch durch Kürzungen von Mietwagenrechnungen mit der Begründung, man hätte sich ja bei Carpartner einen Wagen billiger mieten können).
Nachdem Kartellamt und Gerichte hierbei nicht mitgespielt haben, war eine andere Idee die Einrichtung unternehmenseigener Kfz-Reparaturwerkstätten – um damit auch noch Geld zu verdienen und Geschädigten die Rechnungen der Vertragswerkstätten ihrer Fahrzeuge zu kürzen mit der Begründung, sie hätten ihren Wagen bei der Versicherungswerkstatt billiger reparieren lassen können. Über die Einflussnahme auf Richter versuchen die Kfz-Versicherer neuerdings, ihre Leistungen für Schmerzensgelder und Bagatellschäden zu drücken, die früher zu hohen Schadenzahlungen, hohen Beiträgen und hohen Gewinnen geführt haben, jetzt aber – nach Wegfall der Gewinnlimitierung – nicht mehr benötigt werden. Dabei sind geringere Zahlungen für Bagatellschäden durchaus sinnvoll.
Denn bisher haben Anwälte, Gutachter und Gerichte aus einem Rempler gegen einen Stoßfänger oft einen Tausend-Mark-Schaden gemacht und die Gesellschaften haben gezahlt – nach dem Motto: Mehr Schadenzahlungen – höhere Prämien – höhere Gewinne. In Frankreich steigt in einem solchen Falle der Angefahrene nicht einmal aus dem Auto. Nur muss jetzt – nach dem Wegfall der Beitragsrückerstattungspflicht – sichergestellt werden, dass Einsparungen bei den Schadenzahlungen den Versicherten zugute kommen und nicht als Gewinne bei den Aktionären landen. In Japan hat man eine ganz einfache Lösung gefunden: Dort wurde die Prämie aufgeteilt in einen Beitrag für den Schadenstopf und einen Preis für die Unternehmens- Dienstleistungen. An das Geld, das durch die vorsichtige Beitragskalkulation ständig im Schadenstopf übrig bleibt, kommen die Gesellschaften nicht heran, um diese Überschüsse als Gewinne zu missbrauchen.
Wer bei einem Unfall verletzt wurde und den Schadenverursacher nicht feststellen kann oder keine Leistungen erhält, kann bis zu drei Jahren nach dem Unfall Ansprüche beim Verein Verkehrsopferhilfe e.V. anmelden (Glockengießerwall I, 20095 Hamburg, Tel. 0 40/30 18 00, Fax 0 40/3 01 80 70 70). Falls Ihr Unfallgegner Fahrerflucht begeht und Sie sein Kennzeichen notieren konnten, können Sie den Versicherer des Fahrzeugs beim Zentralruf der Autoversicherer unter der Nummer 01 80/2 50 26 erfragen.
Hinweise über das eventuelle Selbstbezahlen von kleineren Schäden siehe Geld sparen bei Kfz-Haftpflichtversicherungen.