Gesetzliche Summenbegrenzung
Schon in den Ausführungen zur Gefährdungshaftung wurde dargelegt, dass die strengen Regelungen zur Gefährdungshaftung als Gegengewicht häufig eine Haftungsbegrenzung vorsehen, z.B.
• in § 12 StVG durch Festlegung von Höchsthaftungssummen für Personen und
Sachschäden (600000,00/300000,00 €) oder
• in § 702 BGB, der die Haftung des Hoteliers für eingebrachte Sachen von
Beherbergungsgästen auf max. 3500,00 € begrenzt (vertragliche Haftung kraft
Gesetzes).
Mitwirkendes Verschulden des Geschädigten
Häufig trägt der Geschädigte selbst zur Entstehung bzw. zum Umfang seines Schadens bei. Die Mitverantwortlichkeit führt dann zu einer Verteilung des Schadens nach bestimmten Quoten, die eine Kürzung des Schadenersatzanspruchs, u.U. sogar den Wegfall der Ersatzpflicht des Schädigers, zur Folge hat. Maßgebend ist eine – oft sehr schwierige – Abwägung aller Umstände des Einzelfalls.
-Mitwirkung des Geschädigten bei Entstehung des Schadens
§ 254 (1) BGB nennt als wichtigstes Entscheidungskriterium für eine Kürzung des Ersatzanspruchs das Maß der beiderseitigen Verursachung.
Nicht angeschnallt auf dem Rücksitz: Haftungsbeteiligung
Wer sich auf dem Rücksitz nicht anschnallt und bei einem Unfall verletzt wird, verliert seinen Anspruch auf Ersatz des vollen Schadens. In einem entsprechenden Urteil erschien dem LG Hanau eine Mithaftungsquote von 30 % gegenüber dem Unfallverursacher als angemessen. (KVDB 3/92)
Beispiel:
Ein Ladeninhaber lässt sein Geschäft unter Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz an mehreren Tagen in der Woche bis gegen Mitternacht geöffnet. Dadurch hat ein Konkurrent nachweislich erhebliche Umsatzrückgänge zu verzeichnen.
Das Ladenschlussgesetz ist auch ein Schutzgesetz.
• Auch das Verhalten des Geschädigten muss schuldhaft sein (sog. Mitverschulden),
was natürlich der Schädiger zu beweisen hat.
Beispiele:
• Ein ungeübter Skifahrer hält sich auf einer Rennstrecke auf, an der er aufgrund
seines Verhaltens mit einem Unfall rechnen muss.
• Der Fahrer eines Kfz stellt sein Fahrzeug vor dem Hause ab, von dessen Dach
Schneemassen Überhängen und die Gefahr einer Dachlawine droht.
• Nichttragen eines Sturzhelms bei Motorradfahrern bzw. Nichtanlegen von
Sicherheitsgurten im Kfz.
In all diesen Fällen hat der Geschädigte die zur Wahrung eigener Interessen verkehrserforderliche Sorgfalt verletzt und dadurch die Gefahr seiner Schädigung selbst geschaffen bzw. mit erhöht.
Ein nach § 254 BGB zu beurteilender Fall liegt auch dort vor, wo jemand sich bewusst in eine Situation hineinbegibt, deren besondere Gefahren für ihn erkennbar sind; z. B. wenn jemand sich in einem Kfz mitnehmen lässt, dessen Fahrer deutlich erkennbar fahruntüchtig ist (Handeln auf eigene Gefahr). Ähnlich verhält es sich, wenn die Verletzung bei der Teilnahme an einem Fußballspiel durch das regelwidrige Verhalten eines anderen Spielers verursacht worden ist.
• Auch die Mitverursachung durch Betriebsgefahren ist zu berücksichtigen, ohne
dass den Geschädigten ein Verschulden treffen muss.
Beispiel:
Ein unvorsichtiger Fußgänger hat es verschuldet, dass ein Kfz-Fahrer mit seinem Pkw einen Schaden erlitt. Der Fußgänger ist schadenersatzpflichtig, doch die Betriebsgefahr des Kfz mindert zum Nachteil des Kfz-Fahrers die Schadenersatzpflicht.
– Unterlassene Warnung sowie Schadenabwendung bzw. -minderung
•Das mitwirkende Verschulden des Geschädigten kann sich auch darauf
beschränken, dass er es unterlassen hat, den Schädiger auf die Gefahr eines
ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schädiger weder
kannte noch kennen musste.
Beispiel:
A gibt ein altes Bild zum Einrahmen und weist nicht auf dessen hohen Wert hin. ,
Beim Einrahmen beschädigt der Beauftragte (Vertragspartner) das Bild erheblich.
§ 254 BGB ist also nicht nur auf Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und Gefährdungshaftung, sondern auch auf Schadenersatzansprüche aus Vertragshaftung anzuwenden.
• Der Geschädigte bzw. sein gesetzlicher Vertreter hat es nach Eintritt des Schadens
unterlassen, den Schaden durch zumutbare Maßnahmen abzuwenden oder zu
mindern.
Beispiel:
• Unterlassen einer ärztlichen Behandlung nach Verletzung
• Verweigerung einer gefährlichen Operation
• Verzögerte Reparaturvergabe bei beschädigten Kfz
Direktabzug des Mithaftungsanteils eines gesetzlichen Vertreters oder
Erfüllungsgehilfen bei Ersatzansprüchen aus Vertragshaftung
Beispiel:
Ein sechsjähriges Kind ist vom Balkon der elterlichen Wohnung gestürzt und hat sich hierbei erheblich verletzt. Vertreten durch die Eltern als gesetzliche Vertreter macht es Schadenersatzansprüche gegen den Wohnungsvermieter geltend, weil die Balkonbrüstung entgegen den baupolizeilichen Vorschriften zu niedrig und damit die Mietsache mit einem für den Schaden ursächlichen Fehler behaftet war (Vertragshaftung kraft Gesetzes).
Der Vermieter wird hier mit Erfolg einwenden können, dass sich das sechsjährige Kind ein Mitverschulden der Eltern aus Aufsichtspflichtverletzung anrechnen lassen muss.
Im Rahmen der Deliktshaftung ist ein Direktabzug nicht möglich. Der Schädiger haftet hier dem Aufsichtsbedürftigen für den vollen Schaden gesamtschuldnerisch neben den Eltern.
Vorteilsausgleichung
Auch ein Vorteilsausgleich kann den Ersatzanspruch mindern. Dadurch soll vermieden werden, dass der Geschädigte durch die Schadenersatzleistung besser gestellt wird, als er vor dem Schadensfall gestanden hat.
– Grundsatz
Sind Vorteile bei der Schadenberechnung zu berücksichtigen, so beschränkt sich die Ersatzpflicht auf die Differenz zwischen Schaden und Vorteil.
Beispiel:
Einsparung von Kosten für häusliche Verpflegung während eines fremdverschuldeten Krankenhausaufenthalts.
– Abzug neu für alt
Er kommt aber nur in Betracht, wenn der Geschädigte durch die Ersatzleistung eine messbare Vermögensverbesserung erhalten hat und ein Abzug daher zumutbar ist. Bei Wertersatz einer nicht reparaturfähigen Sache (technischer bzw. wirtschaftlicher Totalschaden) wird i. d. R. der Restwert der zerstörten Sache auf die Schadenersatzforderung angerechnet.
Der Wertausgleich darf den Schädiger nicht in unverdienter Weise begünstigen.
Nicht anzurechnen sind daher eine Entschädigung aus einer Lebens-, Unfall- oder Tagegeldversicherung (Summenversicherung).
Erhält der Geschädigte Leistungen aus der Sozialversicherung, aus einem Beamten- oder Arbeitsverhältnis (insbesondere Lohnfortzahlung) oder aus einer Schadenversicherung (u.a. Feuer-, ED- oder Kaskoversicherung), so findet deshalb kein Vorteilsausgleich statt, weil sein Ersatzanspruch gegen den Schädiger auf den Versicherungsträger, den Staat, Arbeitgeber oder die Versicherungsgesellschaft von Gesetzes wegen übergeht (gesetzlicher Forderungsübergang).
Verjährung
Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, Gefährdungshaftung (StVG, ProdHG) und Vertragsverhältnissen verjähren in 3 Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem
• der Anspruch entstanden ist (objektives Kriterium: Schadeneintritt) und
• der Geschädigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person
des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen
müssen (subjektives Kriterium: Kenntnis).
Da der Schaden erst lange Zeit nach dem maßgebenden Ereignis eintreten kann, sieht das Gesetz Maximalfristen vor. So verjähren Schadenersatzansprüche unabhängig vom Zeitpunkt des Schadeneintritts spätestens nach 30 Jahren ab Beginn der Handlung bzw. der Pflichtverletzung.
Schadenersatzansprüche, die nicht auf einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen (also vor allem Sachschäden) verjähren allerdings auch bei Fehlen des subjektiven Elements Kenntnis spätestens 10 Jahre nach Schadeneintritt.
Beispiel:
A erleidet am 12. Dez. 2007 einen Unfall mit seinem Motorrad. Am 10. Februar 2008 stellt sich heraus, dass der Unfall im wesentlichen auf eine mangelhafte Reparatur zurückzuführen ist, die der Motorradhändler B am 10. Nov. 2007 durchgeführt hatte. Erst Jahre später ergeben sich aus den Verletzungen, die A bei dem Unfall am 12. Dez. 2007 erlitten hatte, schwere irreversible Gesundheitsschäden.
Während der Verhandlung über den Schadenersatz ist die Verjährung gehemmt, z.B. wenn A und B zwischen dem 05. April 2008 und dem 05. Mai 2008 über die Höhe des Anspruchs und ein etwaiges Mitverschulden des A verhandelt haben.
Umfang des zu ersetzenden Schadens – Lernkotrolle und Tests
1. Der Radfahrer A hatte die Fußgängerin B angefahren. Dabei wurde der wertvolle
Mantel der B erheblich beschädigt.
Im Rahmen der Schadenregulierung erweist sich der Mantel als
– noch reparaturfähig (Reparaturdauer 4 Wochen),
– nicht reparaturfähig.
Erläutern Sie anhand dieses Beispiels die Begriffe Nutzungsausfall und Vorteilsausgleich.
2. Welche Funktionen hat die Rechtsprechung dem Schmerzensgeld zugedacht?
3. Kann der Anspruch auf Schmerzensgeld übertragen oder vererbt werden?