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Jahresabschluss im Versicherungsunternehmen – Gewinn- und Verlustrechnung

Im Gegensatz zur Bilanz ist die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) eine Zeitraumbetrachtung, ergänzt die statische Perspektive der Bilanz also um eine dynamische Perspektive. Die GuV stellt die während des Betrachtungszeitraums (im Allgemeinen ein Geschäftsjahr) angefallenen Erträge und Aufwendungen einander gegenüber und ist das Kernstück der periodenbezogenen Erfolgsrechnung im Unternehmen. Die GuV hat bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich eine Staffelform §275(1) HGB), bei der schrittweise alle angefallenen Erträge und Aufwendungen miteinander verrechnet werden; als Ergebnis wird ein Periodengewinn oder -Verlust ausgewiesen.

Die GuV einer Kapitalgesellschaft kann nach §275(2) bzw. (3) HGB auf zwei Arten und Weisen strukturiert werden. Beim Umsatzkostenverfahren werden die Aufwendungen primär nach Bereichen bzw. Funktionen wie Produktion, Vertrieb und Verwaltung unterteilt, beim Gesamtkostenverfahren hingegen nach den Aufwandsarten Materialaufwand, Personalaufwand und Abschreibungen. Für Versicherungsunternehmen sind beide Verfahren in dieser Form eher ungeeignet, da versicherungsspezifische Ertrags- und Aufwandsarten wie etwa das Rückversicherungsgeschäft zu berücksichtigen sind. Das in der Versicherungspraxis verwendete Verfahren unterscheidet eine versicherungstechnische und eine nichtversicherungstechnische Rechnung und ähnelt dem Umsatzverfahren.

Die genaue Struktur der GuV im Versicherungsunternehmen ist in den Formblättern 2 und 3 der RechVersV beschrieben. Die RechVersV unterscheidet zwischen Lebens- und Krankenversicherern einerseits und Schaden- und Unfallversicherern andererseits. Beispielsweise spielt die Rückstellung für Beitragsrückerstattungen (RfB) nur in der Lebens- und Krankenversicherung eine Rolle, die Schwankungsrückstellung nur in der Schaden- und Unfallversicherung.

Lebens- und KrankenversicherungSchaden- und Unfallversicherung
 

 

I. Versicherungstechnische RechnungI. Versicherungstechnische Rechnung
1.Beitragseinnahmen1.Beitragseinnahmen
2.Beiträge aus der RfB
3.Erträge aus Kapitalanlagen
4.Nicht realisierte Gewinne aus Kapitalanlagen2.Technischer Zinsertrag für eigene Rechnung
5.Sonstige versicherungstechnische Erträge3.Sonstige versicherungstechnische Erträge
f.e.R.f.e.R.
6.Aufwendungen für Versicherungsfälle4.Aufwendungen für Versicherungsfälle
7.Veränderung der versicherungstechnischen5.Veränderung der versicherungstechnischen
Netto-RückstellungenNetto-Rückstellungen
8.Aufwendungen für Beitragsrückerstattungen6.Aufwendungen für Beitragsrückerstattungen
9.Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb7.Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb
10. Aufwendungen für Kapitalanlagen
11Nicht realisierte Verluste aus Kapitalanlagen
12. Sonstige versicherungstechnische8.Sonstige versicherungstechnische
Aufwendungen f. e. R.9.Aufwendungen f.e.R. Zwischensumme
10. Veränderung der Schwankungsrückstellung
13. Versicherungstechnisches Ergebnis11.Versicherungstechnisches Ergebnis
II. Nichtversicherungstechnische RechnungII. Nichtversicherungstechnische Rechnung
1.Erträge aus Kapitalanlagen
2.Aufwendungen für Kapitalanlagen
3.Technischer Zinsertrag
1.Sonstige Erträge4.Sonstige Erträge
2.Sonstige Aufwendungen5.Sonstige Aufwendungen
3.Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit6.Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit
4.Außerordentliche Erträge7.Außerordentliche Erträge
5.Außerordentliche Aufwendungen8.Außerordentliche Aufwendungen
6.Außerordentliches Ergebnis9.Außerordentliches Ergebnis
7.Steuern vom Einkommen und vom Ertrag10.Steuern vom Einkommen und vom Ertrag
8.Sonstige Steuern11.Sonstige Steuern
9.Erträge aus Verlustübernahmen12.Erträge aus Verlustübernahmen
10Aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines13.Aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines
Gewinnabführungs- oder eines Teilgewinnabführungsvertrages –Gewinnabführungs- oder eines Teilgewinnabführungsvertrages
abgeführte Gewinneabgeführte Gewinne
11Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag14.Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag

Schematischer Aufbau der Gewinn- und Verlustrechnung von Versicherungsunternehmen nach Sparten

(Quelle: Formblätter 2 bzw. 3 der RechVersV)

Die Beitragseinnahmen am oberen Ende der GuV sind die verdienten Beiträge für eigene Rechnung (f.e.R.); sie ergeben sich aus den gebuchten Bruttobeiträgen nach Abzug der abgegebenen Rückversicherungsbeiträge und Berücksichtigung etwaiger Beitragsüberträge aus benachbarten Geschäftsjahren. Die Beitragseinnahmen entsprechen dem Umsatzbegriff der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, sind also ein Maß für die Größe eines Versicherungsunternehmens, nicht jedoch für dessen Ertragsstärke. Die weitere Struktur der GuV dient vor allem dem Zweck, aus dieser Umsatzgröße den letztlich erwirtschafteten Jahresüberschuss zu ermitteln, der die zentrale Erfolgsgröße des Jahresabschlusses darstellt.

Wichtigster Einzelertrag neben den Beitragseinnahmen sind normalerweise die Erträge aus Kapitalanlagen, die je nach Sparte zur versicherungstechnischen Rechnung (Lebens- und Krankenversicherung) oder zur nichtversicherungstechnischen Rechnung (Schaden- und Unfallversicherung) gezählt werden (§45(1) RechVersV). Sie setzen sich aus Erträgen aus Beteiligungen (Dividenden), Zinserträgen aus anderen Kapitalanlagen (Miet- und Pachtverträge, Fondsbeteiligungen, festverzinsliche Wertpapieren), Erträgen aus Zuschreibungen (Wertaufholung), Erträgen aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsverträgen sowie Erträgen aus dem Abgang von Kapitalanlagen (zum Beispiel aus Veräußerungen von Aktien) zusammen. Der zusätzlich in der versicherungstechnischen Rechnung von Schaden- und Unfallversicherern auftretende Posten Technischer Zinsertrag für eigene Rechnung ist in § 38 RechVersV geregelt und beschreibt im Wesentlichen Kapitalerträge für nach Art der Lebensversicherung angebotene Produkte und ist nur von geringer Bedeutung.

Die unterschiedliche Verbuchung der Kapitalerträge je nach Versicherungssparte ist eine Folge des ausgeprägten Sparcharakters vieler Produkte der Lebens- und Krankenversicherung. Bei kapitalbildenden Lebensversicherungen und Rentenversicherungen ist dieser Sparcharakter ein offensichtlicher Bestandteil der Versicherungsleistung, bei Krankheitskostenvoll Versicherungen und Risikolebensversicherungen werden über die Alterungsrückstellung bzw. Deckungsrückstellung in frühen Jahren der Vertragslaufzeit Rückstellungen für spätere Jahre gebildet. In beiden Fällen hängt die letztlich gewährte Versicherungsleistung entscheidend von Kapitalerträgen ab, da große Teile der eingezahlten Beiträge auf den Kapitalmärkten für längere Zeit investiert werden.

Eine weitere Ertragsform speziell der Lebens- und Krankenversicherung sind die Beiträge aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen (RfB). Hierbei handelt es sich um Mittel, die der RfB entnommen werden und zum Beispiel in Form von Beitragsentlastungen an die Versichertengemeinschaft fließen (speziell in der Krankenversicherung etwa zur Dämpfung von Beitragserhöhungen).

Unter den Aufwendungen stehen die Aufwendungen für Versicherungsfälle naturgemäß im Mittelpunkt. Bei Lebens- und Krankenversicherern ist diese Größe im zeitlichen Verlauf nur relativ geringen Schwankungen ausgesetzt und in der Regel gut vorhersagbar. Anders in der Schaden- und Unfallversicherung: Hier ist gerade in der Folge von Naturkatastrophen mit großen Einzelschäden oder Kumulschäden (etwa Häufung von Schäden nach einem Hagelsturm) zu rechnen, die den Jahresüberschuss trotz Rückversicherung massiv beeinträchtigen können.

Aufgrund des Vorsichtsprinzips liegen die tatsächlichen Schäden normalerweise deutlich unter den bei der Beitragskalkulation verwendeten Schätzwerten, weshalb Überschüsse anfallen. Diese Überschüsse werden entweder mit einer zeitlichen Verzögerung oder direkt an die Versichertengemeinschaft zurücktransferiert, was seinen Niederschlag in den Aufwendungen für Beitragsrückerstattungen findet. Die hier an die Versichertengemeinschaft zurückfließenden Mittel werden häufig bei der Beitragskalkulation direkt berücksichtigt (zum Beispiel Sofortrabatt bzw.
Beitragsverrechnung in der Lebensversicherung).

Ein weiterer wichtiger Aufwandsposten sind die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb. die sich in der Lebens- und Krankenversicherung noch in Abschluss- und Verwaltungsaufwendungen unterteilen. Die genannten Zahlenwerte in der GuV geben an, welche Beträge das Versicherungsunternehmen zur Unterhaltung seiner Abschluss- und Verwaltungstätigkeiten während des Betrachtungszeitraums aufgewendet hat und stellen im Verhältnis zu den Beitragseinnahmen einen wichtigen Effizienzparameter für das Wirtschaften im Versicherungsunternehmen dar. Die Veränderungen der versicherungstechnischen Netto-Rückstellungen können als Ertrag oder als Aufwand in der GuV auftreten. Gemeint sind jeweils Entnahmen oder Zuführungen aus der Deckungsrückstellung (Leben und Kranken) bzw. der Schwankungsrückstellung (Schaden und Unfall).

Die sonstigen Erträge bzw. sonstigen Aufwendungen in der nichtversicherungstechnischen Rechnung sind ein Sammelbecken für unter anderem:
• Erträge aus Dienstleistungen für Dritte (Vermittlung an andere Versicherungsunternehmen),
• Erträge als Einlagen bei Kreditinstituten,
• Personal- und Sachaufwendungen, die nicht näher zugeordnet werden können,
• Zinsaufwendungen einschließlich der Zinszuführung zur Pensionsrückstellung (keine Depotzinsen).

Alles in allem bildet die GuV damit eine Erfolgsrechnung auf der Ebene des Gesamtunternehmens, die aufsichtsrechtlichen Melde- und Offenlegungspflichten genügt. Speziell zur Unternehmenssteuerung ist die GuV jedoch zu grob und muss durch eine detaillierte Erfolgsrechnung wie etwa die Deckungsbeitragsrechnung oder weitergehende Auswertungen auf Kennzahlenbasis ergänzt werden.

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