Am liebsten werden Mühlsteine unter Wasser gegen Feuer versichert. (Alte Erkenntnis)
Ich bin bei der Assicurazioni-Generali,… und das Versicherungswesen selbst interessiert mich sehr, aber meine vorläufige Arbeit ist traurig. (Franz Kafka, am 8.10.1907 an Hedwig W.) Am Anfang der Legende steht die Gemeinschaft. Von der Idee her ist eine Versicherung nichts anderes als der Zusammenschluss vieler einzelner zu einer Versichertengemeinschaft, in der jeder für die Schäden eines anderen aufkommt. Doch der gemeinsame Geldtopf muss verwaltet werden: Das tun die Versicherungsgesellschaften. Sie nennen sich selbst manchmal Sicherheitsfabriken. Doch im Unterschied zu einem Produktionsbetrieb wird die Ware Versicherung erst verkauft, dann produziert. Ihr Preis ergibt sich nicht aus der Berechnung der Stückkosten, sondern anhand der Statistik. Viel stärker als ein Produktionsbetrieb ist die Organisation des Versicherungsbetriebs auf den Vertrieb konzentriert. Die wichtigsten Kostenfaktoren bei der Prämienkalkulation sind die Schadenaufwendungen und die Kosten für den Versicherungsbetrieb. Bei der Kapital-Lebensversicherung kommt noch der Sparanteil hinzu. Zu den Kosten zählen die Abschlusskosten, die Inkassokosten durch Beitragseinzug und die laufenden Betriebskosten. Dabei machen die Abschlusskosten den größten Teil aus. Die Gesamtprämie ergibt sich aus der Nettoprämie zur Deckung der Risikokosten, dem Sparanteil bei kapitalbildender Lebensversicherung, einem Sicherheitszuschlag und dem Kostenanteil. Das Ergebnis ist die Bruttoprämie. Voraussetzung der Kalkulation ist die weitgehende Gleichartigkeit der Risiken. Weitere Ausgleichsmöglichkeiten ergeben sich durch die Schwankungsrückstellung und die Rückversicherung.
Ein Kalkulationsbeispiel: Die Sterbetafel
Keine Versicherung ohne das Gesetz der großen Zahl und keine Prämie ohne Mathematik. Die Kalkulation ausreichender Prämien steht am Beginn eines Versicherungsangebotes. Versicherungsmathematiker haben die Schlüsselrolle bei Versicherungen und werden in Zukunft mit zunehmendem Wettbewerb noch wichtiger werden: Die stets großzügig kalkulierten Tarife werden auf das notwendige Niveau gesenkt werden müssen, die Kalkulation muss also genauer werden. Das bekannteste Beispiel einer Kalkulation ist die Sterbewahrscheinlichkeit für die Tarife bei der Lebensversicherung. Sie basiert auf der sogenannten Sterbetafel: Die Sterbetafel gibt für jedes Alter an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, in diesem Jahr zu sterben. Grundlage einer Kalkulation ist die Statistik. Bei einer Sterbetafel sind zwei statistische Erhebungsverfahren möglich: die Kohorten- oder Generationentafel und die Periodentafel. Einfacher ist die Periodentafel: Die Daten werden durch Beobachtung eines Zeitraums von zwei bis drei Jahren erhoben. Die Bevölkerung wird relativ kurze Zeit beobachtet. Dann werden die Toten eines bestimmten Alters innerhalb eines Jahres auf die Gesamtzahl hochgerechnet. Das Ergebnis ist die altersspezifische Sterblichkeit oder die Wahrscheinlichkeit, in einem bestimmten Alter zu sterben. Dabei wird nach Männern und Frauen unterschieden: Männliche Werte bekommen das Kürzel x, weibliche Werte das Kürzel y. Im Fachchinesisch der Versicherungsmathematiker wird von x- und y-Werten gesprochen. Die Versicherungsmathematiker wählen dann aber den Umkehrschluss, nämlich wie viele Personen von einer Personengruppe eines bestimmten Alters, statistisch gesehen, noch leben. Versicherungen, die mit so viel Unglück zu tun haben, suchen offenbar die positive Seite. Genauer, aber auch wesentlich aufwendiger ist die Kohortensterbetafel: Hier wird die tatsächliche Entwicklung der Sterblichkeit eines Jahrgangs beobachtet. Es wird also eine reale Gruppe über einen bestimmten Zeitraum verfolgt. In der Praxis wird allerdings die Periodensterbetafel verwendet. Sie hinkte lange Zeit wegen der stetig höheren Lebenserwartung gegenüber der tatsächlichen Entwicklung nach. Damit war sie aber auch besonders brauchbar, da die Lebensversicherung ohnehin sehr vorsichtig zu kalkulieren hatte und so leicht Sterblichkeitsgewinne erzielen konnte. Bei der Rentenversicherung dagegen war es notwendig, die Periodensterbetafeln durch die Kohorten oder durch eine kalkulatorische Korrektur zu verbessern.
Doch die Sterblichkeit allein ist noch nicht ausreichend, um zur Prämie für die Lebensversicherung zu kommen. Die Prämie muss als zweiten Faktor auch noch den Zins berücksichtigen. Denn solange der Versicherte nicht stirbt, können die eingezahlten Prämien zinsbringend angelegt werden. Heute kann der Zinseffekt per Computer leicht errechnet werden. Zuvor gab es ein Formelwerk, das nach Alter und Laufzeit des Vertrages bestimmte Werte angab. Diese Werte werden Kommutationswerte genannt. Als Rechnungs-zins werden magere 3,5 oder 4 Prozent zugrunde gelegt, seit Juli 2000 nun 3,25 Prozent. Der dritte Faktor, der bei der Prämie zu berücksichtigen ist, sind die Kosten des Versicherers für Vertrieb und Verwaltung. Die Versicherer machen bei dieser Kalkulation meist ein gutes Geschäft: Da sie sich die Risiken aussuchen (in diesem Fall über Risikoprüfung und Gesundheitstest), verzeichnen sie innerhalb der Versichertengemeinschaft meist weniger Todesfälle als kalkuliert. Außerdem erwirtschaften sie fast immer höhere Erträge als nur den Rechnungszins.