Die modifizierten Vorschriften zur privaten Krankenversicherung (§§ 192-208 VVG) sind in engem Zusammenhang mit Neuregelungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom Frühjahr 2007 zu sehen. Sie lösen §§ 178a- 178o VVG-alt ab. Einige Regelungen vertragsrechtlicher Natur sind erst mit Wirkung zum 1. Januar 2009 aus dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ins VVG übernommen und dabei §§ 192-208 VVG nochmals geändert worden.
§ 192 VVG definiert in sehr allgemeinem Umfang die Leistungsstruktur der wesentlichen Zweige der Krankenversicherung, die in den AVB der Unternehmen näher zu bestimmen sind. Eine wichtige Erweiterung des alten § 178 b VVG-alt stellt zum einen die Aufzählung gewisser Beratungs- und Assistenzleistungen dar, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben. Zum anderen wird erstmals ein eingeschränktes Wirtschaftlichkeitsgebot eingeführt, das den Versicherer von überteuerten Leistungen freistellt, bei denen „die Aufwendungen (…) in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen“. Aufgrund der hohen Schutzfunktion der Krankenversicherung finden einige Rechte des Versicherungsunternehmens auf Krankenversicherer nicht oder nur eingeschränkt Anwendung (§194 VVG). Der Aspekt der Gefahrerhöhung darf beispielsweise keine Sanktionen auslösen, weil der Versicherte Erhöhungen seines Krankheitsrisikos oft gar nicht beeinflussen kann.
Ebenso wird bei Zahlungsverzug die Mindestfrist, die der Versicherer dem säumigen Beitragszahler einräumen muss, von zwei Wochen nach § 38(1) VVG auf zwei Monate erweitert. Hinzu kommen erweiterte Informationspflichten, die sich auf die Nachteile beim Abschluss einer neuen Versicherung nach Kündigung durch den Versicherer und mögliche Zuschüsse durch die Träger von Sozialleistungen beziehen.
Die substitutive Krankenversicherung wird unbefristet geschlossen (§195(1) VVG), da eine Befristung den Versicherungsnehmer in die Lage bringen könnte, sich bei einem anderen Versicherer gar nicht oder nur erheblich teurer versichern zu können. Begrenzte Laufzeiten können aber zum Beispiel vereinbart werden:
• in der Ausbildungs- oder Auslandsreisekrankenversicherung, deren Schutzfunktion sich typischerweise auf eine begrenzte Lebensphase des Versicherungsnehmers bezieht (§ 195(2) VVG),
• in der Krankentagegeldversicherung, deren Lohnersatzfunktion ab Eintritt in den Ruhestand nicht mehr benötigt wird (§ 196 VVG),
• in der Krankheitskostenversicherung beihilfeberechtigter Personen im öffentlichen Dienst (§ 199 VVG). Hier ersetzt die Beihilfe einen Teil der tatsächlich entstandenen Kosten für medizinische Behandlungen, nur der verbleibende Anteil muss privat abgesichert werden. Erhöht sich der Prozentsatz der Beihilfe beim Eintritt in den Ruhestand, reduziert sich folglich der private Absicherungsbedarf entsprechend.
Korrespondierend zum unbefristeten Charakter der substitutiven Krankenversicherung ist hierbei auch das ordentliche Kündigungsrecht durch den Versicherer ausgeschlossen (§206(1) VVG). Beihilfeberechtigte, deren Beihilfesatz sinkt, können innerhalb von sechs Monaten ihren Krankenversicherungsschutz entsprechend aufstocken, ohne dass dafür eine erneute Gesundheitsprüfung erforderlich ist.
§ 201 VVG verpflichtet den Versicherer abweichend von § 81 VVG auch bei grober Fahrlässigkeit zur Leistung im vereinbarten Umfang. Er bleibt nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles leistungsfrei, sofern dieser ihn selbst betrifft.
Unter bestimmten Voraussetzungen sind im Rahmen eines Treuhänderverfahrens Beitragsanpassungen und Anpassungen der Versicherungsbedingungen zulässig (§ 203 VVG). Beitragsanpassungen setzen eine als langfristig anzusehende Änderung der biometrischen Rechnungsgrundlagen (Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeiten) voraus. Änderungen des Rechnungs-Zinssatzes dürfen dabei berücksichtigt werden, aber nicht für sich genommen als Auslöser einer Beitragsanpassung dienen.
Um vor allem älteren Versicherungsnehmern einen Ausweg aus stark steigenden Beitragslasten zu eröffnen, regelt §204 VVG, dass der Versicherer einen Tarifwechsel in gleichwertige Tarife zulassen muss. Die bereits aufgebaute Alterungsrückstellung bleibt dabei erhalten. Beim Wechsel in einen Tarif, der gegen höheren Beitrag auch höhere Leistung umfasst, kann der Versicherungsnehmer die Gleichwertigkeit von neuem und altem Tarif durch Leistungsausschlüsse sicherstellen. Der Versicherer darf dann keinen höheren Beitrag als im alten Tarif fordern.
Abweichend von den allgemeinen Kündigungsbestimmungen kann der Versicherungsnehmer einen für mehrere Jahre geschlossenen Vertrag zum Ende eines jeden Versicherungsjahres kündigen, auch bereits im ersten Jahr. Zudem gilt jederzeit ein bis zu drei Monate rückwirkendes Kündigungsrecht, sofern der Versicherungsnehmer kraft Gesetzes wieder GKV-pflichtig geworden ist. Als Kündigungsgründe gelten auch nachträgliche Beitragserhöhungen und Leistungsbeschränkungen; die Kündigungsfrist beträgt dann einen Monat, nachdem der Versicherungsnehmer die betreffende Information erhalten hat (§205 VVG). Ergänzend zum Kündigungsausschluss in der substitutiven Krankenversicherung gemäß §206(1) VVG ist das Kündigungsrecht des Versicherers bei einigen weiteren Versicherungszweigen ausgeschlossen oder nur innerhalb der ersten Versicherungsjahre gegeben (§206 (2)-(3) VVG).
Versicherte, die in einer Krankheitskosten- oder Pflegekrankenversicherung nicht selbst Versicherungsnehmer, also direkte Vertragspartner des Versicherungsunternehmens, sind, können bei Zahlungsverzug des Versicherungsnehmers die Versicherung selbst fortführen und dadurch den Versicherungsschutz aufrechterhalten (§ 206 (4) VVG). Dies gilt auch bei Tod des Versicherungsnehmers oder wenn dieser selbst die Versicherung für eine andere versicherte Person kündigt. Im letzten Fall muss die versicherte Person vom Versicherungsnehmer informiert worden sein, damit dessen Kündigung wirksam werden kann (§207 VVG).
Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz trifft ergänzend zum VVG einige Regelungen, die sich auf das Geschäft der privaten Krankenversicherung beziehen. Die wesentlichen Elemente lauten wie folgt:
• Personen, die nicht gesetzlich pflichtversichert sind oder definierten Gruppen angehören (wie Anspruchsberechtigte freier Heilfürsorge oder Empfänger von Leistungen anderer Sozialversicherungsträger) müssen ihre ab dem 1. Januar 2008 bestehende Versicherungspflicht durch Abschluß eines privaten Krankheitskostenversicherungsvertrages erfüllen. Entsprechend der seit 1. Juli 2007 geltenden Bestimmung darf diesem Personenkreis der Versicherungsschutz, dessen Umfang sich am Leistungsspektrum der GKV orientiert, auch nicht verweigert werden (so genannter Standardtarif). Allerdings muss der Versicherer nur bis Ende 2007 auch für beim Versicherungsabschluss bereits laufende Behandlungen einstehen. Diese Bestimmung ging mit dem 1. Januar 2009 in § 193(3) VVG über.
• Der Versicherer darf zudem eine auf der Versicherungspflicht beruhende private Krankheitskostenversicherung nicht kündigen. Der Versicherungsnehmer darf sie nur kündigen, wenn er gleichzeitig für die versicherte Person bei einem anderen Versicherer eine mindestens gleichwertige Versicherung abschließt. Beide Regelungen gingen zum 1.Januar 2009 in §206(1) VVG bzw. in §205(6) VVG über.
• Seit dem 1. Januar 2009 müssen alle privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Basistarif anbieten, dessen inhaltliche Ausgestaltung in § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vorgenommen wurde. Er löst den bis zum 31. Dezember 2008 angebotenen Standardtarif ab. Insbesondere ist sein Beitrag auf den Höchstbeitrag der GKV begrenzt und darf auch nicht um Risikozuschläge erhöht werden.
• Aufnahme in diesen Basistarif ist unter anderem Personen zu gewähren, die eine der folgenden Bedingungen erfüllen, indem sie:
– als freiwillig GKV-Versicherte die Dreijahresfrist für den Wechsel in die private Krankenversicherung erfüllen und den Wechsel spätestens zum 30. Juni 2009 vollziehen,
– vor dem 1. Januar 2009 einen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag abgeschlossen haben und den Wechsel spätestens zum 30. Juni 2009 vollziehen; der Wechsel darf auch innerhalb desselben Unternehmens erfolgen, – vor dem 1. Januar 2009 einen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag beim selben Unternehmen abgeschlossen haben und entweder das 55. Lebensjahr vollendet haben oder bereits gesetzliche Rente bzw. ein beamtenrechtliches Ruhegehalt beziehen,
– nach dem 1 .Januar 2009 einen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag abgeschlossen haben; der Wechsel darf auch innerhalb desselben Unternehmens erfolgen.
Die Aufnahme darf nur verweigert werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Vertrag vom Versicherer durch Anfechtung oder Rücktritt wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten beendet wurde. Diese Regelungen gingen zum 1. Januar 2009 in § 193(5) VVG bzw. § 204(1) VVG über.
• Bei einem Tarifwechsel innerhalb desselben Versicherungsunternehmens bestand schon nach altem Recht Anspruch auf vollständige Übertragung der Alterungsrückstellung. Dieser Anspruch gilt seit dem 1. Januar 2009 auch, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag kündigt und bei einem anderen Unternehmen einen neuen Vertrag abschließt, sofern
– der gekündigte Vertrag nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde oder
– der gekündigte Vertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde, die Kündigung aber vor dem 1. Juli 2009 erfolgt und der Vertrag beim neuen Versicherer im Basistarif abgeschlossen wird.
Die Mitnahme der Alterungsrückstellung wird in diesen beiden Fällen allerdings auf die kalkulatorisch dem Basistarif entsprechende Leistung begrenzt. Diese Regelungen gingen zum 1. Januar 2009 in § 204 (1) VVG über.
• Bei Krankheitskostenversicherungen, die der Erfüllung der Versicherungspflicht dienen, darf Zahlungsverzug seit dem 1. Januar 2009 zwar nach wie vor angemahnt werden, ist jedoch kein zulässiger Kündigungsgrund mehr. Der Versicherer darf den Vertrag stattdessen bis zum Ausgleich der rückständigen Beiträge ruhen lassen und ist nur zur Erstattung von Aufwendungen zur Behandlung akuter Erkrankungen, Schmerzzustände, bei Schwangerschaft oder Mutterschaft verpflichtet. Diese Regelung ging zum 1. Januar 2009 in § 193(6) VVG über.