a) Begriff und Wesen
Die Aktiengesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person) und einem gezeichneten Kapital (Grundkapital), das in sehr viele Aktien zerlegt sein kann. Dadurch ist es möglich, eine Vielzahl von Geldgebern zu beteiligen und die Gesellschaft mit einem großen Kapital auszustatten. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft Dritten gegenüber haftet nur das Gesellschaftsvermögen, sodass der Aktionär nur seine Einlage riskiert, für die er allerdings der AG gegenüber haftet, solange er sie noch nicht voll eingezahlt hat.
b) Rechtsgrundlagen
Der Schutz der Versicherten (dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge), aber auch das öffentliche Interesse am Funktionieren eines volkswirtschaftlich wichtigen Dienstleistungsgewerbes haben dazu geführt, dass Spezialvorschriften (Versicherungsaufsichtsgesetz) das Aktiengesetz zum Teil ersetzen bzw. ergänzen und zusammen mit Anordnungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die gesamte Organisation der aufsichtspflichtigen Versicherungs-AG bestimmen. Die Zulassung zum Geschäftsbetrieb durch die BaFin ist ebenso wie beim WaG an zahlreiche Voraussetzungen geknüpft (u.a. solide Kapitalbasis, qualifiziertes Personal). Die Geschäftstätigkeit nach Gründung wird laufend überwacht.
c) Gründung
• Die AG kann von einer oder mehreren Personen gegründet werden, die Aktien gegen Einlagen übernehmen müssen (Errichtung der AG).
• Das gezeichnete Kapital (Grundkapital) muss deutlich über dem aktienrechtlichen Mindestbetrag (50 000,00 €) liegen, z.B. bei Schadenversicherern je nach Abhängigkeit vom Risikogehalt der betriebenen Versicherungszweige.
• Die Mindesteinzahlungsquote beträgt 25 % des Nennwertes zuzüglich des vollen Aufgeldes (Agio), soweit der Aktienausgabekurs den Nennwert übersteigt.
• Ein notariell beurkundeter Gesellschaftsvertrag (Satzung) ist aufzustellen.
Dieser muss neben aktienrechtlich vorgeschriebenen Inhalten auch die betriebenen Versicherungszweige einzeln bezeichnen sowie Angaben über die Grundsätze der Vermögensanlage enthalten.
• Die Firma der AG kann eine Personen-, Sach-, Fantasie- oder gemischte Firma sein. Sie muss die Bezeichnung Aktiengesellschaft oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten (z.B. Karlsruher Lebensversicherungs-AG). Nach Bestehung der Organe und des Abschlussprüfers kann die AG ins Handelsregister ein-getragen werden. Erst dadurch ist sie als AG entstanden (rechtserzeugende Wirkung). Sie ist juristische Person und hat Kaufmannseigenschaften erlangt.
d) Kapital
Das gezeichnete Kapital einer Versicherungs-AG erfüllt in erster Linie eine Garantie-funktion (Garantiefonds), d. h., im Gegensatz zur Industrie-AG dient es nur in geringem Maße als Betriebsmittelstock zur Finanzierung der Anfangsinvestitionen (Organisationsfonds). Daher kann das gezeichnete Kapital auch teileingezahlt werden (mind. 25 %). Im Bedarfsfall – sonst nicht abdeckbare technische Verluste – kann der Vorstand zur Resteinzahlung (Nachschusspflicht) auffordern. Das gezeichnete Kapital, dessen Höhe durch die Satzung festgelegt wird, entspricht der Summe der Nennwerte aller ausgegebenen Aktien. Statt der Nennbetragsaktien können jetzt auch Stückaktien ausgegeben werden. Die Nennbetragsaktie muss auf mindestens 1,00 €, ein höherer Nennbetrag auf volle € lauten. Die Stückaktie besitzt keinen Nennbetrag. Sie ist ein prozentualer Anteil am gezeichneten Kapital (Grundkapital). Der auf die einzelne Aktie entfallende Betrag (fiktiver Nennwert) darf ebenfalls 1,00 € nicht unterschreiten, ist aber oberhalb dieser Mindestgröße stufenlos. Das gezeichnete Kapital wird ergänzt durch die auch kurzfristig variablen Rücklagen.
Diese zusätzlichen Eigenkapitalpositionen werden gebildet:
• vorwiegend aus nicht ausgeschütteten Jahresgewinnen (Gewinnrücklage),
• aus dem Aufgeld (Agio) bei einer Überpari-Emission (Kapitalrücklage).
Eine Unterpari-Emission ist dagegen verboten. Deshalb ist der Nennwert einer Nennbetragsaktie bzw. der rechnerische Nennwert einer Stückaktie zugleich auch immer ihr Mindestausgabepreis.
Beispiel:
Gründungsbilanz (Bargründung) mit Überpari-Emission
Es wurden 10 Mio. € zu 25 % teileingezahlte Aktien zum (rechnerischen) Mindest-nennwert1 von 1,00 € (Ausgabepreis je Aktie 1,10 €2)ausgegeben.
Aktiva | Gründungsbilanz einer AG | Passiva | ||
Ausstehende Einlagen Vermögen | 7,5 Mio. € 3,5 Mio. €3 | Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage | 10,0 Mio. € 1,0 Mio. €
|
Gezeichnetes Kapital und Kapitalrücklage bilden das Eigenkapital. Effektiv steht auf-grund der ausstehenden Einlagen zzt. aber nur ein Eigenkapital von 3,5 Mio. € zur Verfügung.
e) Übertragbarkeit von Aktien
– Inhaberaktien
Hier kann durch einfache Übergabe (stillschweigende Einigung) Eigentum erworben werden. Versicherungsaktien sind aber i. d. R. Namensaktien.
– Namensaktien
Sie sind auf eine bestimmte Person ausgestellt. Dies ist zwingend, wenn das Gezeichnete Kapital noch nicht voll eingezahlt ist. Die Eigentumsübertragung erfolgt durch Indossament (ausdrückliche Einigung wie beim Wechsel) und Übergabe. Namensaktien sind in das bei der AG geführte Aktienbuch einzutragen; denn nur der Eingetragene kann der AG gegenüber Aktionärsrechte geltend machen, z. B. die Zulassung zur Hauptversammlung verlangen und dort abstimmen.
Vinkulierte Namensaktien können nur mit Zustimmung der AG (Vorstand) übertragen werden. Durch eine solche Regelung kann u. U. eine Überfremdung der AG vermieden oder sichergestellt werden, dass die Aktien (wegen der ausstehenden Einlage) nur von zahlungsfähigen Personen erworben werden.
f) Aufbau der Organe
-Hauptversammlung
Sie ist die Versammlung der Aktionäre.
•Mit einfacher Mehrheit wählt sie alle 4 Jahre den Aufsichtsrat, den sie jährlich wie auch den Vorstand zu entlasten hat. Sie beschließt über die Verwendung des Bilanzgewinns.
•Mit qualifizierter Mehrheit entscheidet sie über Grundsatzfragen vor allem Satzungsänderungen (z.B. Kapitalerhöhung).
– Aufsichtsrat
Der Aufsichtsrat als Kontrollorgan bestellt und überwacht den Vorstand, prüft und stellt den Jahresabschluss fest und stimmt bestimmten Geschäften (z.B. Niederlassung im Ausland) zu. Bei seiner Zusammensetzung sind arbeitsrechtliche Vorschriften zu beachten, d. h. bei mindestens 500 Arbeitnehmern das Betriebsverfassungsgesetz und bei mehr als 2 000 Arbeitnehmern das Mitbestimmungsgesetz (vgl. nachstehenden Exkurs; Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat).
Vertreter der BaFin können anhörungsberechtigt an Aufsichtsratssitzungen wie auch an der jährlichen Hauptversammlung teilnehmen bzw. diese ggf. sogar selbst einberufen.
• Vorstand
Der Vorstand übt als Leitungsmacht die Geschäftsführung (Innenverhältnis) und die Vertretung der Gesellschaft (Außenverhältnis) aus; er hat dem Aufsichtsrat Viertel-jährlich zu berichten. Der Vorstand erstellt den Rechnungsabschluss und beruft die jährliche Hauptversammlung ein.
1 Der Anteil am gezeichneten Kapital bestimmt sich bei Nennbetragsaktien nach dem Verhältnis ihres Nennbetrages zum gezeichneten Kapital, bei Stückaktien nach der Zahl der Aktien. Im Beispielsfall wurden 10 Mio. Aktien zu einem Nennwert von 1,00 € ausgegeben.
2 Vom Ausgabepreis ist der Börsenkurs zu unterscheiden. An der Börse notiert die Aktie täglich mit ihrem jeweiligen Marktwert, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt.
Exkurs: Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates entscheidet über die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer. Dabei spielen folgende Arbeitnehmerzahlen innerhalb der Gesellschaft eine Rolle:
a) In Gesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht zwingend vorgeschrieben. Der Aufsicht Rat kann also ausschließlich mit Vertretern der Gesellschafter besetzt sein.
b) In Gesellschaften, die mindestens 500, aber nicht mehr als 2 000 Arbeitnehmer beschäftigen, wird der Aufsichtsrat zu zwei Dritteln aus Vertretern der Anteilseigner, zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer gebildet. Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder muss also mindestens drei Mitglieder betragen; die Satzung kann eine höhere, durch drei teilbare Mitgliederzahl bestimmen.
c) In Gesellschaften, die mehr als 2 000 Arbeitnehmer beschäftigen, setzt sich der Aufsichtsrat je zur Hälfte (paritätisch) aus Vertretern der Gesellschafter und der Arbeitnehmer zusammen. Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt in diesem Falle.
– bei 2 000 bis 10 000 beschäftigten Arbeitnehmern zwölf, davon vier Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Gewerkschaftsvertreter;
– bei mehr als 10000 bis 20000 beschäftigten Arbeitnehmern sechzehn, davon sechs Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Gewerkschaftsvertreter;
– bei mehr als 20 000 beschäftigten Arbeitnehmern zwanzig, davon sieben Arbeitnehmer des Unternehmens und drei Gewerkschaftsvertreter.
Die Vertreter der Gesellschafter werden in den Fällen b) und c) von der Gesellschafterversammlung, die Vertreter der Arbeitnehmer von der Belegschaft gewählt. Die Aufsichtsratssitzung der Arbeitnehmer sollen sich auf Arbeiter, Angestellte und leitende Angestellte entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbelegschaft verteilen; jede Gruppe muss aber mindestens einen Sitz erhalten. Der Aufsicht rat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter. Wird die dazu erforderliche 2/3-Mehrheit nicht erreicht, so wählen die Aufsichtsrats-Mitglieder der Gesellschafter den Vorsitzenden. Dieser hat bei Stimmengleichheit im Aufsicht Rat eine zweite Stimme.
g) Wesentliche Rechte der Aktionäre
•Stimmrecht auf der Hauptversammlung nach Aktiennennbetragen
•Gewinnanteilsrecht (Dividende)
•Bezugsrecht bei Ausgabe neuer (junger) Aktien
Durch die Wahrnehmung des Bezugsrechtes kann sich der Aktionär bestehende Stimmrechtsanteile sichern. Bei Verkauf des Bezugsrechts erhält er einen Wertausgleich dafür, dass durch den sich bildenden Mittelkurs nach der Kapitalerhöhung eine Verwässerung des Börsenkurses eintritt, denn in der Regel ist der Ausgabekurs der jungen Aktien niedriger als der Börsenkurs der alten Aktien vor Kapitalerhöhung. Das gilt nicht für Kapitalerhöhungen, wenn durch Hauptversammlungsbeschluss das Bezugsrecht ausgeschlossen wurde.
h) Rechnungslegung der Versicherungs-AG
Grundsätzlich haben Versicherungsunternehmen
•einen Jahresabschluss, bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und Anhang, sowie
•einen Lagebericht aufzustellen und offen zu legen.
Der Anhang als Bestandteil des Jahresabschlusses hat die einzelnen Positionen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zu erläutern (Erläuterungsbericht). Der Lagebericht hat die Unternehmensentwicklung darzulegen. Versicherungsunternehmen müssen ferner, unabhängig von ihrer Größe und Rechtsform, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufstellen und offen legen. Die Muttergesellschaft eines Versicherungskonzerns kann anstelle des Konzernabschlusses und Konzernlageberichtes nach dem HGB einen Abschluss und Lagebericht nach dem international anerkannten Rechnungslegungsvorschriften IAS (International Accounting Standards) vorlegen, wodurch die internationale Vergleichbarkeit gefördert wird. Ab dem Jahr 2005 müssen börsennotierte Unternehmen ihre konsolidierte Bilanz nach dem International Financial Reporting Standard (IFRS) erstellen.
Den gesetzlichen Rahmen für die Rechnungslegung nach deutschem Recht bilden:
• das Handelsgesetzbuch (HGB)
– mit den allgemeinen Vorschriften der §§ 238 bis 335 HGB,
– mit den ergänzenden Vorschriften der §§341 bis 341o HGB;
• das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) mit den §§ 55 bis 64 VAG;
• spezielle Vorschriften im Aktiengesetz (AktG), z.B. § 152 (2) AktG, §§ 160, 170-176 AktG, § 337 (1) AktG;
• die Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV).
In der RechVersV sind insbesondere geregelt:
-Gliederung von Bilanz und GuV,
-Bewertungsvorschriften,
-Bilanzanhang und Lagebericht,
-Konzernrechnungslegung,
-Befreiungen und Vereinfachungen für bestimmte kleine Versicherungsunter-nehmen.
Die Vervielfältigung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes sowie des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichtes erfolgen durch entsprechende Geschäftsberichte. Der Jahresabschluss, die zugrunde liegende Buchführung und der Geschäftsbericht sind durch einen vom Aufsichtsrat bestimmten und von der BaFin bestätigten Abschlussprüfer zu prüfen. Erst dann kann der Jahresabschluss vom Aufsichtsrat festgestellt werden. Der Jahresabschluss ist in den Gesellschaftsblättern bekannt zu geben und zusammen mit dem Geschäftsbericht beim Handelsregister einzureichen (Publikationspflicht). Darüber hinaus hat die Versicherungs-AG die gesamten Rechnungslegungen
•der BaFin, die ein weitgehendes Kontrollrecht hat, vorzulegen und
•auf Verlangen auch den Versicherten, die ein ähnliches Informationsrecht haben wie die Aktionäre.
i)Gewinnverwendung
►Dividende
Wegen der doppelten Verantwortung der Geschäftsleitung, sowohl den Aktionären als auch den Versicherten gegenüber, bedarf die Gewinnverwendungsentscheidung einer verantwortungsbewussten Interessenabwägung, d.h., neben den Aktionären (Dividende für Eigenkapitalhergabe, Rücklagenzuführung), sind nach Aufsichtsrecht auch die Versicherten (Versichertendividende) am versicherungstechnischen Über-schuss zu beteiligen. So führt z. B. die Lebensversicherungs-AG in der Regel 90 % ihres Reingewinns und mehr als Gewinnbeteiligung an die VN zu.
Auf der Passivseite der Bilanz kennt man hierfür die Position Rückstellung für Beitragsrückerstattung. Durch die Bezeichnung Rückstellung wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Verbindlichkeit handelt, deren Grund (hier: Beteiligung der Versicherten an der Dividende) bekannt, die aber noch nicht fällig ist. Rückstellungen haben bereits Fremdkapitalcharakter, während Rücklagen Eigenkapital darstellen.
►Gesetzliche Rücklage
Vom verbleibenden Jahresüberschuss sind aktienrechtlich nach Ausgleich eines bestehenden Verlustvortrages jährlich 5 % der Gewinnrücklage (gesetzliche Rücklage) zuzuführen, bis diese zusammen mit der Kapitalrücklage 10 % des gezeichneten Kapitals beträgt. Bis zur Hälfte des restlichen Jahresüberschusses kann darüber hinaus der Vorstand zusammen mit dem Aufsichtsrat in die anderen Gewinnrücklagen (freie Rücklage) einstellen.
►Freie Rücklage
Neben einer zuverlässigen Bemessung der technischen Rückstellungen dient dies der Erhaltung der Leistungskraft der AG und damit sowohl dem Aktionärsinteresse als auch dem Versichertenschutz.
►Restlicher Jahresüberschuss
Über die Verwendung des restlichen Jahresüberschusses (Bilanzgewinn) entscheidet die Hauptversammlung meist im Rahmen des Verwendungsvorschlages der Geschäftsleitung, d. h. Ausschüttung einer Dividende mit vollem Prozentsatz und Vortrag des Restgewinns auf das nächste Geschäftsjahr. Die Kapital- und Gewinnrücklagen heißen offene Rücklagen, weil sie aus der Bilanz ersichtlich sind. Durch Unterbewertung von Vermögensteilen bzw. Überbewertung insbesondere ungewisser Schulden (zu hohe Rückstellungen) entstehen stille Rücklagen, weil tatsächliche Gewinne hier buchmäßig nicht ausgewiesen werden (verstecktes Eigenkapital).