Wartezeiten für bestimmte Leistungsarten
Wer einen Rechtsstreit auf sich zukommen sieht, ist natürlich versucht, noch schnell eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Um dieses subjektive Risiko zu verhindern, sehen die ARB für einige Leistungsarten eine sog. Wartezeit von 3 Monaten vor.
Die Wartezeit hat zur Folge, dass die Leistungspflicht des VR nur für einen Rechtsschutzfall begründet wird, der nach Ablauf dieser 3 Monate eintritt. Die Frist läuft ab dem im Versicherungsschein genannten Beginn (technischer Beginn).
Drei Monate Wartezeit besteht bei: | Keine Wartezeit besteht bei: |
– Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht- Arbeits-RS- Sozialgerichts-RS – Verwaltungs-RS in Verkehrssachen – Steuer-RS vor Gerichten – Wohnungs- und Grundstücks-RS | – Schadenersatz-RS- Disziplinär- und Standes-RS- Straf-RS (auch Steuer-Straf-RS) – Beratungs-RS (Familien- und Erbrecht) – Ordnungswidrigkeiten-RS |
– ausgenommen Kauf- und Leasingverträge über fabrikneue Fahrzeuge, hier besteht keine Wartezeit
Auf die Wartezeit wird regelmäßig verzichtet, wenn der VN eine Vorversicherung der betreffenden Risiken nachweist und die neue Versicherung unmittelbar anschließt. Das gilt auch für den Fall, dass die Risiken bisher in einem Vertrag der Eltern des VN mitversichert waren.
Rechtsschutzfall (Versicherungsfall)
Voraussetzung für die Deckung ist der Eintritt eines Rechtsschutzfalls (Versicherungsfall), d.h. eines Ereignisses, das
• vom RS-Vertrag des VN umfasst wird/zu den versicherten Leistungsarten gehört,
• nicht unter einen Risikoausschluss fällt,
• während der Vertragslaufzeit (nach Ablauf der Wartezeit) eintritt,
• von Anfang an den VN oder mitversicherte Personen persönlich betrifft; denn
Ansprüche, die erst nach Eintritt eines Ereignisses, das einen Rechtsschutzfall
auslösen könnte, auf den VN übergegangen sind (z.B. durch Forderungsabtretung),
sind vom Versicherungsschutz ebenso ausgeschlossen wie fremde Ansprüche, die
der VN im eigenen Namen geltend macht und für die er dann Rechtsschutz begehrt.
Je nach Leistungsart werden unterschiedliche Ereignisse als Rechtsschutzfall angenommen.
a) Schadenersatz-Rechtsschutz
Als Rechtsschutzfall gilt der Eintritt des ersten Ereignisses, durch das der Schaden verursacht sein soll.
Beispiel:
Am 16. Febr. d. J. wurden bei Dachdeckerarbeiten Dachziegel unzureichend befestigt. Am 10. Okt. d. J. wird der VN von einem herabfallenden Dachziegel verletzt. Am 20. Dez. d. J. macht der VN Schadenersatzansprüche geltend. Rechtsschutzfall ist hier allein der Zeitpunkt der Verletzung am 10. Okt. d. J. (Schadenereignis).
b) Beratungs-Rechtsschutz
Rechtsschutzfall ist das Ereignis, das die Rechtslage des VN im Familien- und Erbrecht ändert, die einen Rechtsrat oder eine Rechtsauskunft erforderlich macht.
Beispiel:
Beratung bei Tod des Vaters (Erblassers), wodurch eine Erbeinsetzung des VN bzw. Mitversicherten in Betracht kommt. Rechtsschutzfall ist der Zeitpunkt, zu dem der Vater verstorben ist.
c) Rechtsschutz für die übrigen Leistungsarten
• In allen übrigen Leistungsarten gilt der Rechtsschutzfall dann als eingetreten, wenn
der VN bzw. mitversicherte Personen, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat bzw.
begonnen haben soll, gegen eine Rechtsvorschrift (z.B. Strafvorschrift) oder eine
Rechtspflicht (z.B. vertragliche Verpflichtung) zu verstoßen.
Beispiel:
Ordnungswidrigkeiten-Rechtsschutz
Der VN erhält einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsübertretung. Er fühlt sich zu Unrecht bestraft und legt deshalb Einspruch ein. Als Rechtsschutzfall gilt der Zeitpunkt, in dem der VN gegen die Verkehrsvorschrift verstoßen hat.
Allerdings ist bei mehreren Verstößen der erste adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei nicht nur tatsächliche, sondern auch behauptete Verstöße eine Rolle spielen. Nur solche Verstöße bleiben hier außer Betracht, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen.
Beispiel:
Arbeits-Rechtsschutz
Der VN hat 4 Monate nach Versicherungsbeginn von seinem Arbeitgeber eine Kündigung erhalten. Kündigungsgrand ist die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe mehrmals gegen seine Arbeitspflicht verstoßen. Da der erste dieser Verstöße 2 Monate vor Versicherungsbeginn passiert sein soll, besteht für eine eventuelle Kündigungsschutzklage des VN kein Rechtsschutz.
Bei Dauerverstößen kommt es auf den Beginn des Verstoßes an. Wurde z. B. eine Hecke zu nahe an eine Grundstücksgrenze gepflanzt, liegt der Verstoßbeginn in der Bepflanzung und nicht in der hiervon (später) ausgehenden Beeinträchtigung, die dann zu nachbarrechtlichen Streitigkeiten führt (Wohnungs-und Grundstücks-RS).
• Hat eine Willenserklärung/Rechtshandlung den Verstoß ausgelöst, so muss auch
diese nach Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen worden sein.
Andernfalls entfällt auch hier der Rechtsschutz.
Beispiel:
Sozialversicherungs-Rechtsschutz
Der VN stellt 2 Monate vor Versicherungsbeginn einen Antrag auf Erwerbminderungsrente. Vier Monate später – also nach Ablauf der Wartezeit – erhält er einen Ablehnungsbescheid (Verstoß). Der VN hat keinen Anspruch auf Rechtsschutz, da hier der Rentenantrag (Willenserklärung vor Versicherungsbeginn) den Verstoß ausgelöst hat.
• Im Steuer-RS vor Gerichten besteht kein Rechtsschutz, wenn die für die
Festsetzung der Steuer oder Abgabe maßgeblichen Voraussetzungen bereits vor
Versicherungsbeginn eingetreten sind oder eingetreten sein sollen.
Beispiel:
Für den VN besteht ab 01. Aug. d. J. eine Rechtsschutzversicherung nach § 26 ARB. Im Juni d.J. hatte er ein Computerseminar besucht. Erkennt das Finanzamt die Seminarkosten in der Einkommensteuererklärung für das betreffende Jahr, die im Folgejahr abgegeben wird, nicht als Werbungskosten an, so besteht für eine Klage beim Finanzgericht kein Rechtsschutz, weil die entsprechenden Aufwendungen vor Versicherungsbeginn, also vor dem 01. Aug. d.J. angefallen sind.
Die Tatsache, dass die Steuererklärung erst im Folgejahr abgegeben und der Steuerbescheid ebenfalls erst im Folgejahr erteilt wurde, ist hier unerheblich.
Schadenmeldung
Jede Meldung eines Rechtsschutzfalles sollte sofort an den VR erfolgen. Die Nachmeldefrist für Rechtsschutzfälle, die erst nach Beendigung des Versicherungsvertrages als solche erkennbar werden (Spätschäden), beträgt 3 Jahre.
Beispiel:
Vertrags-Rechtsschutz
Ein VN hatte am 10. Jan. d.J. einen Schreiner mit der Anfertigung eines Bücherregals beauftragt. Am 20. April d. J., also 2 Monate nach Lieferung (19. Febr. d.J.), bricht das Regal wegen eines Konstruktionsfehlers zusammen. Da der Schreiner die Mangelhaftigkeit seiner Leistung bestreitet, geht der VN am 10. Mai d.J. zum Rechtsanwalt. Der Rechtsschutzvertrag war aber schon zum 01. April d.J. nach 5-jähriger Laufzeit fristgerecht gekündigt worden. Rechtsschutz ist hier aber dennoch zu gewähren, da der Rechtsschutzfall (Zeitpunkt der Lieferung) innerhalb der Vertragslaufzeit liegt.