Wichtiges Merkmal einer Branche wie der Versicherungswirtschaft ist der Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Wettbewerb lässt sich allgemein definieren als Leistungskampf zwischen Wirtschaftseinheiten und erfüllt in einem marktwirtschaftlichen System mehrere zentrale Funktionen. Er ergibt sich als Resultat einer Vielzahl brancheninterner und -externer Einflussfaktoren und zwingt Unternehmen zu einer langfristigen Reaktion in Form einer klaren strategischen Positionierung auf dem Markt. Ein gängiges Modell zur theoretischen Beschreibung dieses Phänomens sind die Wettbewerbsstrategien nach Porter, die den Erfolg von Unternehmen als das Ergebnis einer gezielten strategischen Ausrichtung und Abgrenzung erklären.
Die wettbewerbsstrategischen Modelle der Porter’sehen Schule finden sich auch in der Versicherungswirtschaft; das Hauptinstrument zur Umsetzung einer Wettbewerbsstrategie bildet dabei neben den Produkten der Vertrieb. Dass eine stark regulierte und auf Verlässlichkeit ausgerichtete Branche wie die Versicherungswirtschaft überhaupt einen spürbaren Wettbewerb kennt, ist eine Folge der 1994 eingeleiteten Deregulierung der Versicherungsmärkte, die auf eine Angleichung der Aufsichtssysteme in Europa abzielt.
Aus der Perspektive der Versicherungsaufsicht ist der freie marktwirtschaftliche Wettbewerb ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sollen die Versicherungsnehmer von einem intensiven Konkurrenzkampf unter den Versicherungsunternehmen profitieren, müssen aber andererseits vor zu negativen Folgen dieses Wettbewerbs geschützt werden. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber ein kompliziertes Wettbewerbsrecht geschaffen, das sowohl wettbewerbsfördernde als auch wettbewerbshemmende Bestandteile enthält.
Wettbewerb in einem marktwirtschaftlichen System
Der Begriff „Markt“ beschreibt in den Wirtschaftswissenschaften die Gesamtheit aller ökonomischen Beziehungen zwischen den Anbietern und Nachfragern eines Gutes oder einer Dienstleistung. Je nach Zahl der Marktteilnehmer herrscht auf einem Güter- bzw. Dienstleistungsmarkt ein mehr oder weniger intensiver Wettbewerb unter den Anbietern um die Gunst der Nachfrager. Wettbewerb lässt sich folglich allgemein definieren als Leistungskampf zwischen Wirtschaftseinheiten auf einem grenzüberschreitenden Markt, meist bezieht man sich dabei auf den Leistungskampf unter den Anbietern.
Damit es auf einem Markt zur Herausbildung von Wettbewerbsstrukturen kommt, müssen einige zentrale Voraussetzungen erfüllt sein. Hierzu gehören in erster Linie:
• Ökonomische Rechtsstaatlichkeit: Diese beinhaltet zum Beispiel das Eigentumsrecht, die Vertragsfreiheit und die Gewerbefreiheit. Der Gesetzgeber stellt den groben rechtlichen Rahmen aller wirtschaftlichen Aktivitäten dar und mischt sich in diese nur ein, um größeren Schaden von der Gemeinschaft abzuwenden.
• Hinreichend polypolistische Marktstrukturen: Ein Markt mit vielen Anbietern (Polypol auf der Anbieterseite) ist grundsätzlich wettbewerbsfördernd, ein Anbietermonopol (nur ein Anbieter auf dem Markt) unterbindet Wettbewerb hingegen. Einen Grenzfall stellt der oligopolistische Markt einiger weniger großer Anbieter dar. Hier ist einerseits das direkte Konkurrenzdenken untereinander stark ausgeprägt, andererseits besteht aber die Gefahr von Absprachen (zum Beispiel Preisabsprachen), was den Wettbewerb einschränkt.
• Funktionierendes Währungssystem: Der Verrechnungswert der eigenen Währung gegenüber Fremdwährungen muss sinnvoll ermittelbar und hinreichend stabil sein.
Liegen alle Voraussetzungen für einen freien Wettbewerb vor, wird die Intensität dieses Wettbewerbs zu einer wichtigen Kenngröße eines Marktes bzw. einer Branche (hier grob definiert als die Gesamtheit aller Anbieter auf einem Markt). Wettbewerb erfüllt dabei im Wesentlichen drei Funktionen:
• Wettbewerb fördert den technischen Fortschritt, besitzt also eine Anreizfunktion. Diese Anreizfunktion ergibt sich aus dem Wunsch des einzelnen Anbieters nach Erzielung eines Wettbewerbsvorteils gegenüber seinen Konkurrenten.
• Der freie Wettbewerb bildet in gewissen Grenzen ein Instrument zur Darstellung eines Güterangebotes nach den Präferenzen der Nachfrager und stellt gleichzeitig eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Verwendung vorhandener Produktionsfaktoren sicher, besitzt also eine volkswirtschaftliche Steuerungsfunktion. Zeigt sich aufseiten der Nachfrager etwa eine neue Nachfrage nach einem bestimmten Gut, sorgt die Konkurrenz unter den Anbietern dafür, dass sich auch Anbieter finden werden, die mit diesem Gut aufwarten.
• Schließlich spielt der Wettbewerb auch eine wichtige Rolle bei der Herstellung einer gerechten Einkommensverteilung sowie einer Erhöhung des allgemeinen Wohlstandes (Verteilungsfunktion). Dies zeigt sich beispielsweise an den breiten Preisspannen einzelner Produkte, die es sowohl in preisgünstigen Standardausführungen als auch in teuren Sonderausführungen für den anspruchsvollen Kunden gibt.
Der Wettbewerb unter den Anbietern eines Gutes oder einer Dienstleistung ist damit sowohl für die Nachfrager als auch für die Volkswirtschaft als Ganzes mit Vorteilen verbunden. Die Anbieter in einer wettbewerbsintensiven Branche müssen hingegen um Marktanteile und Erträge fürchten und den Herausforderungen des Wettbewerbs strategisch begegnen.