Haftung für eigenes Verschulden
Die Verantwortlichkeit des Schuldners ist generell in § 276 BGB geregelt. Danach hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist.
Verschulden bei Vertragsanbahnung
Schon die bloße Aufnahme von geschäftlichem Kontakt – z.B. das Betreten des Ladengeschäfts – begründet ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis. Jeder Teil hat im Rahmen dieses vorvertraglichen Schuldverhältnisses darauf zu achten, dass dem anderen nicht schuldhaft ein Schaden – z.B. durch Glätte des Fußbodens im Ladengeschäft – entsteht. Die hier zu beachtenden besonderen Fürsorge-, Aufklärungs- und Schutzpflichten treffen den potenziellen Vertragspartner unabhängig davon, ob es später zum Vertragsabschluss kommt oder nicht (Verschulden bei Vertragsanbahnung, sog. culpa in contrahendo = c.i.c.)
Mangelhafte Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden)
Beispiel: Vermieterhaftung
Trotz der Reklamation des Mieters, ein schadhaftes Dach auszubessern, unternimmt der Vermieter nichts. Bei einem Gewittersturm dringen größere Wassermengen in die Wohnung und beschädigen die Wohnungseinrichtung des Mieters (Sachschaden).
Der Schadenersatzanspruch des Mieters gegen den Vermieter ist für diesen Fall ausdrücklich im BGB geregelt.
Über die zu gewährende Mietminderung hinaus haftet hier der Vermieter auch für die Folgeschäden des schadhaften Daches (Beschädigung der Wohnungseinrichtung).
Weitere wichtige Beispiele sind die Haftung für Mangelfolgeschäden aus Werkvertrag bzw. Kaufvertrag und die Haftung für den Erfüllungsgehilfen.
Positive Vertragsverletzung
Für den Fall der Schlechterfüllung eines Vertrages sieht das BGB aber häufig – anders als im o.a. Beispiel zur Vermieterhaftung – keinen speziellen Ersatzanspruch für die Mangelfolgeschäden vor. Deshalb haftet hier der Vertragspartner aus positiver Vertragsverletzung (PW). Dieser zentrale Haftungstatbestand der Pflichtverletzung setzt aber immer ein – wenn auch vermutbares – Verschulden des Vertragspartners voraus (Verschuldenshaftung).
Beispiel: Schadenersatz wegen positiver Vertragsverletzung
A erteilt dem Rechtanwalt B das Mandat, für ihn eine Zahlungsforderung gegen C einzuklagen. Aus Nachlässigkeit verlegt B die Schuldurkunde, die ihm A zu treuen Händen übergeben hatte. Weil dieses wichtige Beweisstück fehlt, wird die Zahlungsklage gegen C abgewiesen (Vermögensschaden).
Kann im vorliegenden Fall der Rechtsanwalt nicht selbst haftungsbefreiend beweisen, dass sein Verhalten nicht schuldhaft (sorgfaltswidrig) war, ist er schadenersatzpflichtig.
Die positive Vertragsverletzung ist hauptsächlich auf folgende Fallgruppen anwendbar, ohne dass dies bei Vertragsabschluss ausdrücklich erwähnt werden muss:
• Verletzung vertraglicher Schutz- und Aufklärungspflichten (Nebenpflichten),
• Ersatz von Mangelfolgeschäden bei Schlechterfüllung der Hauptpflicht.
Haftung für den Erfüllungsgehilfen (vertragliche Haftung kraft Gesetzes für fremdes Handeln)
Grundlagen der Haftung
Wer eine vertragliche Leistung schuldet, wird diese als Unternehmer i. d. R. nicht persönlich erbringen. Der Unternehmer bedient sich dabei vielmehr anderer Personen, so genannter Erfüllungsgehilfen. Das sind vor allem seine Mitarbeiter als Arbeitnehmer. Es kann sich aber auch um Personen handeln, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehen (z.B. Spediteure, Architekten bzw. Subunternehmer). Fügt einer dieser Mitarbeiter dem Vertragspartner des Unternehmers im Rahmen der Vertragserfüllung schuldhaft einen Schaden zu, so haftet der Unternehmer als Vertragsschuldner für seinen Erfüllungsgehilfen genau so, als hätte er selbst den Schaden verursacht.
Beispiel:
Der selbstständige Dachdeckermeister D wird vom Hauseigentümer H gebeten, das Dach auszubessern (Werklieferungsvertrag). Beauftragt jetzt D seinen Gesellen G, die versprochene Werkvertragsleistung zu erbringen, so handelt G als Erfüllungsgehilfe. Infolge Unachtsamkeit rutscht dem Gesellen G ein Stapel Dachziegel auf die Dachverglasung der Terrasse.
Der Hauseigentümer H kann den Dachdeckermeister D wegen Verletzung vertraglicher Schutzpflichten i. V. mit § 278 BGB in Anspruch nehmen.
– Voraussetzungen einer Haftung für fremdes Handeln nach § 278 BGB
• Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Geschädigten und dem
Anspruchsgegner.
Das Gleiche gilt für ein Verschulden bei Vertragsanbahnungen (c.i.c.). Eine solche Vertragsanbahnung liegt z.B. vor, wenn der Geselle des Dachdeckermeisters den Hauseigentümer aufsucht, um das zu reparierende Dach wegen eines Kostenvoranschlages zu besichtigen. Anlässlich der Besichtigung zerstört er eine Dachfensterscheibe.
• Dieser Vertrag muss verletzt worden sein.
Für die Haftpflichtversicherung von Bedeutung ist hier die Verletzung von Nebenpflichten, die zu einer Schädigung des Vertragspartners führen, sodass ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung (PW) besteht.
• Die Vertragsverletzung beruht auf einem (vermuteten) Verschulden des
Erfüllungsgehilfen.
• Die schädigende Handlung muss in Erfüllung vertraglicher Pflichten erfolgt sein. Für
den Dachdecker besteht daher keine Haftung, wenn der Gehüfe eine bei
Gelegenheit der Vertragserfüllung selbstständig verübte, unerlaubte Handlung
begeht; z.B. in der Mittagspause im Garten des Hauseigentümers aus Unachtsamkeit
einen Gartentisch beschädigt. Hier haftet nur der Gehilfe aus unerlaubter Handlung.
Persönliche Haftung des Erfüllungsgehilfen
Der Erfüllungsgehilfe (hier: der Geselle) ist für den von ihm angerichteten Schaden
nach § 823 BGB ersatzpflichtig. Der Geschädigte könnte sich also statt an den Vertragspartner auch an den Erfüllungsgehilfen wenden (sog. konkurrierende Ansprüche).
Haftung für den Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB und den Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB im Vergleich
Beispiel:
Zwischen dem Dachdeckermeister D und dem Hauseigentümer H wurde bekanntlich ein Werklieferungsvertrag geschlossen, wonach das Dach des Hauseigentümers H zu reparieren war.
D beauftragte daraufhin seinen Gesellen, der im nächsten Artikel sog. Verrichtungsgehilfe einen unbeteiligten Dritten (den Radfahrer) und im nächsten Artikel als Erfüllungsgehilfe den Hauseigentümer (Vertragspartner) schädigte.
Erläuterungen zum Schaubild auf dem nächsten Artikel:
1. Zwischen dem Dachdeckermeister D (Vertragspartner) und dem Hauseigentümer
H (Vertragspartner) besteht ein Werklieferungsvertrag.
2. D beauftragt mit der Ausführung der Reparaturarbeiten seinen Gesellen G, der
weisungsgebunden ist (Abhängigkeitsverhältnis).
3a. G schädigt bei der Vertragserfüllung als Erfüllungsgehilfe den Hauseigentümer H.
3b. Der Hauseigentümer H kann den Dachdeckermeister D aus Vertragsverletzung
in Anspruch nehmen, da er für seinen Erfüllungsgehilfen haftet.
3b. G schädigt bei Ausführung der Verrichtung als Verrichtungsgehilfe einen Unbeteiligten (Dritten). G gilt als Verrichtungsgehilfe, da keine vertragliche Beziehung zum Dritten besteht.
4a. Der Dritte (Radfahrer) kann den Geschäftsherrn D nach den Bestimmungen über
die Haftung für den Verrichtungsgehilfen in Anspruch nehmen. D kann sich jedoch
ggf. entlasten.
Es bleibt anzumerken, dass der geschädigte H auch das Recht hat, den Geschäftsherrn aus der Verrichtungsgehilfenhaftung nach § 831 BGB in Anspruch zu nehmen (konkurrierender Anspruch zur Haftung für den Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB).
Der große Vorteil einer Vertragsklage i. V. mit § 278 BGB ist darin zu sehen, dass der Geschäftsherr keinen Entlastungsbeweis führen kann; er haftet nun einmal für fremdes Verschulden, unabhängig von einem eigenen Verschulden.
Ferner könnten der geschädigte H und der geschädigte Radfahrer den Gesellen G auch unmittelbar aus der reinen Verschuldenshaftung in Anspruch nehmen (konkurrierender Anspruch).
Haftungserleichterungen im Rahmen vertraglicher Haftung kraft Gesetzes
Der Schenker und Verleiher haftet z.B. nicht für leichte Fahrlässigkeit, der unentgeltliche Verwahrer nur für das Maß an Sorgfalt, das er in eigener Angelegenheit anzuwenden pflegt (individuelle Fahrlässigkeit).