Die vier Familienmitglieder der Familie Lübben haben grundverschiedene Hobbys: Elmar Lübben, 48 Jahre und Architekt von Beruf, ist leidenschaftlicher Jäger. Seine 46-jährige Ehefrau Helga ist als Lehrerin tätig und spielt in ihrer Freizeit gerne Golf. Sohn Markus, 20 Jahre, ist Student. Ihn zieht es in die Lüfte, denn er geht dem Segelflugsport nach. Tochter Melanie, 16 Jahre, ist in ihrer Freizeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf dem Reiterhof anzutreffen.
Schließlich ist da noch der Mischlingshund Rex, den alle Familienmitglieder ins Herz geschlossen haben.
Bei einer Familienfeier mit Verwandten kommt man auf die verschiedenen Hobbys und auch den Hund zu sprechen und im weiteren Verlauf der Unterhaltung steht die Frage an, was passiert, wenn eines der Familienmitglieder durch Ausübung seines Hobbys einen anderen schädigt oder wenn Rex einmal zubeißt. Wir wollen hoffen, dass nichts passiert, meint Elmar Lübben, und schließlich haben wir ja auch noch eine Privat-Haftpflichtversicherung.
Unter den Verwandten befindet sich der 18-jährige Sven, der gerade eine Ausbildung zum Meyer für Versicherungen und Finanzen angetreten hat. Vorsicht!, meint er. Genau weiß ich es noch nicht, aber ich habe gehört, dass die Privat-Haftpflichtversicherung wohl viele, aber nicht alle Risiken des täglichen Lebens deckt. Bestimmte Risiken müssen zusätzlich versichert werden. Unsere Vertreter fragen deshalb auch die Kunden stets nach Beruf, Hobbys, Immobilienbesitz usw.
Man kommt schließlich überein, dass Sven den Besuch eines Vertreters seines Ausbildungsbetriebes veranlassen soll, damit die Haftpflichtrisiken der Familie abgeklärt und ggf. zusätzlich versichert werden.
In den vorangegangenen Ausführungen wurde festgestellt, dass der Schädiger unter bestimmten Voraussetzungen unbegrenzt für einen Schaden, den er einem anderen zugefügt hat, haftet. Vorhandenes Vermögen und das Einkommen reichen ggf. nicht aus, den angerichteten Schaden zu begleichen. Dann ist der finanzielle Ruin vorprogrammiert.
Der Eigenvorsorge sind deshalb .Grenzen gesetzt. Das Haftpflichtrisiko ließe sich allenfalls noch dadurch begrenzen, dass man auf bestimmte Tätigkeiten (Hobbys) oder bestimmte Gefährdungstatbestände (z.B. Halten eines Hundes) verzichtet. Kann oder will man dies nicht, gibt es zu einer Haftpflichtversicherung (HV), die im Rahmen der vereinbarten Deckungssummen die persönlichen Haftpflichtrisiken deckt, keine Alternative. Die richtige Risikodeckung durch eine Haftpflichtversicherung setzt allerdings voraus, dass das persönliche Risiko zuvor richtig analysiert und der Deckungsumfang entsprechend vereinbart wird.
– Haftpflichtversicherung als Vermögensversicherung
Aufgaben der Haftpflichtversicherung
Haftpflichtversicherung als Vermögensversicherung
Aufgabe der Haftpflichtversicherung ist es, den Versicherten von Schadenersatzansprüchen freizustellen für Schäden, die er Dritten in seiner versicherten Eigenschaft, z. B. als Privatperson, zugefügt hat.
Die Haftpflichtversicherung dient damit
• der Deckung des konkreten Bedarfs im Schadenfall,
Unter diesem Gesichtspunkt stellt sie sich als Schadenversicherung dar.
• dem Schutz des gesamten jeweiligen Vermögens des Versicherten.
Im Haftpflichtfall wird nicht eine Sache des Versicherten geschädigt, sondern sein Vermögen. Vor dieser Vermögensschädigung schützt die Haftpflichtversicherung. Für den Versicherten ist sie deshalb eine Vermögensversicherung.
Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Haftpflichtversicherung eine Passivenversicherung , weil sie den VN davor schützt, dass ihm durch den Schadenersatzanspruch des Geschädigten Verbindlichkeiten (Passiven) erwachsen.
– Haftung und Deckung
Da im Rahmen der Haftpflichtversicherung zwischen zwei verschiedenen Rechtsverhältnissen zu unterscheiden ist, d. h. die Rechtsbeziehung zwischen
• dem Schädiger (VN) und dem Geschädigten einerseits und
• dem Schädiger (VN) und dem VR andererseits,
ist hier auch regelmäßig von drei Beteiligten auszugehen:
• Da nicht jeder gegen den VN gerichtete Schadenersatzanspruch dem Grunde und
der Höhe nach durch den Versicherungsvertrag Deckungsschutz genießt, wird der
VR im Schadenfall zunächst die Deckungsfrage prüfen. Nur wenn Deckung besteht,
hat sich der VR auch mit dem Haftpflichtanspruch (Schadenersatzanspruch) zu
befassen.
• Der Geschädigte hat keinen direkten Anspruch gegenüber dem Haftpflicht-VR,
ausgenommen in bestimmten Fällen, z.B. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, mit
der die Versicherungspflicht nach dem PflVG erfüllt wird. Verhandelt der VR im
Schadenfall mit dem Geschädigten, der keinen Direktanspruch hat, über Grund und
Höhe des Anspruchs, so tut er das als Vertreter des VN.
Arten der Haftpflichtversicherung
a) Allgemeine Haftpflichtversicherungen
In der Haftpflichtsparte gibt es keine Standard-, sondern eine ganze Anzahl spezieller Haftpflichtversicherungen, und zwar für ganz bestimmte, im Vertrag genau bezeichnete Gefahrenbereiche.
Traditionell wird die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung (Kraftfahrt-HV) als besonderer Versicherungszweig betrieben, während alle übrigen Arten von Haftpflichtversicherungen unter der Sammelbezeichnung Allgemeine Haftpflichtversicherungen geführt werden. Diese umfasst alle Arten der privaten, beruflichen und geschäftlichen Haftpflichtversicherung, u. a. die
• Privat-HV (Privatpersonen),
• Berufs-HV (u.a. Ärzte, Rechtsanwälte, Richter, Lehrer),
• Betriebs-HV (Gewerbetreibende, z.B. Handwerksbetriebe),
• Produkt-HV (Zusatzdeckung für Industrie und Handel),
• Umwelt-HV (betrifft sämtliche UmweltHG-Risiken im gewerblich-beruflichen
Bereich),
• Haus- und Grundbesitzer-HV,
• Tierhalter-HV (z.B. für Hundehalter),
• Gewässerschaden-HV (u. a. für Inhaber eines Öltanks).
Oft werden verschiedene Haftpflichtrisiken in einer Police (z.B. das Berufshaftpflichtrisiko oder Tierhalterrisiko zusammen mit dem Privathaftpflichtrisiko) versichert.
b) Pflicht-Haftpflichtversicherung
Die Haftpflichtversicherung hat nicht nur Bedeutung für den Versicherten. Sie ist ebenso wichtig für den ersatzberechtigten Geschädigten. Oft genug kann dieser deshalb keinen Ersatz erhalten, weil der für den Schaden Verantwortliche finanziell nicht in der Lage ist, Schadenersatz zu leisten. Ist aber der Schadenstifter gegen Haftpflicht versichert, so kann sich der Geschädigte darauf verlassen, dass seine Ersatzansprüche, soweit sie berechtigt sind, auch tatsächlich erfüllt werden. Deshalb hat der Gesetzgeber für einige besonders gefahrenbringende Tätigkeiten und für bestimmte Berufsausübungen den Abschluss einer Haftpflichtversicherung sogar gesetzlich vorgeschrieben.
Beispiele:
Pflicht-Haftpflichtversicherungen
• Kraftverkehrs-HV durch den Kfz-Halter (§ 1 PflVG)
• Luftfahrzeug-HV (§ § 2 und 43 LuftVG)
• Jagd-HV für den Jäger (§ 17 BJagdG)
• Haftpflichtversicherung für den Arzneimittelhersteller (§ 94 ArzneimittelG)
• Berufs-HV kraft Gesetzes für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, bestimmte
Versicherungsvermittler bzw. kraft Standesrechts für Ärzte, Zahnärzte und Anwälte
Die standesrechtlichen Anordnungen begründen jedoch keine gesetzliche Haftpflichtversicherung.
a) Rechtsgrundlagen allgemein
– Gesetzliche Grundlagen
Neben den allgemeinen gesetzlichen Grundlagen im BGB befinden sich spezielle Regelungen im WG:
• Allgemeiner Teil (§§ 1-73 VVG)
• Vorschriften für die gesamte Schadenversicherung (§§ 74-87 WG)
• Haftpflichtversicherung einschließlich Vorschriften für die Pflichtversicherung
(§§ 100-124 WG)
– Vertragliche Grundlagen
• Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB)
• Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung
(RBE).
• Policierte Individualvereinbarungen (Versicherungsschein und Nachträge), z.B.
Versicherung von Haftpflichtansprüchen, die nach AHB als nicht versichert gelten
(abdingbare Ausschlüsse).
b) Rechtsgrundlagen einer Privat-Haftpflichtversicherung
Für eine Privat-HV gelten grundsätzlich auch die genannten gesetzlichen Grundlagen und die AHB.
Je nach Umfang des vereinbarten Versicherungsschutzes gelten ferner die jeweils zutreffenden Abschnitte der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtversicherung von privaten Risiken (RBE-Privat).
Die RBE-Privat kennen folgende Abschnitte:
• A. Privat-Haftpflichtversicherung
• B. Hundehalter-Haftpflichtversicherung
• C. Reit- und Zugtierhalter-Haftpflichtversicherung
• D. Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung
• E. Bauherren-Haftpflichtversicherung
• F. Gewässerschaden-Haftpflichtversicherung
• G. Allgemeine Vertragsbestimmungen