Die Berufsunfähigkeitsversicherung findet im neuen VVG erstmals in einem eigenständigen Kapitel Berücksichtigung. Dieses regelt von der Lebensversicherung abweichende Besonderheiten dieses Versicherungszweiges und definiert in den §§172-177 VVG erstmals den Begriff der Berufsunfähigkeit vertragsrechtlich.
Berufsunfähig ist nach § 172(2) VVG, „wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann“. Es wird also nicht auf einen erlernten oder bei Vertragsabschluss ausgeübten Beruf abgestellt. Ebenso wenig stimmt die Begriffsdefinition mit dem sozialrechtlichen Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsbegriff überein. In vielen AVB wird heute die Prognose „voraussichtlich auf Dauer“ als erfüllt angesehen, wenn die Unfähigkeit, den Beruf auszuüben, mindestens sechs Monate lang bestanden hat.
Die Versicherungsleistung ist für die vertraglich vereinbarte Zeit oder bis zum Ende der Berufsunfähigkeit zu erbringen. Dabei ist es zulässig, dass der Grad der Berufsunfähigkeit mindestens einen bestimmten Prozentsatz erreichen muss, um eine Leistungspflicht des Versicherers auszulösen.
Es bleibt auch weiterhin möglich, in den AVB ein Verweisungsrecht auf andere Berufe vorzusehen, die die versicherte Person prinzipiell ausüben könnte. Um die Planungssicherheit des Versicherungsnehmers zu erhöhen, muss der Versicherer nach einem Prüfungsverfahren erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt oder nicht. Die Anerkenntnis darf einmal zeitlich befristet und währenddessen nicht vorzeitig beendet werden.
Bei einer unbefristeten Anerkenntnis sind regelmäßige Nachprüfungen zulässig. Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht nicht mehr bestehen, kann er seine Leistungen nur dann einstellen, wenn er seine Entscheidung dem Versicherungsnehmer dargelegt hat. Wenn sich lediglich die Bewertung der Fakten durch den Versicherer geändert hat, nicht aber die Faktenlage selbst, bleibt seine Leistungspflicht allerdings bestehen. Jedoch hat er die Möglichkeit, in ein Anfechtungsverfahren nach § 119 VVG einzutreten oder etwaige Verletzungen der Anzeigepflicht festzustellen.
Damit sich der Versicherungsnehmer auf eine Änderung der Situation einstellen kann, muss die Leistung für mindestens drei Monate weitergezahlt werden, nachdem ihn die Erklärung des Versicherers erreicht hat.
Die übrigen Bestimmungen für Lebensversicherungen (§§ 150-171 VVG) gelten auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung, sofern sie inhaltlich anwendbar sind. Dies betrifft zum Beispiel die Anpassungsvorschriften für Beiträge, Bedingungen und Leistungen in § 163 VVG und § 164 VVG, nicht aber die Regelung zum Rückkaufswert bei Kündigung (§ 169 VVG), da bei Berufsunfähigkeitsversicherungen der Eintritt des Versicherungsfalles nicht gewiss ist.
Die Regelungen dieses Versicherung-Ratgebers sind sinngemäß auf Versicherungsverträge ähnlicher Leistungstruktur anzuwenden, wie zum Beispiel die Erwerbsunfähigkeitsversicherung, aber nicht auf die Unfall- oder Krankenversicherung, weil diese eigenständige Besonderheiten aufweisen.
Die neuen Vorschriften zur Berufsunfähigkeitsversicherung entfalten keine rückwirkende Geltungskraft und werden nicht auf Altverträge angewendet.